Alessandra Bernardi: "Die Tochter des Dogen"
Eine
scheinbar hoffnungslose Liebe und ein Netz aus Intrigen im
mächtigen Venedig
Im Venedig des 14. Jahrhunderts lebt es sich gefährlich: Der
Adel spinnt Intrigen, denn fast jeder männliche Patrizier
wäre gern Doge, und es gibt nur wenige Damen, die sich nicht
gern in der Rolle der Dogaressa sähen.
Dem glänzenden Reichtum der Patrizier steht die Armut des
ausgebluteten Volkes gegenüber, vor allem jene der
Glasbläser, die auf die Insel Murano verbannt wurden, damit
ihre Werkstätten die Stadt nicht entzünden
können, und damit sie das Geheimnis ihrer Kunst nicht
außerhalb Venedigs
verraten.
Zu Beginn des Romans weiß Isabella, die junge Tochter des
verwitweten Dogen Andrea di Conti, kaum etwas über die Welt
außerhalb des Dogenpalasts, doch nicht zuletzt dank ihrem
Bruder, der sich erbittert gegen den Vater und dessen starre,
unnachgiebige Herrschaft abgrenzt, versucht sie immer wieder, mehr
über das eigentliche Venedig zu erfahren. Bei einer dieser
Gelegenheiten lernt sie Giovanni kennen, einen gleichaltrigen
Glasbläser aus Murano, der sich mit seinen Freunden todesmutig
gegen die unerträglichen Einschränkungen und
Demütigungen zur Wehr setzt, denen seine Zunft ausgesetzt ist.
Die beiden verlieben sich ineinander - eine Liebe, die allem Anschein
nach von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.
Dank Giovanni und ihrem Bruder beobachtet Isabella entsetzt, dass ihr
hartherziger und von ihr dennoch geliebter Vater von der Frau, die er
begehrt, in ein Netz von Intrigen gestoßen wird, das sich
immer enger um ihn und zwangsläufig auch um seine Familie
schlingt, das heißt, seine Kinder. Di Contis Unnachgiebigkeit
Sohn und Tochter gegenüber und seine offensichtliche
Hörigkeit, was die Geliebte betrifft, tragen ihm den Hass
seiner Kinder ein, die jedes für sich verzweifelt nach dem
Glück suchen. Und auch Giovanni wurde bereits zu tief in den
alles verzehrenden Sumpf aus Intrigen gezogen, als dass er Isabella
schützen könnte. Die Familie zerbricht.
Darauf hat die Geliebte des Dogen gewartet. Mit ihren ergebenen
Anhängern will sie den Dogenpalast im Handstreich nehmen.
Aber sie hat nicht damit gerechnet, dass die Liebe letztlich zur
Verzeihung befähigt, und dass sie deshalb ihre Widersacher
vereinen wird.
Alessandra Bernardi zeichnet ein farbenfrohes, kontrastreiches und
bemerkenswert authentisches Bild der "Serenissima"
des 14. Jahrhunderts: Die erstickende Rivalität der
Patrizierfamilien, die eine fruchtbare Arbeit des Dogen fast
unmöglich machte, gab es in der Tat, ebenso die Verbannung der
Glasbläser auf die Insel Murano und die damit verbundenen
Diskriminierungen sowie die Armut des venezianischen Volkes. Sehr
reizvoll erscheint auch das geschickt eingeflochtene Auftreten der
historischen Figur Marco Polo in einer nicht unbedeutenden Rolle.
Primär handelt es sich bei "Die Tochter des Dogen" jedoch um
einen Liebesroman, perfekt in die historische Kulisse eingebettet. Der
beliebte Stoff "vornehmes Mädchen verliebt sich in armen
Jungen" wird hier glaubwürdig und vor allem sehr spannend
verarbeitet: Langeweile kommt nicht einen Augenblick lang auf, im
Gegenteil, manchmal eilt die Handlung so rasch und an mehreren Orten
zugleich voran, dass der Leser kaum Schritt zu halten vermag. Dank der
ausgesprochen plastisch und authentisch dargestellten Charaktere - die
Protagonisten erweisen sich als typische Kinder ihrer Zeit, die dennoch
unabhängig und unerschrocken denken und handeln - irritiert
dies indes kaum jemals, denn solches Temperament kann nur für
fulminante Handlungsverläufe sorgen.
Äußerst interessant und faszinierend erscheint zudem
die Figur der Antagonistin, Francesca; auch wenn sie recht
augenscheinlich das an einen Wahn grenzende Böse schlechthin
verkörpert, wirkt ihr sorgsam auskomponierter Charakter
verstörend realistisch - und garantiert dem Leser immer
weitere Überraschungen.
Ein mitreißendes Romandebüt, das nicht nur die
zentralen historischen Elemente in sich vereint, sondern auch einen
"würzenden" Schuss
Kriminalistik;
beinahe verdutzt stellt der
Leser am Ende fest, dass er soeben gut vierhundert Seiten
bewältigt hat, schier ohne es zu merken.
(Regina Károlyi; 01/2007)
Alessandra
Bernardi: "Die Tochter des Dogen"
Neuer Europa Verlag, 2006. 512 Seiten.
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Lien zur Netzseite der Autorin: https://www.alessandra-bernardi.at/