Kai Strittmatter: "Gebrauchsanweisung für China"


China, das jahrtausendealte Reich der Mitte, Land des Umbruchs und der Hoffnung - ironisch und lebendig, leidenschaftlich und hintergründig schreibt Kai Strittmatter über China, den unbekannten Riesen.

Kai Strittmatter, 1965 geboren, war als Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" lange Zeit in China und hat dort spezielle Erfahrungen mit Land und Leuten gemacht, die er in diesem Buch als Handreichung für zukünftige Chinareisende zusammenfasst. Dabei zeigt er eine deutliche Liebe zu Land und Leuten, die allerdings weitestgehend ohne rosarote Brille auskommt und so auch stark zur Entzauberung eines romantisierten Chinabildes beiträgt, das viele "Westler" eventuell haben mögen.

Anhand von 46 grundlegenden Begriffen des chinesischen Lebens, denen er jeweils das dazugehörige Schriftzeichen und die Übersetzung beifügt, beschreibt Strittmatter dem interessierten Leser Land, Leute und Sitten und greift dabei auch in das historische Selbstverständnis der Menschen ein, die ihre Geschichte immer weiter nach hinten verlängern, so dass sie einige ihrer Kulturgüter vor das Auftauchen anderer Menschen auf diesem Erdenrund datieren - was auch eine interessante Geistesleistung darstellt.

Neben Essen, Wohnen und Freizeitgestaltung stehen auch Aspekte der Politik und des allgemeinen Sozialverhaltens immer wieder im Mittelpunkt der Betrachtungen, die sehr zur Entromantisierung beitragen. Dinge wie politische Ideologie, Buddhismus, Animismus und Daoismus werden als zwar grundlegende aber auch immer wieder eher begleitende Aspekte gesehen, denn "wer unter Tieren als Mensch handelt, wird immer auf der Verliererseite stehen", wie einer der vielen direkten Nachfahren des Konfuzius in diesem Buch zitiert wird. Und das ist etwas, was wirklich kein Chinese möchte, obwohl natürlich jeder ein guter Mensch sein will.

Wie Yin und Yang und viele andere Dinge fordert auch dieses Buch den Leser zur Integration von Gegensätzen auf, um sich mit diesem Land und seinen Bewohnern wirklich auseinanderzusetzen, und das ist es im Endeffekt, was jeder Einzelne leisten muss, der sich mit China beschäftigt.

Einige wird es erstaunen, dass die Kampfkünste nur sehr en passant erwähnt werden, aber auch wenn jeder Chinese weiß, was Kung Fu mit all seinen Varianten und Ableitungen ist, verhält es sich mit diesem Wissen wie mit jenem der meisten Deutschen über den Schuhplattler oder das Studentenfechten. Weswegen es in einem Land mit einer so umfassenden Gesundheitslehre wohl auch den höchsten prozentualen Anteil an Diabetikern gibt, wenn man den neuesten Zahlen des WHO glauben darf.

Alles in allem ein unverzichtbares - und sehr humorvolles - Buch für jeden, der China näher kennenlernen möchte; ob nun im Lesesessel oder auf Reisen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2007)


Kai Strittmatter: "Gebrauchsanweisung für China"
Piper, 2004. 238 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Weiterer Buchtipp:

Helmut Schmidt, Frank Sieren: "Nachbar China"

1975 reiste Helmut Schmidt als deutscher Bundeskanzler zum ersten Mal nach China. Seither hat er das Reich der Mitte regelmäßig besucht und steht bis heute in engem Kontakt mit der Führung in Peking. Im Dialog mit Frank Sieren, "einem der führenden deutschen China-Spezialisten" ("Die Zeit"), erzählt er, warum ihn das Land so fasziniert, und beschreibt die Herausforderungen, auf die Europa eine Antwort finden muss. (Ullstein)
Buch bei amazon.de bestellen