Noam Chomsky: "Neue Weltordnungen"
Vom Kolonialismus bis zum Big Mac
Alter Wein in neuen
Schläuchen?
Mit diesem Werk bringt der Europaverlag ein zehn Jahre
altes Buch auf den Markt. Dies hat durchaus seine Berechtigung, da es ein bisher
unübersetztes wichtiges Werk aus Noam Chomskys politischen Schriften darstellt.
Daher möchte ich auch die editorische Nachbemerkung dieses Buches hier
wiedergegeben:
"Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte
Fassung des 1994 erschienenen Buches 'World Orders Old and New'. Komplett
weggelassen wurde das dritte Kapitel, das sich ausschließlich mit dem
Nahostkonflikt beschäftigt und in anderem Zusammenhang mit weiteren Materialen
publiziert werden soll. Gelegentliche Kürzungen in den beiden anderen Kapiteln
dienen vor allem der Vermeidung von Textredundanzen oder betreffen allzu
zeitgebundene Zusammenhänge wie etwa Statistiken zur Wirtschaftsentwicklung in
den ehemals sozialistischen Staaten nach 1989, deren Zahlen mittlerweile
überholt sind. Ebenso wurde darauf geachtet, Überschneidungen mit Themen in
bereits erschienenen Bänden so weitgehend wie möglich zu vermeiden. Die
Grundthesen des Buchs, die das konventionelle Bild von den Ursprüngen, Ursachen
und Verlaufsformen des
Kalten Kriegs kräftig revidieren, bleiben davon natürlich
unberührt. Mit George Bush ist immer der Senior gemeint, dessen Amtszeit die
Jahre 1988 bis 1992 umfasste."
Chomsky zählt zu den größten
Intellektuellen des nordamerikanischen Kontinents und muss als einer der
schärfsten Kritiker der amerikanischen Wirtschafts- und Außenpolitik gesehen
werden. Politisch würde man Chomsky selbst nach europäischen Maßstäben in das
linke Lager einreihen, nach us-amerikanischen Maßstäben wäre er der McCarthy-Ära
sicher zum Opfer gefallen.
In häufig sehr zynischen Kommentaren kritisiert Noam Chomsky auch in diesem
Buch das politische Agieren der Vereinigten Staaten. Seine zentrale These besteht
darin, dass die USA in Wahrheit an keiner echten Demokratie interessiert ist,
nicht im eigenen Land und schon gar nicht in anderen Ländern der Welt. Statt
dessen sei es so, dass die amerikanischen Eliten permanent darauf schauen, das
Volk ruhig zu halten, um selbst
die große Abkassiere
zu machen; in anderen Worten also: Amerika hat die Plutokratie neu entwickelt
und versteckt sie unter dem Deckmantel der Demokratie. Mit unzähligen Fakten
stellt Chomsky sein Theoriegerüst vor und beginnt dem Ost-West-Konflikt seine
Basis zu entziehen, denn, so Chomsky weiter, der Ost-West-Konflikt war in Wahrheit
zur Überdeckung des
Nord-Süd-Konflikts
da. Die us-amerikanische Propaganda war froh, ein Feindbild zu haben, um in
Ruhe die Dritte Welt ausbeuten zu können und gezielt Staatsausgaben in die Rüstungsindustrie
pumpen zu können (also einen Keynesianisumus zu betreiben, der letztlich nur
Wenigen mit viel Geld zu Gute käme). Nun, da der Osten zusammengebrochen ist,
suche Amerika ein neues Feindbild und habe es auch schon gefunden, nämlich im
internationalen Terrorismus und im islamischen Fundamentalismus. Dieses Feindbild
sei vor allem deshalb so praktisch, weil man damit jenen Punkt des Südens unter
Kontrolle bringen kann, der für die Wirtschaft der USA das Rückgrat bildet -
nämlich die größten
Ölquellen
der Welt.
Man bedenke: Chomsky schrieb dies im Jahr
1994.
Wie immer muss man Chomsky natürlich den Vorwurf machen, seine Sache sehr einseitig
darzustellen und Gegenargumente, die seine Thesen in einem etwas abgeschwächteren
Licht darstellen würden, bewusst nicht anzuführen. Nichtsdestotrotz halte ich
Chomsky für wichtig, um politische Naivität abzulege, und empfehle jedem dieses
Buch sowie die
anderen Bücher von Chomsky.
Man muss sich nicht dem linken Lager zurechnen um in Chomskys Büchern Denkansätze
und Argumente zu finden, die das eigene Weltbild auf den Kopf stellen können
oder zumindest erfordern es kritisch zu hinterleuchten.
(Reinhold Stansich; 12/2004)
Noam Chomsky: "Neue Weltordnungen"
(Originaltitel "World Orders Old and
New")
Übersetzt von Michael Haupt.
Europaverlag, 2004. 249 Seiten.
ISBN
3-203-76009-6.
ca. EUR 18,40.
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