Gert Chesi: "Afrika im Herzen"

Erinnerungen, Reflexionen, Fotografien


Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass nicht jeder, der sich am Höhepunkt seiner Kraft befindet, auch am Höhepunkt seiner Weisheit ist.

Dieses Sprichwort empfindet Chesi nach einer schweren Herzoperation als Trost und als optimistischen Ansatz, eine wichtige Qualität des Menschen - nämlich das Denken - auch ins Alter hinüberretten zu können. Doch seine Krankheit ändert nichts an seiner Sehnsucht nach fremden Ländern und vor allem nach Afrika. Seine schwierige Beziehung zu einer afrikanischen Frau, mit der er auch einen Sohn hat, zeigt gut einerseits die Verbundenheit und auch die Andersartigkeit mit dieser fremden Kultur.
In diesem Buch lässt er einen Großteil seiner Afrikareisen Revue passieren und stellt dem Leser ein Afrika vor, weitab von touristischen Attraktionen. Chesi erzählt vom Alltagsleben auf diesem faszinierenden Kontinent und von seinen Begegnungen mit den Menschen. Er versucht nicht zu beschönigen, spricht viele Probleme und Schwierigkeiten an, und auch die Mühsal mancher seiner Reisen.

Er stellt dem Leser aber auch seine Freunde und langjährigen Begleiter vor, wie Agbagli Kossi, der lieber log als seine Unwissenheit einzugestehen. Über die Farbgebung seiner Voodoo-Figuren befragt, erklärt er Chesi, dass das Weiß für transzendente Bleiche der Geister und Götter steht und das Braun für die Gewalttätigen. Doch als Chesi weiterfragt, wofür denn das Rosa stehe und dahinter einen europäischen Einfluss vermutet, erklärt Kossi ihm ohne Umschweife, dass diese Farbe gerade in Aktion war. Eine für mich sehr erheiternde Geschichte, die Nähe und Verbundenheit erzeugt.

Ein Teil des Buches ist der Begegnung mit Albert Schweitzer und dessen Spital gewidmet. Schweitzer, der bereits als Missionar in Afrika war, erkannte damals, dass Afrika Hilfe in existenziellen Fragen benötigt. Diese Einsicht veranlasste ihn, Medizin zu studieren, anschließend nach Afrika zurückzukehren und in der Nähe seiner alten Missionsstation ein Krankenhaus zu errichten. Chesis Betrachtung verläuft durchaus kritisch und zeigt die Probleme zwischen Schwarzen und Weißen auf diesem Kontinent auf, die bis heute nicht beigelegt werden konnten.
 
Voller Begeisterung berichtet Chesi über die lokalen Kulturen, die seiner Meinung nach der europäischen Moderne den Weg wiesen. Er ortet in Lambarene die Wiege des Kubismus und die Quelle vielschichtiger Inspirationen. Bezaubert berichtet er vom Klang der Trommeln und der Faszination der Tänze, die in längst vergangene Zeiten entführen.

Ein Abschnitt des Buches ist dem Tod gewidmet, der in Afrika ein anderer ist als in Europa. Doch nicht nur das Sterben ist anders, auch die Solidarität der Menge mit einem Betrüger, der Chesis Reifen repariert und einen überhöhten Preis verlangt, obwohl die Arbeit schlampig ausgeführt wurde, wodurch Nacharbeiten fällig sind, welche der Handwerker sich wiederum teuer bezahlen lässt, ist uns fremd.

Chesi geht in seinem Buch immer wieder auf die Probleme zwischen Schwarz und Weiß, auch am Beispiele Zimbabwe, ein. Mit seinen Bildern von Afrika entfacht er unsere Sehnsucht, dieses faszinierende und erschreckende Land zu bereisen um die Menschen und deren Kultur zu erleben.

(Margarete Wais; 11/2002)


Gert Chesi: "Afrika im Herzen"
Haymon, 2002. 206 Seiten mit 80 meist ganzseitigen Fotos.
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Gert Chesi wurde 1940 in Schwaz in Tirol geboren. Er ist Journalist und Fotograf. Seit 1961 unternahm er zahlreiche Reisen in Länder der "Dritten Welt". Er wird als profunder Kenner ethnologischer und kultureller Phänomene anerkannt.

Ein weiteres Buch des Autors:

"Voodoo in Afrika"

In diesem Bild-Text-Band des bekannten Ethnologen und Fotografen Gert Chesi geht es um Funktion und Bedeutung jener Bräuche, Gesellschaftsstrukturen und Geisteswelt, die man unter dem Begriff Voodoo zusammenfassen kann. Besessenheitskulte und Geistheiler, Fetische und Hexenglaube haben in Westafrika lange Tradition, sind nur aus dieser und aus dem heutigen sozialen Umfeld zu verstehen. Chesi kennt die Menschen persönlich, die er in Trancezuständen beobachtet, er lässt aber auch Magier und Voodoo-Priester zu Wort kommen. Damit öffnet er uns den Blick in deren Welt wenigstens einen Spalt breit. Nicht zuletzt mit Hilfe seiner Kamera, die dank seiner Freundschaften hautnah dabeisein darf. So brachte Gert Chesi aus seiner zweiten Heimat Afrika einzigartige Fotodokumente mit, Bilder voll Schönheit und Grausamkeit, voll Wildheit und Grazie.
Doch die Bilder sind nicht Selbstzweck. Jahrelang arbeitete der Forscher und Journalist an den Texten. "Ich weiß heute viel mehr als vor zwanzig Jahren, als ich mein erstes Voodoo-Buch herausgebracht habe. Und ich möchte meine sehr intime Kenntnis der äußeren und inneren Vorgänge an die sogenannte westliche Welt weitergeben, denn weder schockierte oder besserwisserische Ablehnung noch romantisch verklärte, vom Geheimnis faszinierte Bewunderung wird dem Phänomen Voodoo gerecht." (Haymon)
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