Horst
Bosetzky: "Es geschah in Berlin: 1910: Kappe und die verkohlte Leiche"
Jan Eik: "Es geschah in Berlin: 1914:
Der Ehrenmord - Kappes dritter Fall"
Horst
Bosetzky: "Es geschah in Berlin: 1910: Kappe und die verkohlte Leiche"
Die Reihe "Es
geschah in Berlin" soll in der Tradition des Kettenromans
nacheinander durch verschiedene Autorinnen und Autoren die Figur des
Hermann Kappe weiterentwickeln. Dieser ist im ersten Band der Reihe ein
frischgebackener Kriminaler der Berliner Abteilung A und muss sich nun,
da er durch Protektion in seinen frühen Jahren an diesen
Posten gekommen ist, seine Nützlichkeit gegenüber den
Kolleginnen und Kollegen beweisen. Dieser erste Fall, von dem
berühmten -ky vorgestellt, bringt den
jungen Mann, der noch versucht sich in Berlin und in seinem eigenen
Leben zurecht zu finden, mit seinem ersten "richtigen" Mordopfer
zusammen.
Während im September 1910 nämlich in allerlei Ecken
der Stadt der Arbeitskampf ausbricht und die ersten Betriebe bestreikt
werden, ist es in Moabit besonders schlimm, wo die
Kohlenhändler streiken und sich dabei auch gegenüber
der Polizei keinerlei Zurückhaltung
auferlegen; eine Tatsache, die Kappe mehrfach schmerzhaft zu
spüren bekommt.
Ein Streikbrecher wird von einigen "guten" Bürgern tot in
einer brennenden Kohlehandlung aufgefunden, die kurze Augenblicke nach
dieser grausigen Entdeckung in die Luft fliegt. An der Leiche ist kaum
noch etwas deutlich zu erkennen, trotzdem kann aufgrund von Kappes
Aufmerksamkeit schnell die Todesursache festgestellt werden. Umgehend
beginnen die Ermittlungen - und zwar zunächst in der Berliner
Anarchisten- und Sozialistenszene, in der es öfter
Äußerungen dahingehend gegeben hatte, dass man
Streikbrecher töten würde.
Folglich erfährt der Leser Details über den
frühen Arbeitskampf im Kaiserreich
sowie über die grundlegenden Strukturen von
Fußballvereinen, während er den Kriminalen Hermann
Kappe und seinen Kollegen Galgenberg durch das kaiserliche Berlin
begleitet. Man stößt tatsächlich bald auf
einen geständigen Agitateur. Nun wird der junge Kappe als Held
gefeiert, wie seine Idole in den neumodischen
Karl May-Romanen. Doch es
ist längst nicht alles so einfach, wie es zunächst
erscheint, weder bei der Arbeit, noch im Privatleben, und so muss Kappe
allerlei unerwartete Wendungen im beruflichen
wie auch im und privaten Bereich ertragen, wobei einige dieser
Wendungen im
beruflichen Bereich sehr in sein normales Leben und in seine eigene
Interpretation seiner Vergangenheit eingreifen.
Neben der Darstellung des Falles bemüht sich dieser Roman
darum, das Leben und Wirken der Menschen im Berlin des beginnenden 20.
Jahrhunderts vorzuführen, was auch
größtenteils gut gelingt. Dabei wird einem immer
wieder deutlich, wie neu viele Dinge zu dieser Zeit waren, die uns
heute antiquiert erscheinen, und die den Jüngeren unter uns
zum Teil ohne nähere Erläuterungen wahrscheinlich gar
nichts sagen dürften. Die Arbeiterbewegung wird hier als ein
Moment der öffentlichen Wahrnehmung verstanden, die einer
unter vielen war, so dass das Schwergewicht, das andere historische
Romane zu dieser Zeit darauf legen, ein wenig relativiert wird.
Das hat sicherlich seine Berechtigung, wenn man bedenkt, wie selten
später als historisch relevant betrachtete Aspekte in der
jeweiligen Zeit einer Majorität der Beteiligten wirklich
bewusst sind. Dieses Bewusstsein zeigt sich auch in den "neumodischen"
Ermittlungsmethoden, derer sich die Kriminalen bedienen, die sich auch
auf eine stärkere naturwissenschaftliche Orientierung ihrer
Arbeit einstellen müssen. Alles in allem ein unterhaltsamer
und sehr authentisch wirkender historischer Kriminalroman.
Jan Eik: "Es geschah in Berlin: 1914: Der Ehrenmord - Kappes
dritter Fall"
Dies ist der dritte Roman um den Kriminalhauptwachtmeister Hermann
Kappe.
Im Sommer des Jahres 1914 wird von einem Kanalschiffer, der vergeblich
auf neue Frachtaufträge wartet, die Leiche einer jungen Frau
aus dem Wasser gezogen. Sie scheint schon zwei bis drei Tage im Wasser
gelegen zu haben, was sie zu einem eher unschönen Anblick
macht, wie Kappe beim Besuch des Leichenschauhauses feststellen muss.
Zunächst wird vermutet, die schwangere
Sechzehnjährige habe
Selbstmord begangen, doch dann stellt sich heraus, dass sie
wohl vor dem Zuwasserlassen erwürgt wurde. Und so beginnt -
kurz nach der Ermordung Ferdinands in Sarajevo und in den Wehen der
deutschen Beteiligung am daraus resultierenden Krieg - die Untersuchung
dieses Mordfalls.
In den Kreuzberger Mietkasernen lernt Kappe das Leben der so genannten
"kleinen Leute" kennen, was nichts Irisch-Elfenhaftes an sich hat.
Neben kleinen Handwerkern und Hausangestellten finden sich hier viele
mehr oder minder
"lustige" Witwen, alleinerziehende Mütter, Kleinkriminelle und
Haushaltsprostituierte. Kappe findet in der Familie der Ermordeten
durchaus ungeordnete Verhältnisse von Menschen vor, die sich
ernährungstechnisch gerade so über Wasser halten
können. Und in ihrem Umfeld allerlei Klatsch und Tratsch, der
die Ermittlungen abwechselnd vorantreibt und behindert.
Die Milieustudien sowie die Weiterentwicklung der persönlichen
Beziehungen Kappes stehen in diesem Roman im Vordergrund, direkt
gefolgt von den Auswirkungen der Kriegsvorbereitungen - und der
Proteste dagegen - auf die Berliner Bevölkerung. Daneben tritt
der eigentliche Kriminalfall ein wenig in den Hintergrund, was
sicherlich nicht weiter verwundern kann. Der bevorstehende Krieg wird
von vielen als Gelegenheit betrachtet, ihre Lebenssituation zu
verbessern, und tatsächlich scheinen große Teile der
Bevölkerung
den Krieg regelrecht herbeizusehnen. Es gilt dabei allerdings zu
bedenken, dass zu dieser Zeit Kriegshandwerk und Soldaten in vielen
Teilen der Welt noch stark idealisiert wurden. Der Krieg,
der hier in der Vorbereitung steht, sollte jener sein, der "alle Kriege
endet", weil die Menschen hier so sehr wie nie zuvor mit den Schrecken
und dem Elend des Krieges konfrontiert wurden und die neuen Formen der
Kriegsführung die alten Idealisierungen stark in Frage stellen
sollten.
Man darf gespannt sein, wie die Kriegszeit und die Nachkriegszeit in
weiteren Romanen der Reihe dargestellt werden. Aufgrund der Momente der
historischen Betrachtungen gerät der Kriminalfall hier so
stark ins Hintertreffen, dass der Rezensent "Der Ehrenmord" eher einen
"normalen" historischen Roman nennen würde; allerdings einen
durchaus lesenswerten.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2007)
Horst
Bosetzky: "Es geschah in Berlin: 1910: Kappe und die verkohlte Leiche"
Jaron Verlag, 2007. 207 Seiten.
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Jan Eik: "Es geschah in Berlin: 1914: Der Ehrenmord - Kappes dritter
Fall"
Jaron Verlag, 2007. 208 Seiten.
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