Jacques Berndorf: "Die Raffkes"

Ein Staatsanwalt für Jugendkriminalität ermittelt


Herr Mann arbeitet für die Staatsanwaltschaft im Bereich Jugendkriminalität. Und entgegen der Vermutungen seiner ambitionierten Tante fühlt er sich an dieser Stelle auch ziemlich wohl. Deswegen ist er auch gar nicht glücklich, als diese für ihn das Treffen mit einem ihm unbekannten Mann in einer Berliner Trattoria arrangiert. Als Jochen Mann dort ankommt und das Restaurant auch noch explodiert vorfindet, ist sein Glück nicht unbedingt größer. Im Zuge der inoffiziellen Amtshilfe beteiligt er sich sofort an der Tatortsicherung, aber bald kommt es zu Kompetenzgerangel zwischen der Polizei, dem BKA, dem BND und dem FBI (im Restaurant saß ein israelischer Botschafter mit seiner Familie, und das Haus selbst gehört einem US-Amerikaner) und sein Bild in die Nachrichten, so dass er sich den weiteren Ermittlungen wahrlich nicht entziehen kann.

Schnell stellt sich heraus, dass der israelische Botschaft nicht das intendierte Ziel des Anschlags gewesen ist, sondern jene Person, mit der Jochen Mann verabredet war. Der ermittelnde Kommissar zieht Mann tiefer in die Ermittlungen hinein, die sich in erster Linie um Immobilienfonds, illegale Preisabsprachen und ähnliche Dinge drehen. Hier tut sich dem Spezialisten für Jugendstrafrecht eine Welt auf, in der jeder für Geld anscheinend bereit ist alles zu tun, und auch alles getan wird, um Geld zu scheffeln.

Die Ermittlungen führen rasch vom Sprengstoffanschlag beim Italiener zu einem angeblichen Selbstmord im Grunewald, wo jemand versucht haben soll, schlauer als die Bank zu sein und dabei vergessen zu haben schien, was jeder Besucher eines Casinos im Gedächtnis behalten sollte: "Die Bank gewinnt immer." Kurz nachdem Mann in die bisherigen Ermittlungen eingewiesen ist, begeht Kommissar Ziemann aus gänzlich unerklärlichen Gründen in seiner Wohnung Selbstmord und lässt Mann mit den Ermittlungen anscheinend allein. Doch in Wirklichkeit wird er weiter als Ermittler im Hintergrund eingesetzt, der die vermeintlich unwichtigeren Spuren verfolgt, wodurch er eine ganz neue Welt kennen lernt, für die er in unerwarteter Art und Weise geeignet zu sein scheint.

Eine Auffassung, die seine Lebensgefährtin keineswegs teilt, weil sie sich als Versicherungsangestellte mit einem Partner in ständiger Lebensgefahr nicht wunschgemäß arrangieren kann. Aber schnell ist der Gedanke, in seine alte, geordnete Welt zurück zu kehren für Mann absolut unvorstellbar, und so findet er sich schließlich immer häufiger in Situationen, die man sonst eher aus dem Fernsehen oder von der Kinoleinwand kennt.

Bei "Die Raffkes" handelt es sich um einen sehr kenntnisreich und spannend aufgebauten Roman, der den Leser keinen Moment zur Ruhe kommen lässt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2006)


Jacques Berndorf: "Die Raffkes"
Grafit, 2003. 347 Seiten.
ISBN 3-89425-283-9.
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Tipp:

Stewart O*Nan: "Die Chance"
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Stewart O'Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte in Cornell Literaturwissenschaft. Heute lebt er in Avon, Connecticut. (Rowohlt)

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