Michaela Wiesner-Bangard, Ursula Welsch: "Lou Andreas-Salomé"
... wie ich Dich liebe, Rätselleben
Eine Biografie
"Der Wille
zum Geistreichen führt nie zum Letzten einer Einsicht, das tut nur der Wille zum
Simplen."
Lou Andreas-Salomé - ein Name, um den sich Geschichten ranken. Ein Name, der gerne
mit anderen, großen Namen in Verbindung gebracht wird. Ein Name, der für eine
ungewöhnliche Frau der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert steht. Eine Frau, deren freier,
selbstgewählter Lebensentwurf nicht nur für die damalige Zeit ungewöhnlich,
irritierend und auch ungemein befreiend erscheint.
In ihrer Biografie entwerfen Michaela Wiesner-Bangard und Ursula Welsch das Bild einer
höchst vielseitigen und vielschichtigen Frau, die für Männer wie
Rainer Maria Rilke,
Friedrich Nietzsche,
Sigmund Freud u.A. Quelle der Inspiration, der
Irritation, der Verzweiflung - und des Lebens wurde.
Als jüngste Schwester von vier Brüdern in eine aristokratische Familie Russlands geboren,
erlernte Lou Andreas-Salomé einen ungezwungenen Umgang mit Männern, den sie bis
an ihr Lebensende beibehielt und der sie deutlich von anderen Frauen ihrer Zeit
unterschied. Weder in ihrer persönlichen Freiheit noch in ihren Anschauungen,
philosophischen Denkweisen oder Lebensentwürfen ließ sie sich je beschneiden
oder gar manipulieren.
Mit viel Feingefühl rekonstruieren die beiden Autorinnen das Leben
dieser eindrucksvollen Frau - der Schriftstellerin und Philosophin, der
Ehefrau und Geliebten, der Freundin, Schülerin und
Psychoanalytikerin. Es geht ihnen dabei um eine ganzheitliche
Wahrnehmung der Person und nicht um eine simple Reduktion auf einzelne
Anteile. Mit viel Einfühlungsvermögen rekonstruieren sie auch
Lous Beziehungen zu den Menschen, die ihren Lebensweg prägten und
maßgeblich mitgestalteten. Darunter finden sich Namen wie
Friedrich Nietzsche, Paul Rée, Sigmund und Anna Freud, Frieda
von Bülow, ... und Carl Andreas, ihr Ehemann.
Ausgehend von der Kindheit in
St. Petersburg über ihre Jugend in der Schweiz, Deutschland
und Frankreich beschreiben Wiesner-Bangard und Welsch die einzelnen
Lebensabschnitte. Als Grundlage dafür dienen erhaltene Briefe, Tagebuchnotizen
und Notizen von Lous Zeitgenossen. Auf verständliche Art und Weise gelingt es
ihnen dadurch, Lous Entwicklungen zu schildern, sowohl was ihre Persönlichkeit,
als auch ihr kreatives Schaffen und ihre Profession betrifft.
Mit ihrer Biografie entführen die beiden Autorinnen in die Zeit rund um die
Jahrhundertwende, eine Zeit der geistigen Erneuerung. Zugleich entführen sie in
ein Milieu des Intellekts, das der Nährboden für Lou Andreas-Salomés
eigenständigen Esprit war. Hat sie sich doch mit ihrer Offenheit und Neugier auf
jeder ihrer zahlreichen Reisen Zutritt zu den intellektuellen Zirkeln ihrer
Destinationen verschafft.
Das Wissen um die eigenen Grenzen und Bedürfnisse scheint der Schlüssel zu sein, zu einem
selbst gewählten "Rätselleben".
(Judith Reitstätter)
Michaela Wiesner-Bangard, Ursula Welsch: "Lou Andreas-Salomé. ... wie ich Dich liebe, Rätselleben. Eine Biografie"
Reclam, 2008. 296 Seiten.
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