Alessandro Baricco: "Ohne Blut"
Ungekürzte Lesung von Christian Brückner
(Hörbuchrezension)


Vergeltung und Vergebung: Ein faszinierendes Hörbuch

Der 1958 in Turin geborene Schriftsteller Alessandro Baricco wurde weltberühmt durch seine Romane "Seide" und "Novecento". Die in "Ohne Blut" erzählte Geschichte kreist um die Frage: "Wann ist ein Krieg zu Ende?".

Jahrzehnte nach einem traumatischen Racheakt, der sich vermutlich zur Zeit des Spanischen Bürgerkrieges ereignete (worauf auch die spanischen Namen hindeuten), den man sich aber ohne Weiteres auch in einem süditalienischen Mafiamilieu vorstellen könnte, treffen sich das einzige überlebende Opfer Nina und der damalige Mörder Pedro Cantos wieder. In einem packenden, bis zum letzten Satz spannenden Gespräch, auf das Nina hingelebt hat, zwingt sie den mittlerweile alt gewordenen Täter zu Antworten auf ihre bohrenden Fragen. Cantos weiß, dass es mit der Aufarbeitung der Vergangenheit nicht getan ist. Nina ersehnt seit langen Jahren Vergeltung, die Vergeltung des Mordes an ihrem Vater und Bruder.

Der neben Rufus Beck wohl beste und beliebteste deutsche Sprecher Christian Brückner hat Bariccos psychologisch einfühlsame Geschichte über Vergelten und Vergeben zu einem zweistündigen Hörkunstwerk gemacht. Brückner ist dem deutschsprachigen Film- und Fernsehzuschauer bestens bekannt als Synchronstimme Robert de Niros. Mit seiner ausdrucksstarken Stimme, die er je nach agierender Person in unterschiedlicher Höhe und Betonung einsetzt, gibt er einfühlsam alle Höhen und Tiefen des bedeutungsschweren Gespräches zwischen Opfer und Täter wieder, bei dem man nie weiß, wann der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das anklagende Opfer zum Täter und der betroffene Täter zum Opfer wird.

Fazit: Christian Brückners charakteristische Goldstimme veredelt Bariccos gelungene Geschichte voller faszinierender und geheimnisvoller, intensiver und melancholischer Momente zu einem akustischen Gesamtkunstwerk. Absolut hörenswert.

(Dr. Matthias Korner; 02/2007)


Alessandro Baricco: "Ohne Blut"
(Originaltitel "Senza sangue")
Übersetzt aus dem Italienischen von Anja Nattefort.
(Hör-)Buch bei amazon.de bestellen

Alessandro Baricco, geboren 1958 in Turin, studierte Philosophie und Musikwissenschaften. Seit dem sensationellen internationalen Erfolg von "Seide" (1996) gehört er zu den großen italienischen Autoren.

Zwei weitere Bücher des Autors:

"Land aus Glas"

"Mr. Rail kommt zurück! Mr. Rail kommt zurück!" hört man es überall in Quinnipak raunen. Der Direktor der Glasfabrik reist viel herum in der Welt, und vor jeder Heimkehr schickt er ein Päckchen mit einem Juwel für seine schöne Frau Jun voraus. Doch dieses Mal bringt er noch ein anderes Präsent mit nach Hause: Elisabeth, eine alte Lokomotive, liebäugelt Mr. Rail doch schon lange damit, eine unendliche, schnurgerade Eisenbahnlinie zu bauen. Und es ist nicht der einzige Traum, der in diesem Städtchen irgendwo in Europa und irgendwann im 19. Jahrhundert wahr werden soll: Eines Tages taucht der geniale Architekt Hector Horeau auf, der mit Mr. Rails Hilfe einen Glaspalast nie dagewesenen Ausmaßes errichten will. (Hanser)
Buch bei amazon.de bestellen

"So sprach Achill." zur Rezension ...
Die Ilias nacherzählt von Alessandro Baricco