"Der Brockhaus Literatur"
Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe
Literatur ist der bewusste Ausdruck einer
zur Selbstreflektion gestimmten höheren Kulturform, die sich als geschichtlich
begreift, und gilt sozusagen überhaupt als bestimmendes Wesensmerkmal verfeinerter
Lebensart schlechthin. Anders ausgedrückt könnte man den Zivilisationsprozess
auch als Fortschreiten zu einer mehr und mehr entfalteten Buchkultur deuten
(beginnend mit der Alphabetisierung der Massen), wie denn dann umgekehrt aller
Rückfall in die Barbarei ganz augenfällig so gut wie immer gegen den freien
Geist gerichtet ist, der in aller Regel im und über das Buch zum Ausdruck kommt
(rituelle Bücherverbrennung im Totalitarismus; Zensur).
Es gilt jetzt nicht sich in Details darüber zu versteigen, warum neuerdings
insbesondere die Jugend - als klassischer Träger von Lesekultur - (bei insgesamt
schwindendem Bevölkerungsanteil) immer weniger liest, und es somit immer weniger
Leser gibt, sondern es gilt einfach nur ganz nüchtern festzustellen: Die Buchkultur
ist in der Krise; im langfristigen Trend als gehobene Lebensform ebenso wie
in ihren ökonomischen Grundlagen existenziell gefährdet. Was Kulturpessimisten
ein willkommener Anlass ist, noch schwärzer zu sehen als es sowieso schon angebracht
wäre schwarz zu sehen, womit niemandem außer der höchstpersönlichen Schwermut
gedient sein kann, sondern vielmehr gilt es den aus der kulturellen Krise vernehmbaren
Appell an die vornehme Gesittung im Menschen wahrzunehmen und in tätiges Engagement
umzusetzen. Lehret die
Kinder Zauber und Wert des geschriebenen Wortes!
Wer lehrt, hat ein Gelehrter zu sein. Ein enzyklopädisches Grundwissen von Literatur
muss hierfür vorausgesetzt werden, doch dieses natürlich nicht im Kopf, sondern
griffbereit im Bücherregal abgelegt. Der in überarbeiteter Neufassung vorliegende
"Brockhaus Literatur" bietet zu diesem Zweck das optimale Material, nämlich
umfassende Informationen über Schriftsteller, Werke, Epochen und Sachbegriffe
- ausführlich, aktuell und verständlich. Alles Wissenswerte zur Literatur von
den Anfängen bis zur Gegenwart verpackt in:
4000 Stichwörtern zu Schriftstellern, Werken, Epochen und Sachbegriffen
1200 Fotos und Tabellen
150 Infokästchen zu den Hauptwerken der Weltliteratur
120 Infokästchen zu Hintergründen aus der Literaturgeschichte
24 Epochentafeln
24 ausführlichen Sonderartikeln zu zentralen Themen der Literatur
Die aufgelisteten konzeptuellen Besonderheiten dienen laut Verlagstext zum Literaturlexikon
- in Anlehnung an Johann Wolfgang von Goethes Theorie über das Lesen - einem
einzigen noblen Ansinnen: Dem Leser ästhetischen Genuss und intellektuelle Urteilskraft
zu vermitteln. Das Vorhaben darf als gelungen erachtet werden, denn sinnliche
Freude vermitteln Bild und Wort über rund 960 Seiten, und der solcherart dargestellte
Inhalt fördert die Bildung und schärft den Verstand. Beides, Genuss und Urteilskraft,
ist ureigentlicher Sinn und Zweck von Literatur. Die Befassung mit Literatur
macht den Leser schön und mündig, und tun viele so, dann verfeinert diese sodann
allgemeine Praxis die gemeinsame Lebenswirklichkeit aller, hingegen dem Buche
feindlich gesinnte Gesellschaftsformen in Hässlichkeiten und finsterem Aberglauben
versinken, wie auch der unliterarische Einzelmensch - seiner geistigen Unbildung
wegen; denn der innere Adel prägt die äußere Form, verleiht ihr ein Gepräge
von hohem Rang - nicht wirklich ein (seelisch) schöner Mensch sein kann. Jetzt
ganz zu schweigen von seinem dumpfen Gemüt, dem das Licht der Aufklärung ohne
gelebte Buchkultur wohl kaum einmal leuchten wird.
Wie bereits weiter oben angedeutet, handelt es sich bei dem "Brockhaus Literatur"
nicht nur um eine umfassende Informationsquelle, sondern es werden durchaus
auch einzelne Aspekte von zentraler Bedeutung eingehend besprochen. So beispielsweise
die Frage der Funktion von Literatur im Kontext besonderer Zeitumstände (Gesellschaftskritik;
politische Literatur), aber auch Kitsch, Erotik, Zensur und - um zwecks Vermittlung
einer ersten Ahnung einen demonstrativ gewählten Schwerpunkt aus der Fülle von
Thematisierungen herauszugreifen - der Kult
um das Genie. Wie auch immer im Einzelnen
der Geniebegriff nun ausgelegt wurde, allgemeine Übereinstimmung bestand zur
Auffassung, dass Sinn und Zweck der Menschheitsgeschichte in der Erzeugung von
Genies begründet seien. Die Schaffung einer Aristokratie des Geistes als Ziel
der Geschichte. Der Grundzug der Geniezeit ist somit gewiss als eine jugendlich-schwärmerische
Empfindung zu erkennen, die unter den Bedingungen von - zur durchaus volkstümlichen
Elitenkonkurrenz - demokratisierten Herrschaftsverhältnissen der Gegenwart befremdlich
wirken mag, zu jener Zeit jedoch eine revolutionäre und auf Emanzipation gerichtete
Gesinnung wiedergab, die, nicht nur für den Bereich der Kunst, jegliche Knebelung
des natürlichen Rechts auf Selbstentfaltung zurückwies und in der deutschen
Geistesgeschichte mit letztendlichem Erfolg den endgültigen Durchbruch des Bürgertums
als kulturtragende Schicht betrieb.
Es bedarf keiner weiteren Worte. Der "Brockhaus Literatur" lässt nicht nur kaum
einen Sachbegriff ungeklärt, sondern bietet dem Leser zudem einen ersten - durchaus
gediegenen - Einblick in Momente der Literaturgeschichte und des Literaturgeschehens.
Ein Standardwerk zur Weltliteratur, wie man es sich nicht besser wünschen kann,
und folglich eine Bereicherung für jede Privatbibliothek von Format.
(Tasso; 01/2004)
"Der Brockhaus Literatur"
Brockhaus, 2003. 960 Seiten.
ISBN 3-7653-0351-8.
ca. EUR 49,95.
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Zum "Brockhaus Religionen" ...
Herder definierte das Genie als "Urkraft", "Original" und "Erfinder", und in diesem Sinne verstanden sich Goethe, Herder und auch die Romantiker als Originalgenies. Der Geniegedanke, aufgekommen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ("Sturm und Drang"), mündete - nach gescheiterten Versuchen, gegen die herrschenden Verhältnisse aufzubegehren - in teils irrealen Visionen idealer Daseinsweisen wie z. B. den "ursprünglich guten Naturzustand" bei Jean-Jacques Rousseau, gewissermaßen also in Kultbildern vom "edlen Wilden", oder in der Verheißung des "Übermenschen" bei Friedrich Nietzsche, der ansonsten jedoch den Mythos vom verkannten und leidenden Genie scharfzüngig kritisierte. Johann Kaspar Lavater erkannte das "Wesen der Genies" als "Übernatur, Übergelehrsamkeit, Übertalent, Selbsterleben". Goethe, der - sich selbst allerdings als Genie begreifend - dem Geniebegriff ebenfalls kritisch gegenüberstand, bestimmte das Genie als "diejenige Kraft des Menschen, welche durch Handeln und Tun Gesetze und Regeln gibt." Demnach das Genie als ebenso selbstschöpferische wie souveräne Wirkkraft zu denken ist, und, um abschließend auch noch Immanuel Kant zu zitieren, aus Sicht des Philosophen der Aufklärung ist der wesenhafte Charakterzug des genialen Individuums "die meisterhafte Originalität der Naturgabe eines Subjekts im freien Gebrauch seiner Erkenntnisvermögen".