Pat Barker: "Die Straße der Geister"
Mit dem Roman "Die Straße der
Geister", für den Pat Barker im Jahr 1995 den renommierten "Booker"-Preis erhielt,
ist die Trilogie über die Schrecken des Krieges komplett.
Die am 8. Mai 1943 in Thornaby-on-Tees
in Yorkshire, England, als Patricia Margaret Drake in eine Arbeiterklassefamilie
geborene Autorin wuchs ohne ihren Vater zu kennen in ärmlichen Verhältnissen bei
den Eltern ihrer Mutter auf. Pat Barker studierte an der London School of
Economics und arbeitete bis 1982 als Dozentin für Geschichte und Politik. 1978
heiratete sie den Zoologieprofessor David Barker und besuchte 1979 einen Kurs
für Kreatives Schreiben, den die Schriftstellerin Angela Carter abhielt. Von
Carter dazu ermutigt über Themen zu schreiben, die ihr vertraut waren,
behandelten Pat Barkers erste literarische Gehversuche z.B. Zustände im
nordenglischen Arbeitermilieu, konkret die Lebensumstände von Frauen der
Unterschicht, die sich ihren Lebensunterhalt beispielsweise mittels Prostitution
oder Arbeit in Fabriken verdienen. Und es war ein feministischer Verlag, der
1982 ihren ersten Roman, "Union Street" (später verfilmt mit Jane Fonda und
Robert de Niro), herausbrachte. Auch der Roman "Die Lockvögel" fällt in diese
Kategorie.
Der große Erfolg kam, als sich Pat Barkers Schreiben
gewissermaßen der "Männerwelt" und somit Themen zuwandte, die ihrer
analytischen, unsentimentalen Sprache entgegenkamen. Pat Barker gehört zu den
bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Großbritanniens.
Langsam wurde es hell.
Gedämpftes, bräunliches Novemberlicht. Simpson, der selbst schon so
hinüber war, dass er nicht mehr begriff, was geschah, brabbelte in einem
der hinteren Betten des Saals vor sich hin, doch all die anderen Gesichter
waren den Schirmen zugewandt, und jeder mobilisierte das bisschen Kraft,
das er noch besaß, um Hallet in seinem Kampf zu unterstützen. (Aus "Die Straße der Geister") |
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Rivers' bekanntester Patient war der
Kriegspoet Siegfried Sassoon (1886-1967), ein hochdekorierter englischer
Offizier und bewunderter Held des Ersten Weltkrieges, dessen Einstellung zum
Krieg sich allerdings grundlegend wandelte. 1917 verurteilte er in einem Brief
an einen Abgeordneten die britische Kriegsführung (ein Zitat daraus
"Mein Protest richtet sich nicht gegen die
Kriegsführung, sondern gegen die politischen Irrtümer und Heucheleien, denen die
Frontkämpfer geopfert werden. Im Namen aller Leidenden protestiere ich gegen den
Betrug, dem sie zum Opfer fallen.") und wurde daraufhin nicht vors
Kriegsgericht gestellt, sondern auf Betreiben seines einflussreichen Freundes
und Kameraden Robert Graves in das Militärkrankenhaus in
Craiglockhart gebracht, wo Kriegsneurosen behandelt wurden und er auch den
Dichter Wilfred Owen
(18.3.1893-4.11.1918) kennen lernte.
Pat Barker erforschte die
vielschichtige Beziehung zwischen Dr. Rivers und Siegfried Sassoon. Der Psychiater
überredete Sassoon, an die Front zurückzukehren, jedoch beeinflusste der Protest
des Patienten gegen den Krieg in wachsendem Ausmaß Rivers' Ansichten.
Die
Autorin konnte auf medizinische Berichte von Dr. Rivers zurückgreifen. Der
Neurologe hatte einige Zeit bei den Ureinwohnern Melanesiens verbracht und
erschütternde Übereinstimmungen zwischen dem Verhalten der Kopfjäger, der
"Wilden", und der "zivilisierten" Weißen - hier wie dort wurde der Krieg, das
Töten, als Lebenselixier gesehen - festgestellt.
Besonders Sigmund
Freuds therapeutischer Ansatz in der Behandlung von Kriegsneurosen (Hypnose,
Redekur) interessierte Pat Barker, denn Patienten mit "shell shock"
("Granatenschock", ausgelöst durch den Schützengrabenkrieg)
litten z.B. an unablässigem Zittern, dem die damalige Ärzteschaft mit
Kaltwasserbehandlungen, Elektroschocks und ähnlichen Methoden zu Leibe rückte.
Nicht so Dr. Rivers.
"Die Straße der Geister" ist ein Roman, der frei von
Pathos anhand packender Einzelschicksale die Schrecken des Krieges schildert,
und zwar überwiegend abseits der Schlachtfelder. Im Mittelpunkt stehen das
innere Erleben der Protagonisten, der Wandel moralischer Ansprüche in
Krisenzeiten sowie verschiedene Ebenen von Männerbeziehungen.
(S. Gabriel; 01/2005)
Pat Barker: "Die Straße der Geister"
(Originaltitel "The Ghost Road")
Aus dem Englischen von
Matthias Fienbork.
Gebundene Ausgabe:
Hanser, 2000.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2002. 256 Seiten.
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Die anderen Teile der Trilogie:
Band 2: "Das Auge in der
Tür"
Das übergroße Auge, Symbol der allgegenwärtigen Überwachung, hat ein
früherer Häftling an die Tür gemalt. Schlimm ist es erst, sagt Beattie, die
aufrechte Pazifistin, die in der Zelle sitzt, wenn das Auge in den Kopf gelangt.
Prior, der kriegsuntaugliche Offizier, hat es längst im Kopf. Doch das ist nicht
alles. Es häufen sich seine Absenzen, und von den Dingen, die sein dunkles Alter
ego treibt, ahnt er nur, dass sie furchtbar sein müssen.
Ein Doppelleben
führen auch die anderen Gestalten des Romans. Mannings, der Offizier aus
besseren Kreisen, muss seine
Homosexualität
verbergen, um so mehr, als im letzten Kriegsjahr in England eine hysterische
Hetzjagd gegen alle beginnt, die von der Norm abweichen: Suffragetten,
Pazifisten, Sozialisten, Schwule. Sassoon, der Frontkämpfer und Dichter, hält
den Krieg für verbrecherisch, will aber die Kameraden nicht im Stich lassen. Und
der Psychiater Rivers wird von Prior immer häufiger selbst in die Rolle des
Patienten gedrängt. Sie alle haben etwas zu verbergen, auch wenn sie oft selbst
nicht wissen, was sie zu verdrängen versuchen.
Der zweite Teil der
"Regeneration"-Trilogie beschäftigt sich mit dem Schicksal der Daheimgebliebenen
aus der Sicht der Frauen.
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Band 1: "Niemandsland"
England, Juli 1917. Mit einer revolutionär neuen Methode versucht Dr. Rivers,
durch ihre grauenhaften Kriegserlebnisse traumatisierten Offizieren im Armee-Sanatorium
Craiglockhart zu helfen. Unter seinen Patienten befindet sich auch Siegfried
Sassoon, ein junger Dichter und hochdekorierter Frontkämpfer, der einen flammenden
Aufruf an das Parlament gerichtet hatte, den Krieg zu beenden. Um ihn nicht
vor ein Kriegsgericht stellen zu müssen, hat man ihn kurzerhand für verrückt
erklärt. Aber Rivers gibt seinem neuen Patienten insgeheim recht. In einem schottischen
Krankenhaus
trifft er auf Männer, die zum Teil noch schlimmer traumatisiert sind als er,
die nicht fertig werden mit ihren furchtbaren Erlebnissen.
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"Das Gegenbild" zur Rezension ...