Kurt G. Blüchel: "Bionik"
Wie wir die geheimen Baupläne der Natur nutzen können
Journalistisch tingierte Einführung zum Thema
Was geschieht, wenn man die Unterseite eines Bootes mit einem Belag beschichtet,
dessen Oberfläche der Haut eines Delfins
ähnelt? Das Boot fährt mit geringerem Reibungswiderstand und bedeutend schneller.
Wenn man dieses Prinzip nun auf Straßenbelag umsetzt, was passiert dann? Es
entsteht daraus ein hochgradig schallabsorbierender Flüsterasphalt. Wie nennt
man die Wissenschaft, die sich dergleichen zunutze macht? Mit dem Ausdruck
Biotechnologie
ist etwas Anderes belegt, nämlich die Manipulation von Erbgut zur Produktion
bestimmter Merkmale. Deshalb war ein neues Wort notwendig, um den Versuch, die
Technologie der Natur abzukupfern, und dabei verfiel man auf den Begriff "Bionik".
Wie der Wissenschaftsjournalist Kurt G. Blüchel in seinem neuen Buch
durchaus eindrucksvoll ausführt, gilt es dabei auch heute noch
vielfach, zu aller erst die Arroganz vieler Wissenschaftler zu
überwinden, die glauben, von der Natur ließe sich nichts lernen. Diesen
letzten Verteidigern des Elfenbeinturms zum Trost ist Bionik aber auch
eine Zeitgeisterscheinung geworden und gilt neben der Nanotechnologie
selbst schon am Aktienmarkt als heiße Investitionsmöglichkeit in die
Zukunft. In diesem Buch werden Sie sehr viel über die Schwierigkeiten
der Natur lesen, sich mit ihren "natürlichen Patenten" an Universitäten
Respekt zu verschaffen. Meine Kritik allerdings: Über "Bionik" selbst
werden Sie dabei immer nur am Rande erfahren. Es ist ein gut lesbares
Werk zu verschiedenen, mitunter nur lose mit Biologie verbundenen
Themen, undiszipliniert, aber nie langweilig. Eigentlich müsste der
Titel anders heißen: Bionik und vieles Andere mehr, vor allem aber die
Schwierigkeiten, die sich neuen Wissenschaften entgegenstellen.
Der mittlerweile 71jährige Blüchel wurde unlängst mit seinem Bestseller
"Heilen verboten - töten erlaubt" berühmt. Das mag den Verlag bewegt
haben, rasch ein neues Buch in Auftrag zu geben, das die Bekanntheit,
die Blüchel erreicht hat, nutzen möchte. Auch wenn es stimmen mag, dass
sich Blüchel seit 15 Jahren mit "Bionik" beschäftigt hat, entsteht
deshalb trotzdem der Eindruck eines hastig verfassten Werks. Manches
davon hat mit dem Thema nur peripher zu tun. Das Kapitel " ... und
weltweit kichern die Laborratten" zum Beispiel ist ein
leidenschaftliches Plädoyer gegen Tierversuche und eine Attacke gegen
die Schulmedizin, die sich ihrer Ergebnisse kritisch bedient. Das
Kapitel erscheint hier wie ein Überbleibsel aus "Heilen verboten", und
fast wie ein Versuch, den dortigen Erfolg fortzusetzen, wirkt aber in
diesem Buch deplatziert.
Der journalistische Ansatz erleichtert mitunter den Zugang zum Thema.
Blüchel strebt dabei aber, meine ich, zu sehr nach Aktualität. Ein
Kapitel widmet er der knapp vor Redaktionsschluss des Buches die Medien
beherrschenden Tsunami-Katastrophe, die mit dem Thema "Bionik"
eigentlich gar nichts zu tun hat, wodurch der Verdacht entsteht, er
wolle eben auf Biegen und Brechen zu diesem brandaktuellen Thema auch
was sagen. Vorne dran sein, immer zu allem Kompetenz versprühen und das
auf Knopfdruck, das ist das Brot des Journalisten. Aber in einem Buch
über ein wissenschaftliches Thema hat das keinen Platz.
Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit dem Geschlechtsleben von
Pflanzen und einer historischen Aufarbeitung der Schwierigkeiten, sich
dabei gegen die katholische Kirche zu stemmen, die den Gedanken an
dergleichen mit Verweis auf die Bibel ablehnte. Hier hat man den
Eindruck eines leidenschaftlichen Blumenliebhabers, der einen Tag im
Gras liegen kann, um eine Bestäubung zu erleben. Um technische
Umsetzungsmöglichkeiten geht es dabei nicht, denn was Pflanzen da so
tun, kann der Mensch mindestens genauso gut. Eine darüber hinausgehende
technische Anwendungsmöglichkeit fehlt. So wechselt das Buch von
Blumenschau zur Religionskritik, und der Leser fragt sich, wann es denn
endlich um Bionik gehen soll.
Irgendwann einmal wird einem trotz aller Schreibkunst die
Disziplinlosigkeit der Ausführung zuviel. Als Blüchel noch gemeinsam
mit dem Bioniker Werner Nachtigall, Professor an der Universität
Saarbrücken, Bücher über dieses Thema publizierte, war noch mehr von
Wissenschaftlichkeit zu spüren. Es ist schade, dass er nun unbedingt
allein eine wissenschaftliche Kompetenz beweisen will, die er, wie er
es eingangs freimütig gesteht, nicht aufweist, und dass er vom
aufdeckerischen Ton seiner erfolgreichen Ärztekritik nicht lassen kann.
Sonst wäre aufgrund des heißen Themas durchaus ein gutes Buch daraus
geworden.
(Berndt Rieger; 03/2005)
Kurt G. Blüchel: "Bionik"
C. Bertelsmann, 2005. 416 Seiten.
ISBN 3-570-00850-9.
ca. EUR 22,60.
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Weitere Buchtipps:
Kurt G. Blüchel: "Heilen verboten - töten erlaubt. Die organisierte Kriminalität im
Gesundheitswesen"
Abrechnungsskandale, Pfusch am Patienten, Forschungsrückstand, Kostenexplosion.
In jahrelanger Recherche hat Wissenschaftsautor Kurt G. Blüchel das deutsche
Gesundheitswesen gründlich untersucht. Seine gesicherte Diagnose: Der Medizinbetrieb
ist zu einem gnadenlosen Medizinsyndikat und skandalösen Unrechtssystem ausgewuchert,
das nur noch mit dem organisierten Verbrechen vergleichbar ist. In seinem schockierenden
Aufklärungsbericht deckt Blüchel grenzenlose Betrügereien, Raffgier und Manipulationen
der weißen Halbgötter auf. Er enthüllt Skandale, die bisher streng geheime Sache
von Verbänden und Ärztekammern waren. Bei der Suche nach der Ursache der Krankheit
stochert er bis tief
in die Nazi-Vergangenheit.
Und beschwört damit die absolute Dringlichkeit, unser Gesundheitswesen von Grund
auf zu erneuern. Dieser hochbrisante Wissenschaftsreport ist das unverzichtbare
Rüstzeug zum heftig umstrittenen Reformthema Nr. 1: dem Gesundheitswesen.
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Antonia B. Kesel: "Bionik"
Spinnenseide ist reißfester als Stahl,
Lotusblüten reinigen sich selbst
und Mottenaugen sind antireflektierend.
Die Bionik lernt von den Prinzipien der Natur und versucht sie der Technik zu
Nutze zu machen.
Antonia Kesel ist Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Zoologie,
Technische Biologie und Bionik der Universität Saarbrücken und lehrt im Rahmen
der Projektarbeit Bionik-Design an der Hochschule der Künste zu Berlin. (S.
Fischer)
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Werner Nachtigall:
"Biologisches Design. Systematischer Katalog für bionisches Gestalten"
Biologisches
Design ist die Umsetzung der bewährten Gestaltungs- und
Konstruktionsprinzipien, die die Natur entwickelt hat, für technische Lösungen.
Mit diesem Nachschlagwerk wird eine systematische Katalogisierung der Lösungen
angeboten, die dem Designer oder Konstrukteur einen großen Fundus zur kreativen
Umsetzung in der Technik liefert. (Springer)
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Torsten Rossmann, Cameron
Tropea (Hrsg.): "Bionik. Aktuelle Forschungsergebnisse in Natur-, Ingenieur- und Geisteswissenschaft"
In vielen Wissenschafts- und Technikzweigen ist der praktische Nutzen der Bionik
anerkannt. Die Lösung technischer Probleme mit Hilfe biologisch motivierter
Prinzipien wird erfolgreich praktiziert. Außen vor blieb jedoch bisher die
Verständigung zwischen den beteiligten Wissenschaftszweigen. Dieses Buch gibt
einen aktuellen Überblick über die unterschiedlichen Forschungsfelder,
angefangen von Optimierungsstrategien in der Robotik über Adaptive
Beinprothesen, Informationsverarbeitung in natürlichen und künstlichen
Systemen, Optimierungsstrategien in der Industrie bis hin zu Philosophischen
Aspekten der Bionik. Somit unterstützt es einen Diskurs zwischen den
Disziplinen und ermöglicht einen Austausch zwischen Forschern unterschiedlicher
Fachgebiete. Die Beiträge sind allgemein verständlich geschrieben und wagen
einen Blick in die Zukunft spannender Forschungsaufgaben. (Springer)
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