Heinz Georg Schuster: "Bewusst oder unbewusst?"
Ursprünge
und evolutionäre Bedeutung von Selbstbild, Empathie und Sprache
Bewusstsein ist keine rein menschliche Gabe, es existiert in
unterschiedlichem Maße und verschiedener Ausprägung
auch bei Tieren. Der Antwort auf die Frage, wie die komplexen
Vorgänge, die Bewusstsein möglich machen,
"funktionieren", ist die moderne Hirnforschung näher gekommen.
Zu einem Buch über das Bewusstsein gehören
natürlich ganz wesentlich eine Definition dieses Begriffs und
eine Diskussion über den evolutionären Sinn dieses
Instruments - beide sind Gegenstand der Einleitung. Die "Hardware" aus
Gehirn
und Nervensystem wird im nächsten Kapitel erläutert;
ein weiteres Kapitel enthält eine Reihe von Experimenten zum
Thema Bewusstsein, die manche Mechanismen
verständlich machen, beispielsweise die Worterkennung.
Schimpansen und Menschen erkennen sich selbst im Spiegel, haben also
eine ganz konkrete Vorstellung von ihrem Aussehen. Andere Tierarten
beziehen ihr Selbstbild aus der Reaktion ihrer Artgenossen. Der Autor
zeigt auf, wie es zur Entwicklung eines Selbstbildes kommt und wozu
dieses im evolutionären Kontext dient.
Wesentlich für das menschliche Bewusstsein ist die
Möglichkeit zur Metaebenenbildung, wozu beispielsweise die
Fähigkeit zählt, sich selbst zu beobachten und von
sich auf andere zu schließen. Metaebenenbildung ist auch
für die Ausprägung von Empathie notwendig. Hier
kommen die so genannten
Spiegelneuronen
ins Spiel, die uns Empfindungen anderer unmittelbar nachfühlen
lassen.
Ein ausführliches Kapitel befasst sich mit der
Sprache, deren
Beherrschung allein schon eine gewaltige Denkleistung und mehrere klar
unterscheidbare, funktionell verschiedene Gehirnareale beansprucht. Die
meisten Leser dürfte zudem das Kapitel über den
freien Willen fesseln: Existiert er angesichts der zuvor vorgestellten
Erkenntnisse, und wenn nicht, gibt es dann eine Verantwortung oder
Schuld?
Das Buch endet mit der Beantwortung einiger "häufig gestellter
Fragen" zum Thema.
Der Autor stellt ein hochkomplexes, für das menschliche
Selbstverständnis jedoch sehr bedeutendes Thema
allgemeinverständlich dar, sodass ein breiter Leserkreis
angesprochen wird: Vorkenntnisse sind zur Lektüre nicht
vonnöten. Zahlreiche Grafiken veranschaulichen den ohnehin gut
nachvollziehbar en und an keiner Stelle "trockenen" Text. Auf diese
Weise erhält der Leser einen weit gefassten Einblick in die
verschiedenen Ausprägungen des Bewusstseins und deren
neuronale Grundlagen.
Einfache, jedoch sehr geschickt konzipierte Experimente zeigen auf, wie
Bewusstsein zustande kommt, und welche Ebenen es umfasst. In diesem
Zusammenhang sind auch die vorgestellten Vergleiche zwischen
menschlichem Gehirn und künstlicher Intelligenz (Computern)
sehr interessant. Vor allem wird dem Leser bewusst (!), dass
menschliches Bewusstsein kein Selbstläufer ist, sondern im
evolutionären Kontext betrachtet werden muss. Der Autor
beschränkt seine Darstellung nicht auf den biophysikalischen
Aspekt, wiewohl er diesem eine angemessene Rolle einräumt,
sondern er zieht auch die kulturelle Ebene heran, die bekanntlich in
der menschlichen Evolution eng mit der Biologie verwoben ist.
Das Buch bietet somit trotz des relativ geringen Umfangs einen
interessanten und vielschichtigen Einblick in das Bewusstsein und das
Wechselspiel zwischen bewusstem und unbewusstem Handeln sowie die
Möglichkeiten der Menschen, durch Lernen Einfluss auf ihr
Bewusstsein zu nehmen.
(DH/Regina Károlyi; 06/2007)
Heinz
Georg Schuster: "Bewusst oder unbewusst?"
Wiley-VCH, 2007. 149 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Ergänzende Empfehlung:
Antonio
Damasio: "Selbst ist der Mensch. Körper,
Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins"
Vom
Sein zum Bewusstsein: Eine atemberaubende Reise in die Tiefen des
menschlichen
Geistes
Antonio Damasio ist einer der bedeutendsten
Neurowissenschaftler unserer Zeit,
seine Bücher sind internationale Erfolge. In seinem neuesten
Werk widmet er
sich einer Frage, die Neurologen, Philosophen und Psychologen seit
Jahrhunderten
rätseln lässt: Wie entsteht Bewusstsein?
Mit seiner Antwort erklärt Damasio, wie der Mensch zum
selbstbewussten Wesen
wurde und dabei Fähigkeiten wie Sprache, Kreativität
und Moral entwickelte.
Seit dreißig Jahren erforscht Antonio Damasio, wie
der
menschliche Geist arbeitet. Aufgrund überraschender
wissenschaftlicher
Ergebnisse kann er zeigen, dass das menschliche Bewusstsein ein
biologischer
Prozess ist, der im Gehirn entsteht. Damit widerlegt Damasio die
hartnäckige
Vorstellung vom menschlichen Geist als etwas Eigenständiges,
das vom Körper
getrennt betrachtet werden müsse. In seiner Arbeit geht
Damasio über die
klassischen Wege, den menschlichen Geist zu untersuchen, hinaus: Neben
der
Verhaltensforschung und den Neurowissenschaften führt er
erstmals eine
evolutionäre Perspektive ein. Dadurch gelingt es ihm, unser
Verständnis von
der Entwicklung des menschlichen Geistes entscheidend zu erweitern.
Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften,
Neurologie und
Psychologie an der Universität von Südkalifornien und
Direktor des dortigen "Brain
and Creativity Institute". Für seine Arbeit wurde er
mit zahlreichen
Preisen ausgezeichnet, zuletzt erhielt er den renommierten
"Honda-Preis".
Damasio ist "Fellow" der American Academy
of Arts and
Sciences sowie Mitglied der National Academy of
Sciences. Seine Bücher,
darunter "Descartes' Irrtum" (1995) und "Ich fühle, also bin
ich"
(2000), sind internationale Verkaufsschlager und wurden in mehr als 30
Sprachen
übersetzt. (Siedler)
Buch
bei amazon.de bestellen