Hademar Bankhofer: "Der Wunderheiler der Kaiserin"
Süffiges Lesematerial vom Mann mit dem Halstuch
Wenn Sie heute zu jenen meist etwas
stämmigen Frauen im mittleren Lebensalter gehen, die vor der Heilmassage die
Hände falten und Gottes Beistand erbitten, Sie dann nicht durchwalken, sondern
nur sanft berühren oder gar mit den Händen berührungslos in der Luft über ihren
Körper streichen, erleben Sie Heilmagnetismus, eine Heilkunst, die in unseren
Breiten gar nicht so alt ist. Wo man in Indien
das
Reiki schon seit Jahrtausenden kennt, hat in Europa der gebürtige Schwabe
und Wiener Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815) vor 250 Jahren diesen Heilmagnetismus
oder "tierischen Magnetismus" definiert und als naturheilkundliche Methode etabliert,
womit er zumindest im Paris seiner Zeit zum Modearzt reüssierte.
Zweifellos war Mesmer selbst mit einer magnetischen Persönlichkeit ausgestattet,
der seine Epoche ähnlich nachhaltig im Atem hielt, wie die damalige
Kaiserin
Maria Theresia als Politikerin oder
Wolfgang Amadeus Mozart als Komponist und Musiker. Selbst
Goethe, von Mesmer
nachhaltig beeindruckt, fand sich veranlasst, lange und umfassende Essays zum
Thema Magnetismus abzufassen, und wird ihn für bedeutsamer gehalten haben als
den Salzburger "Wolferl". Ein Roman, in dem Mesmer nun mit dem himmlischen Geniebuben
als Freund und der Inkarnation einer imperialen österreichischen Erdmutter als
Gönnerin auftritt, ist zum Erfolg verdammt, auch wenn dieser im Wesentlichen
um das Schicksal einer jungen Frau kreist. Diese 18jährige namens Maria Theresia
von Paradis (1759-1824) war das blinde Patenkind der Kaiserin und entwickelte
sich zu einer der bekanntesten Pianistinnen ihrer Zeit. Sie bereiste den europäischen
Kontinent, wurde in London, Paris und Prag als Händel-Interpretin gefeiert und
ab 1791 auch als Komponistin bekannt. Paradis schuf u.a. fünf Opern und drei
Kantaten im Stil der Wiener Klassik, denen insgesamt aber wenig Erfolg beschieden
war. 1808 gründete sie eine renommierte Musikschule, an der sie auch bis zu
ihrem Tod unterrichtete.
Der Medizinjournalist Bankhofer, aus zahlreichen Fernsehsendungen bekannt und
Autor einer Hundertschaft von medizinischen Beratern, die sich mittlerweile
allein wegen seines Fotos am Umschlag verkaufen, hat die Verbreitung der Naturheilkunde
im deutschen Sprachraum im Laufe der letzten zwanzig Jahre in beispielloser
Weise gefördert, weshalb ihm vom damaligen österreichischen Bundespräsidenten
Kurt Waldheim 1991 die Professorenwürde zuerkannt wurde. Dieses Buch ist sein
erster Roman und so etwas wie eine kleine Biografie der Pianistin. Die Eckdaten
sind historisch verbürgt. Maria Theresia von Paradis war als Kleinkind blind
geworden und konnte unter Mesmers Behandlung vorübergehend ihre Sehkraft wieder
zurückerlangen. Eine Intrige bei Hof vertrieb Mesmer dann aus Wien. Durch den
Abbruch der Behandlung erblindete Paradis erneut und erhielt ihre Sehkraft nie
wieder.
Bankhofer hat diese Geschichte als Liebesroman angelegt. Seine Darstellung der
Arbeitsweise Mesmers ist reizvoll, da er natürlich die Möglichkeiten und Grenzen
der Heilmethoden kennt und sich auch mit Mesmers Methoden auseinandergesetzt
hat. Die Liebe des Mädchens zum viel bewunderten, aber auch viel geschmähten
Wunderheiler als allmächtige Kraft wird vermutlich wirklich die Schubkraft für
die vorübergehende Heilung abgegeben haben. Das Schicksal des Freigeistes Mesmer
im kaiserlichen Wien, in dem das Bürgertum resigniert die imperiale Herrschermacht
ertrug, liest sich auch heute noch beklemmend. Bankhofer ist ein Schreibprofi,
der die süffige Geschichte für ein möglichst breites Publikum aufbereitet. So
gelingt es ihm, zum Wiener Erinnerungsboom Marke Sisi ein authentisches Stück
beizutragen, das unangenehme Zeiterscheinungen nicht verschweigt. Zugleich schafft
er damit die Grundlage für ein Filmskript für deutsche Produktionsgesellschaften,
die nach der tausendsten Verfilmung von Rosamunde-Pilcher-Romanen ein geeignetes
Sujet mit historischem Hintergrund suchen.
(Berndt Rieger; 04/2005)
Hademar Bankhofer: "Der Wunderheiler der
Kaiserin"
Amalthea, 2005. 224 Seiten.
ISBN 3-85002-528-4.
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Lien zur Netzseite Professor
Hademar Bankhofers:
https://www.bankhofer.at/.
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