Andreas P. Pittler: "Samuel Beckett"
Gelungener Beitrag von dtv zum Beckett-Jahr
Die mittlerweile über siebzig Bände umfassende Reihe
dtv-portrait
ist einmal mehr um einen neuen Band bereichert worden. Und Andreas
Pittlers Beckett-Biografie stellt in der Tat eine Bereicherung dar,
handelt es sich bei Samuel Beckett doch um einen der einflussreichsten
und faszinierendsten Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts,
dessen Werk bis heute nichts an Aktualität verloren hat, da es dem
Menschen immer wieder ein sowohl erschreckendes als auch komisches Bild
seiner selbst ins Bewusstsein ruft (wie ja Schrecken und Komik immer
gern zueinander finden): das menschliche Strampeln in der
Tretmühle der Sinnfindung, um nicht zu sagen Sinnlosigkeit.
"Es gibt keinen Ausweg, als eben weiterzumachen, und wenn es noch so
sinnlos scheint", schreibt Andreas Pittler an einer Stelle. Und vom
ganz persönlichen Strampeln Samuel Becketts erzählt dieses
Buch, von seinem Kampf im französischen Widerstand gegen die
Naziherrschaft, von seinem immerwährenden Kampf um seine labile
Gesundheit, was zum großen Teil psychosomatisch bedingt war, und
natürlich vom Kampf um literarische Anerkennung und Erfolg, in
welchem er ja letztendlich reüssieren konnte.
Auf der Rückseite von Pittlers Beckett-Porträt lesen wir: "Er
selbst fand sein Leben uninteressant." Der Lebenslauf Samuel Becketts
liest sich aber ganz im Gegenteil eher wie ein spannender
Abenteuerroman, woran sicher auch Andreas Pittler seinen Anteil hat.
Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, bis ich es von der ersten
bis zur letzten Zeile durchgelesen hatte.
Des Weiteren steht auf der Buchrückseite zu lesen: "Den
großen Erfolg von 'Warten auf Godot' sah er als Unfall an." Lag
Beckett damit nicht sogar richtig? Ist es nicht so, dass, wenn man als
Autor etwas auf sich und seine Kunst hält, man den großen
kommerziellen Erfolg zwangsläufig als Unfall ansehen muss? Aber
der Nobelpreis
- eine Katastrophe? Diese Aussage ist sicher nicht ausschließlich
aus Samuel Becketts von der Ironie gespeistem, stets alertem Wortwitz
heraus zu verstehen. Vielleicht sah er schon mit Grausen in die
Zukunft, wo seine Werke
von der ungeliebten einflussreichen Oberschicht vereinnahmt
würden, von zahllosen Lehrer- und Schülergenerationen
(inkompetenten Lehren, desinteressierten Schülern)
verhackstückt und wiedergekäut. Vielleicht.
Zurück zur Biografie. Andreas Pittler ist hier ein feinsinnig
geschriebenes, facettenreiches Porträt eines großen Dichters
gelungen, ideal auch für Neueinsteiger, die sich bisher noch nicht
oder nur wenig mit Becketts Denken und Schaffen befasst haben. Pittler
liefert solide Informationen, vermittelt fundiertes Wissen, lässt
auf interessante Weise Becketts Leben Revue passieren und
präsentiert seinen Lesern knappe, aber kompetent und
verständlich geschriebene Werkeinführungen.
Die Ausstattung des Bandes lässt keine Wünsche offen. Der
Haupttext wird ergänzt durch farblich und grafisch gut abgesetzte
Quellentexte, Zitate, Werkauszüge und so weiter. Zahlreiche Fotos
lockern den Text auf. Im Anhang findet der Leser eine Zeittafel mit den
wichtigsten Daten aus Becketts Leben, Bibliografie und Namensregister,
Hinweise über Verfilmungen und Fernsehproduktionen von Becketts
Werken und sogar eine Seite mit der Überschrift: "Beckett im
Internet", wo sich dann jeder interessierte Leser weitere und
ausführlichere Informationen über Beckett und sein
literarisches Vermächtnis verschaffen kann.
Samuel Beckett
wäre heuer hundert Jahre alt geworden. Die vorliegende
Beckett-Biografie von Andreas P. Pittler stellt eine angemessene
Würdigung sowie einen gelungenen Beitrag von dtv zum Beckett-Jahr
dar.
(Werner Fletcher; 01/2006)
Andreas P. Pittler: "Samuel Beckett"
dtv, 2006. 192 Seiten.
ISBN 3-423-31082-0.
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