"Die Orchesterrepublik"
Ein
Streifzug durch die Geschichte der
Berliner Philharmoniker
(Hörbuchrezension)
Die
Klangzauberer
Vor 125 Jahren wurde ein weltbekanntes Orchester gegründet:
die Berliner Philharmoniker. Grund genug, dieses Jubiläum im
Jahr 2007 zu feiern: 93 Sinfoniekonzerte will das Orchester in Berlin
geben, 72 Prozent davon werden
von Chefdirigent Sir Simon Rattle geleitet. Außerdem stehen
weitere 38 Auftritte bei Gastreisen unter anderem nach New York auf dem
Programm.
Wie fing alles an?
Fast schon revolutionär mutete die Gründung an.
Schlecht bezahlt und unter dem ebenso autokratischen wie knauserigen
Berliner Dirigenten Benjamin Bilse leidend, erklärten sich 54
Mitglieder der "Bilsesche Kapelle" kurzerhand für
selbstständig. Am 1. Mai 1882 gründeten sie die
"Ehemalige Bilsesche Kapelle", aus der wenig später das
Philharmonische Orchester Berlin hervorging.
Der Anfang war alles Andere als erfolgreich. Erst mit dem Berliner
Konzertagenten Hermann Wolff, der 1887 die Organisation
übernahm, konnte man sich aus der wirtschaftlichen Misere der
Anfangszeit befreien. Doch bis zum weltweit anerkannten Spitzenensemble
dieser Tage war noch ein beschwerlicher Weg zurückzulegen. Als
Erstes galt es, ein festes Stammhaus zu finden. Wolff war es, der die
erste "Philharmonie", eine umgebaute Berliner Rollschuhbahn (!) in der
Bernburger Straße (wenige hundert Meter vom jetzigen Standort
entfernt) als Konzerthaus "besorgte". Und er führte dem
Orchester den besten Dirigenten jener Zeit zu: den aus Meiningen
stammenden Hans von Bülow - einen Schwiegersohn
Liszts.
Erst jetzt beginnt sich "Die Orchesterrepublik" (sie wählt bis
heute ihre Chefs selbst) zu profilieren und wirklich zusammenzuwachsen.
Viele große Namen sollten Hans von Bülow folgen: von
1895 bis 1945 jene von Arthur Nikisch und Wilhelm Furtwängler.
Von 1945 bis 1955 arbeitete das Orchester mit Leo Borchard, Sergiu
Celibidache und noch einmal Furtwängler. Von 1955 bis 1989
erstreckte sich das autokratische Kunst- und Medien-Regime
Herbert von
Karajans. Dreizehn Jahre Kunst-Demokratie erlebte das Orchester unter
der Leitung von Abbado, und seit 2002 heißt der Chefdirigent
Sir Simon "Kommunikator" (Rattle).
Dieses Hörbuch präsentiert eine sehr wechselvolle
Geschichte. Neben den schwierigen Gründungsjahren geht auch
die Zeit der Nationalsozialisten nicht spurlos an den
Orchestermitgliedern vorbei: alle jüdischen Musiker wurden aus
dem Orchester verbannt.
Zu seinen Sternstunden gehört das Konzert zum Mauerfall am 11.
November 1989 unter der Leitung von Daniel Barenboim.
Das Hörbuch "Die Orchesterrepublik" gliedert sich in zwei
Teile: 1. "Von der Kapelle zum Orchester" und 2. "Von Ruhm zu
Weltruhm". Chronologisch angeordnet (die Dirigenten dienen als
Wegzeichen) wird es von Corinna Kirchhoff und Sylvester Groth kompetent
vorgetragen. Umfangreiche Augen- und Ohrenzeugenberichte (Hans von
Bülow,
Richard Strauss etc.), Selbstzeugnisse dreier
Orchestermitglieder (die so genannten Orchesternotizen) und
Hörspielelemente mit O-Tönen aus dem Konzertalltag
ergänzen den Bericht und erzeugen eine abwechslungsreiche,
unterhaltsame Mischung. Von Zeit zu Zeit werden
Hintergrundgeräusche eingespielt. So ertönt
Sirenengeheul bei Kriegsausbruch, oder ein Briefzitat wird von
Schreibmaschinengeklapper begleitet.
Manches Erhellende, auch Erheiternde ist dabei. Wer weiß
schon, dass die Firma "Sony" - hundert Jahre nach der
Orchestergründung - die Weltneuheit CD nach der Dauer einer
Berliner
Beethoven-Neunten
kalibrierte: knapp 80 Minuten.
Vermisst wird jedoch, was das Orchester auszeichnet: die Musik. Immer
wieder wartet man zwischen den einzelnen Kapiteln auf den
berühmten Klang. Die wenigen - mehr oder weniger nur als
Pausenzeichen gesetzten - kurzen Musikbeispiele (diese jedoch in
großartiger Tonqualität) können nicht
über die Leere hinwegtrösten. So klingt von Zeit zu
Zeit für einige Sekunden Strawinskys kraftvolles, an einen
Marschschritt
erinnerndes "Le sacre du printemps" an, oder
eine frühe
Mozart-Petitesse vertritt die Ära des Dirigenten und
Orchesterleiters Claudio Abbado.
Fazit:
Das Online-Klassikmagazin "magazin.klassik.com"
bezeichnete das Hörbuch als "geistreichen Klatsch
aus den Hinterzimmern der Musikgeschichte". Ich nenne es
einen interessanten und informativen Streifzug durch die Geschichte
eines weltbekannten Klangkörpers: viel Stoff mit dem gewissen
Etwas durch Authentizität.
(Heike Geilen; 11/2007)
"Die
Orchesterrepublik. Ein Streifzug
durch die Geschichte der Berliner Philharmoniker"
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