Jacques Berndorf: "Ein guter Mann"
Dies ist mal ausnahmsweise
kein Siggi
Baumeister-Eifelkrimi, vielmehr spielt die vorliegende Geschichte vorwiegend
in Berlin und hat ein wesentlich weiteres Spektrum als man es von Werken Jacques
Berndorfs gewohnt ist, und zwar sowohl thematisch als auch emotional und
handwerklich.
Karl Müller ist ein auffällig unauffälliger
Name, und genauso ist der Träger dieses Namens selbst, der nach einer kurzen
Zeit bei der SEK beim BND gelandet ist, wo er für ein Mann für alle Fälle
geworden ist. Man kann sich auf ihn und seine Arbeit verlassen und tut dies
auch. Denn er will kein Held sein, und das ist in diesem Beruf mehr als günstig.
Genauso verlässlich geht er mit seinem Familienleben um, das aber
nichtsdestotrotz unter seinem Beruf und der damit verbundenen Sprachlosigkeit
leiden muss. Nun liegt es nicht nur mit seiner Frau im Argen - auch wenn diese
sich noch nicht dazu geäußert hat -, sondern auch sein Vater, ein
pensionierter Oberstudiendirektor, mit dem Karl Müller noch Einiges zu klären
hat, liegt im Koma. Zudem wird auch die Situation an Müllers Arbeitsplatz unübersichtlich.
Achmed ist
in Damaskus ein ähnlich auffälliger
Name wie Karl in Berlin, und eventuell ist dies einer der Gründe dafür, dass
der so bezeichnete Eisenwarenhändler und Computerfreak ein von Karl Müller geführter
syrischer Agent des BND werden musste. Der zweifache Familienvater, der seine
Söhne gerne im Ausland studieren lassen würde, ist für Karl ein guter Freund,
wie dieser auch für ihn. Deswegen überrascht es Karl und den ganzen BND, als
Achmed plötzlich unvermittelt und ohne das Wissen seiner Frau in Berlin auftaucht
und innerhalb kürzester Zeit an einem brutalen Überfall auf einen Kobalttransport
beteiligt ist. Hierauf wird die Situation an allen Fronten für Karl Müller und
den BND zunehmend unübersichtlich, zumal die anderen an dem Überfall Beteiligten
aus dem osteuropäischen Raum zu stammen scheinen, was die üblichen Ideen über
"islamischen Terrorismus" zumindest fragwürdig erscheinen lässt, obwohl sehr
bald bei Al-Jahzeerah entsprechende Bekennervideos auftauchen, die schnell ihren
Weg zum BND finden, wo sie einiges Stirnrunzeln hervorrufen.
Soll etwa mitten in Berlin eine schmutzige
Bombe gezündet werden? Eine verzweifelte Suche nach Achmed beginnt.
Rasch beginnen sich sowohl die berufliche als auch die private Situation Karl Müllers
immer mehr ins Negative zu entwickeln, was in beiden Bereichen noch durch das Eingreifen
der CIA verstärkt wird, die sich nicht unbedingt an allgemeine Höflichkeitsregeln
zu halten scheint.
Jacques Berndorf trifft sozusagen
John
LeCarré, und die Mischung stimmt. Das
Beste beider Autoren verbindet sich zu einem anspruchsvollen, spannenden und
psychologisch dichten Roman, der jede Lesesekunde wert ist.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2005)
Jacques Berndorf: "Ein guter Mann"
Heyne, 2005. 416 Seiten.
ISBN 3-453-00629-1.
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