Josef Guter (Hrsg): "Das Geschenk des Drachenkönigs"
Märchen aus China
In
der Volksrepublik China leben 56 Einzelethnien, von denen die der Han
wohl die größte bildet. Und wie alle menschlichen
Gesellschaften haben auch diese Ethnien ihre Geschichten und Mythen
entwickelt, mit denen sie traditionelle Weisheiten transportieren,
belehren oder auch manchmal einfach nur unterhalten wollen.
Josef
Guter, der sich schon seit geraumer Zeit mit der chinesischen Kultur
beschäftigt, hat mit diesem Buch eine erste Sammlung solcher
Geschichten vorgelegt, die sowohl von akademischem wie auch von
erzählerischem Interesse sind.
Diese Geschichten sind dabei sehr oft nicht wesentlich länger
als zwei Seiten, und schon in dieser eher kurzen Form lassen sich
einige sehr nette und amüsante Geschichtchen finden, die den
Leser geradezu herausfordern, sie so schnell wie möglich
weiterzuerzählen. Es werden dabei leider nicht alle Ethnien
berücksichtigt, was aber auch den Rahmen einer solchen
Monografie sprengen würde. So haben wir hier Geschichten der
Han, der Tibeter, der Dschuang, der Miao (kein Scherz), der
Mongolen,
der Hani, der Li, der Uiguren, der
Koreaner, der Dai, der Orotschen,
der Ewenken, der Tadschiken und der Duhuren.
Inhaltlich werden viele der Märchen dem Leser sicherlich
vertraut vorkommen. So wiederholen sich Motive der Rache, der
ausgleichenden Gerechtigkeit, der Liebe und des langen Liebeswerbens in
allen Kulturen. Es gibt eine Variante des Froschkönigs, die
wesentlich "humaner" ist, als jene, an die man im westlichen
Kulturkreis gewöhnt ist.
Ansonsten haben diese Geschichten natürlich einen klaren Bezug zu Elementen der chinesischen Mythologie, so besonders durch die
unterschiedlichen Tiere, deren Eigenschaften wir in der Regel ein wenig
anders einordnen würden, und durch das häufige
Auftauchen von Drachen und ihren Perlen, die in "unseren"
Märchen selten eine so positive Rolle innehaben.
Großmutter Wolf sollte uns da in der Version der Han schon
wesentlich bekannter vorkommen als die Betrachtung von Pferden und
anderen Gebrauchstieren aus der Sicht von Steppen- oder
Bergvölkern, die teilweise auch heute noch in vergleichsweise
traditionellen Strukturen leben.
Alles in allem ein schönes Lese-, Vorlese- und Studienbuch,
das man sich beruhigt in die Handbibliothek legen kann.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2007)
Josef
Guter (Hrsg.): "Das Geschenk des Drachenkönigs.
Märchen aus China"
Komet, 2007. 320 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Richard Wilhelm: "Märchen
aus China"
Hundert Märchen aus dem Reich der Mitte, die vielleicht mehr über chinesisches
Denken und Fühlen verraten als die gelehrtesten Abhandlungen. Diese wohl berühmteste
Sammlung chinesischer Volkserzählungen hat Richard Wilhelm in Tsingtau in
langer geduldiger Übersetzungsarbeit niedergeschrieben. Es ist ein ganzer
Kosmos der Märchenpoesie: Kindermärchen und Göttersagen, Geschichten von
Heiligen und Zauberern, von Natur- und Tiergeistern, auch Gespenstergeschichten,
historische Sagen und schließlich literarisch verfeinerte Märchen wie das von
dem Affen Sun Wu Kung, das die mythologischen Motive durchspielt und von lächelndem
Humor erfüllt ist. Bald bezaubern uns
Mondfee
und Himmelskönigin, bald lernen wir
Konfuzius,
Laotse
und die acht Unsterblichen kennen. Wir erfahren fantastische Dinge über die
Geister des gelben Flusses, die Sekte vom weißen Lotos, den Mönch am
Yangtsekiang.
"Ein nicht unerwünschter Nebenerfolg der Lektüre dürfte sein, dass
sich auf diese Weise ein Einblick in Sitten und Gebräuche, Glauben und
Denkungsart des chinesischen Volkes eröffnet", so Richard Wilhelm. (Marixverlag)
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"Drachenmädchen und Schlangenkerle. Märchen und Erzählungen
der Randvölker Chinas"
Ausgewählt und übersetzt von Marie-Luise Latsch und Helmut Forster-Latsch
Literarische Schätze von Chinas Randvölkern: Von uralten Mythen, die nur mündlich
auf uns kamen, über viele alltägliche Geschichten und Legenden bis hin zur
pfiffig-witzigen Parabel. Dies bietet nicht nur eine vergnügliche Lektüre,
sondern auch ein Eintauchen in eine weit entfernte, in der
Mythologie
eigenartig vertraute Welt.
Jahrelang haben die China-Kenner Marie-Luise Latsch, Helmut Forster-Latsch und
Zhao Zhenquan Mythen und Legenden der verschiedensten Volksgruppen gesucht,
Manuskripte entziffert und Erzähler interviewt. Entstanden ist eine dichte,
runde Auswahl der schönsten Texte von Völkern, die heute geopolitisch zwar zu
China, ethnisch jedoch nicht den Chinesen angehören, sondern den Dahuren, Yao,
Uiguren, Wa, Benglong, Kucong, Dong, Achang, Bai, Zhuang, Naxi, Miao. (Waldgut
Verlag)
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