Frédéric Beigbeder: "Der romantische Egoist"
Suff und Sex
In der Übersetzung von Brigitte Große liegt dieser
im Jahr 2005 im französischen Original erschienene Roman in
Tagebuch-Form vor. Der Protagonist und Ich-Erzähler Oscar
Dufresne, Mitte 30, gönnt sich seine verfrühte Mittlebenskrise - er rechnet mit sich und der modernen
Spektakelgesellschaft ab. Er ist phlegmatisch, zynisch und hat sexuelle
Obsessionen. Zudem ist er ein routinierter Trinker vor dem Herrn. Er
selbst bezeichnet sich als "Nörgler auf Honorarbasis" - er
notiert: "Tagebuchschreiben heißt beschließen, dass
das eigene Leben aufregend ist. Was mit widerfährt, betrifft
die ganze Welt." Oscar schwankt zwischen Selbstironie und
Selbstüberschätzung. Er ist viel unterwegs - in Rom
bewundert er die Ruinen: "Sie sind meinesgleichen." Die
Kapiteleinteilung erfolgt übrigens nach Jahreszeiten,
beginnend mit dem Sommer.
Ein Mann zwischen zwei Frauen - einer, die ihn nicht will und einer,
die er nicht will - flüchtet sich zu zahlreichen Abenteuerchen
auf der realen oder einer eingebildeten Ebene. Er versucht sich in
Nachtclubs großer Städte vieler Länder im
Flirten. Er grübelt ein wenig über das Leben nach und
landet immer wieder bei trivialen Banalitäten: "Ich habe einen
Trick gefunden, um kostenlos Brüste zu betatschen: Du
behauptest einfach, sie seien falsch. Die Mädels sind
stockbeleidigt. Plötzlich heben sie ihr T-Shirt und bitten
dich, es nachzuprüfen." Für wie primitiv
hält Beigbeder eigentlich seine Leser?!
Oscar wandelt zwischen Suff und Sex, bekommt sentimentale Momente und
existiert ohne jegliche weitergefasste Ideale. Zu Beginn des 3.
Kapitels bricht der Ich-Erzähler jegliche Illusion: "Der
Kunstgriff zu einem Heteronym verwandelt die Lektüre dieses
Tagebuchs in ein Versteckspiel. 'Der romantische Egoist' lässt
sich so definieren: Es ist ein Spiel mit dem Ich." Allerdings nimmt
dieser "Egoist" auch auf seine Person wenig Rücksicht - und
"romantisch" kann man ihn wahrlich nicht nennen - dann eher schon
larmoyant.
Mittendrin gibt er sein Lebensmotto aus: "Ich mag nur lesen, schreiben
und poppen." An anderer Stelle sieht sich Oscar vor der Wahl zwischen
Zynismus und Paranoia - in gewisser Weise praktiziert er eigentlich
beides mit Überzeugung. Wir finden hier also quasi Episoden,
Reflexionen, Assoziationen - die Form des Tagebuchs erlaubt es,
Inkohärenz zum Prinzip zu erklären, uns eine mehr
oder weniger zufällige Reihung von Fragmenten zuzumuten. Ein
"Patchwork"-Text mit gebremst selbstironischer Nabelschau.
Lästigerweise kokettiert der Autor/Erzähler mit
seiner Doppelrolle: "Warum sind mein Leben und mein Werk so eng
verknüpft. (...) Ich bin mein eigenes Versuchskaninchen." Das
Buch hört einfach irgendwie auf - wir haben am Lotterleben
eines gutsituierten Medienautors teilgenommen und gelernt, dass
derartige Bücher weder unbedingt geschrieben noch gelesen
werden müssten. Das ist pseudointellektuelles Dampfgeplauder
auf Boulevardmagazin-Niveau.
(KS; 03/2006)
Frédéric
Beigbeder: "Der romantische Egoist" Frederic
(Originaltitel "L'Égoiste romantique")
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Frédéric
Beigbeder, am 21. September 1965 in Neuilly sur Seine geboren,
studierte Politologie und lebt als Literaturkritiker, Schriftsteller
und Programmchef eines großen Verlagshauses
in Paris. Er gilt
als enfant terrible der französischen Literaturszene. "Ein französischer Roman" "Neununddreißigneunzig"
"Ferien
im Koma" "Memoiren eines Sohnes aus schlechtem Hause"
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Die
Liebe währt drei Jahre"
Nach seiner Scheidung von Anne feiert Marc ein rauschendes Fest, auf
das die nur allzu tiefe Depression folgt. Paris im Winter, eine
vereinsamte Wohnung, schließlich ein kläglicher Selbstmordversuch,
der in seiner Komik den mangelnden Ernst der Lage offenbart. Grund
dieser Lebensmüdigkeit ist aber nicht das Scheitern der Ehe,
sondern die Zurückweisung durch die Geliebte, die ihrerseits
nicht bereit ist, ihren Mann zu verlassen. Es folgen
Eifersüchteleien, Trennungen, Versöhnungen - die
ganze Palette des kodierten Liebesspiels, versetzt mit
abgeklärten Sprüchen und den Einsichten des zynischen
Dreißigjährigen. Beigbeder wechselt spielerisch
zwischen seinem fiktiven Alter ego und dem wahren Autor, kommentiert
ironisch und spöttisch und wechselt die Positionen. Am Ende
dann die Glücksfantasie der Liebe: Die Geliebte
verlässt nach langem Zögern ihren Mann - Marc und sie
erleben die Erfüllung unendlicher Verliebtheit. Der
Dreijahreszyklus von Verlieben, Heiraten, Scheidung beginnt vorn vorn.
(Rowohlt)
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Als Frédéric Beigbeder auf offener Straße beim Koksen erwischt wurde, war das
für die gesamte Pariser Kulturszene ein gefundenes Fressen. Für ihn selbst
entwickelten sich die darauf folgenden 48 Stunden U-Haft zum Anlass, sein Leben
einer Generalinspektion zu unterziehen. Beigbeder versucht, zunächst
vergeblich, sich an seine Kindheit zu erinnern. Erst, als er auch die Geschichte
seiner Großeltern und Eltern ausleuchtet, formieren sich in seinem Kopf allmählich
wieder Bilder. Entstanden ist auf diese Weise ein kluges, nachdenkliches Buch,
das in seiner Beschreibung der Umbrüche und Entwicklungen der letzten 50 Jahre,
der gesellschaftspolitischen Revolution, die unsere Generation definiert hat,
weit über eine private Geschichte hinausreicht. (Piper)
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Octave Parango, Kreativer in einer Pariser Werbeagentur, hat einen
Topjob, Luxus ohne Ende und die Schnauze so voll, dass ihm davon
schlecht würde, gäbe es nicht den Zynismus, Frauen
und Koks.
Schonungslos verdammt er seine Welt, in der einfach alles
käuflich ist - er selbst eingeschlossen. Bei den Dreharbeiten
zu einem Werbespot entlädt sich sein Hass in einer
ungeheuerlichen Gewalttat.
Frédéric Beigbeders Roman ist ein Pamphlet
gegen
den Totalitarismus von Medien und Werbung und gegen die neoliberale
Pervertierung der Demokratie. Beigbeder reiht sich damit ein in die
Front jener französischen Autoren um
Michel Houellebecq, die
den Verantwortlichen der globalen Realität den "Kampf auf
Leben und Tod" angesagt haben. (Rowohlt)
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Die Chronik einer "Nacht auf dem Scheißhaus": "Les Chiottes"
nennt sich ein neuer Club, der sich in Form einer gigantischen Toilette
mitten in Paris auf der Place de la Madeleine erhebt. Die
Eröffnung wird mit einem spektakulären Fest und einer
entsprechend exklusiven Gästeliste gefeiert, auf der sich
selbstredend der Gesellschaftskolumnist Marc Maronnier befindet. Die
Crème de la Crème der Pariser In-group versammelt
sich zu diesem Ereignis in einem Ambiente der Gigantomanie, das durch
das Motto "Scheißhaus" direkt mit Ekel und Abgeschmacktheit
verbunden wird. Was Marc an diesem Spektakel wirklich fasziniert, ist
die Idee einer virtuellen Nacht, die Vorstellung dessen, was sich
hätte ereignen können. Stunde um Stunde, Kapitel
für Kapitel lässt er die virtuelle Variante dieses
Festes ablaufen, das, was hätte sein können, oder
vielleicht besser: das, was wirklich ist hinter der Fassade der
Spaßgesellschaft: Eigensucht,
Übersättigung, Haltlosigkeit und Grausamkeit. Die
Chronik einer rauschenden Party entwickelt sich zu einem
Schreckenspanoptikum, aus dem er erst am Morgen mit der
Rückkehr in die Normalität aussteigt.
Drogen,
Exzesse,
Sex, eklektizistische Musikmixes, überdrehte Star-DJs,
Gewaltfantasien - die ganze Szenerie implodiert in einer orgiastischen
Superinszenierung. Und dann wieder Anne. Der Engel der Liebe, die
Schöne, Beste, die Liebende, die wie eine Erscheinung aus dem
Gedränge auftaucht, rettet Marc an die Gestade der
erschreckenden Normalität. So erschreckend real, dass sie im
Morgenlicht wie die Kehrseite des nächtlichen Alptraums
erscheint. Der böse Junge lässt sich von seiner
Ehefrau heimholen in den weiblichen Schoß der Geborgenheit.
Doch was wie eine Erlösung aussieht, entpuppt sich als Enge,
aus der es anschließend wieder auszubrechen gilt. (Rowohlt)
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Marc Maronnier, ein großspurig-herablassender,
unverschämter Erfolgsmensch, ist die Hauptfigur der ersten
drei Romane Beigbeders. Wie
Simone de Beauvoirs "Memoiren einer Tochter
aus gutem Hause" ist dieser erste Marc-Maronnier-Roman eine Erinnerung
- unter umgekehrten Vorzeichen - an eine Jugend im Paris der 1990er
Jahre: postmoderner Nihilismus, ausschweifender Lebensstil,
Eliteausbildung und endlose
Nächte in Szene-Bars. Marc lebt
mit Victoire zusammen, was sie in abgebrühter Gewohnheit mit
simulierten Gefühlen und luxuriöser
Sinnesbetäubung tun. Die Begegnung mit Anne gleicht daneben
einem Blitzschlag der wahren Empfindung, Marc kann nicht mehr
aufhören, an sie zu denken. Es sind einige Hindernisse zu
überwinden, doch dann leben sie zusammen und scheinen sich
selbst zu genügen. Doch weil dieser Traum vom vollkommenen
Glück nach Zerstörung geradezu verlangt,
erschießt Marc am Ende Anne. Aber nein - so war es nicht,
erfährt der Leser in einer säuselnd ironischen
Schlussvolte, es war nur eine Horrorvorstellung, die beiden wollen bis
zum Lebensende glücklich miteinander sein.
Intelligente Wortspiele, pointierte Apercus, schonungslose Knappheit,
überlegene Ironie machen die "Memoiren eines Sohnes aus
schlechtem Hause" zu einem Buch voll abgeklärtem Esprit.
(Rowohlt)
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