Stefan Blankertz: "Die stumme Sünde"
Ein mittelalterlicher Kriminalroman
Dieser Roman ist die
Fortsetzung der Erlebnisse der Hauptpersonen aus
"Die Konkubine
des Erzbischofs". Der Ich-Erzähler Johann ist nach langen Lehr- und Wanderjahren
mit seinem Lehrmeister Averom, die ihn nach Paris und an den Lehrstuhl von Thomas
von Aquin geführt haben, nach dem Tod Averoms wieder in Köln gelandet, wo er
Physikus des dortigen Dominikanerstifts geworden ist. Eines Tages sieht er den
Wanderprediger Edmund, der auf der Straße den Ratsherrn Andreas Kleingedank
der aktiven Homosexualität (also der "stummen Sünde") bezichtigt, wodurch angeblich
das feurige Strafgericht Gottes über die Stadt Köln kommen solle. Bis zur Läuterung
der Stadt will er gegen zwei benutzte Frauenschuhe um den Schutz der Stadt beten,
was ihm auch schnell gestattet wird. Dieses starke Interesse an Frauenschuhen
erinnert Johannes daran, dass er einmal
in
Paris gesehen hat, wie ein junger Theologiestudent mit den Schuhen einer
Prostituierten Selbstbefriedigung betrieb. Als er dies im Familienkreise erzählt,
zu dem auch im weiteren Sinne der erwähnte Ratsherr zählt, befiehlt ihm seine
Mutter, so schnell wie möglich die besagte Dirne in Paris ausfindig zu machen,
damit diese dann in Köln gegen Edmund aussagen könne. Mit dem Segen seines Magisters
Albertus Magnus macht sich Johannes also wieder auf den Weg in die weite Welt
- unter anderem auch um, nach Albertus' Willen, mehr über die wahre Schwere
der "stummen Sünde" zu erfahren. Begleitet wird Johannes von dem Novizen Gerhard,
der auf dieser Reise überlegen und prüfen soll, ob er bereit ist, sich dem Zölibat
zu verpflichten, das in dieser Zeit noch eine relativ neue Erscheinung ist.
Johannes'
Reise wird auch dadurch noch dringender, dass Andreas neben der Sodomie auch noch
eines Mordes beschuldigt wird, was die gesamte Verwandtschaft gegen ihn aufbringt,
bis auf Hadwig - die Magd der Magdalena aus dem vorhergehenden Roman, die mittlerweile
das Haus für ledige Mütter betreut - und ihren Mann. Diese treiben die Ermittlungen
in Köln selbst voran, während sich die beiden Mönche auf ihre lange und gefahrvolle
Reise begeben, auf der nicht nur Gerhard die Sexualität in jeder ihrer Formen
zumindest dem Augenschein nach kennen lernt, sondern auch Johannes eine Menge
darüber lernt. Daneben bestehen sie - in Begleitung einer Gauklergruppe allerlei
spannende Abenteuer, die Johannes immer wieder über die Bedeutung der Begriffe
"Schuld" und "Sünde" nachdenken lassen
und die durchgehend die beiden Hauptströmungen des Denkens des 13. Jahrhunderts
- Vernunft und Natürlichkeit gegen Machterhalt und Leibesfeindlichkeit - einander
gegenüber stellen, so dass die Leserinnen und Leser neben einem vergnüglichen
Roman voller historischer Anspielungen und mittelhochdeutscher Ausdrücke auch
noch eine Art philosophisch-theologische Kurzschulung erhalten. So ist dieser
Roman - abgesehen von seiner erzählerischen Qualität - auch auf mehreren intellektuellen
Ebenen eine wahres Vergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Dieses
Buch hat ein umfangreiches Glossar, in dem sich Leserinnen und Leser leicht über
bestimmte mittelalterliche Begriffe informieren können. Hierbei bekommt man auch
eine kleine Einführung ins Mittelhochdeutsche. Außerdem wird in einem kleinen
Aufsatz die Bedeutung der und der Umgang mit Homosexualität im 13. Jahrhundert
beschrieben - in philosophischer, kirchlicher und strafrechtlicher Hinsicht. Allein
diese beiden Teile machen das Buch für geschichtlich interessierte Leserinnen
und Leser bereits lesenswert.
Stefan Blankertz, Jahrgang 1956, ist promovierter
Soziologe. Der Autor zahlreicher Fachbücher lebt in Pulheim.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2003)
Stefan
Blankertz: "Die stumme Sünde""
Emons, 2003.
304 Seiten.
ISBN 3-89705-281-4.
ca. EUR 11,-.
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