Bernd Brunner: "Eine kurze Geschichte der Bären"
Was Sie schon immer über Bären wissen wollten
Bei
Bernd Brunners Bärenbuch handelt es sich im wesentlichen
um eine Kulturgeschichte, geht es doch den Fragen nach, wo der
Bär im Kulturgut des Menschen Spuren hinterlassen hat, wie
sich im Lauf der Zeit des Menschen Blick auf seinen
einzelgängerischen Verwandten geändert und sich
überhaupt deren Beziehung von den Anfängen bis in
unsere Tage gestaltet hat.
Zahlreiche Quellen von der Antike bis ins
frühe 20. Jahrhundert werden dabei vom Autor
angeführt und ausführlich kommentiert: recht wilde
Theorien sogenannter Bärenforscher früherer Zeiten,
oft ebenfalls ziemlich merkwürdige, wenn auch vermutlich in
ihrer Mehrzahl authentische Begebenheiten von Begegnungen zwischen
Bär und Mensch, Sagen, Reiseberichte und manches mehr.
Anschaulich untermalt wird das Textliche von bärigen
Abbildungen auf beinah jeder Seite, beginnend mit der auf etwa 35000 Jahre
geschätzten berühmten Höhlenmalerei von
Chauvet in Südfrankreich und endend mit dem "Tanz mit
Bär" von Leo Putz aus dem Jahre 1904. Der im Untertitel
erwähnten Kürze fielen leider die südlichen
Bärenarten zum Opfer (mit Ausnahme eines Pandabär-Kapitels), und da auch Schwarzbär und
Eisbär (welcher letzterer, man möchte es kaum
glauben, sich vom Braunbären erst vor etwa hunderttausend
Jahren abgespaltet hat) wenig erwähnt werden, dreht sich das
Buch somit fast ausschließlich um den Ursus arctos in seinen
Varianten Braunbär und Grizzly. So sehr nun das Fehlen von
Kragenbär, Nasenbär und wie sie sonst alle
heißen, auch schmerzen mag, der Leserfreundlichkeit des Buches gerät
diese Beschränkung sehr zum
Vorteil, es liest sich kurzweilig und amüsant, zumal es mit
skurril-anekdotischem Material keineswegs geizt.
Ins Auge springend, besonders in unseren menschenaffenlosen
Regionen, war seit jeher die relative Menschenähnlichkeit des
Bären. Als ein Wesen von stattlicher Größe,
das sich auf die Hinterbeine zu erheben vermag, dazu noch ein
Allesfresser mit starkem Hang zu Delikatessen wie
Honig
und Lachs, hat der Bär viel Anlass gegeben zu Spekulationen
nach einer
gemeinsamen Herkunft. Dies bestätigen Namen wie z. B. "Der kleine Onkel" und
"Der große Haarige" (Huzulen der Karpaten), "Der alte Mann
mit dem Pelzgewand" (Lappen), "Alter Mann", "Goldfuß",
"Zwölf Männer Stärke" (Schweden)" ebenso wie
zahlreiche Mythen und Sagen, wobei nicht selten hinter einem
Bären tatsächlich ein einstiger Mensch steckt, ja
manchmal sogar, wie beim Sternbild "Großer Bär", ein
liebreizendes
Nymphlein.
Rechnet man nun dieser
Menschenähnlichkeit noch das Fänomen der
Ausdrucksarmut des Bären hinzu, erscheint es nicht weiter
verwunderlich, dass bei der Beurteilung des Bärencharakters
bzw. der Bärenseele mehr als bei jedem anderen Tier die
Zufälligkeiten isolierter Beobachtungen und unbewusste
Projektionen der Beobachtenden den Ausschlag gegeben haben - von "sehr
klug, vorsichtig, und verschlagen" bis hin zu "ein
tölpelhafter und geistloser Gesell" (Alfred Brehm) reichen die
diesbezüglichen Urteile.
Den Irrtümern in der
Bärenforschung ist ein eigenes Kapitel gewidmet, die
beiden wichtigsten Anlässe zu Fehlinterpretationen waren die
Frage, wovon der Bär im Winterschlaf denn zehre (auf die
lange Zeit weitverbreitete Meinung, seine Sohlen und Tatzen
würden Fett absondern, geht vermutlich die Redewendung "sich
etwas aus den Fingern saugen" zurück), und das Rätsel
um seine Paarungszeit (in Unkenntnis dessen,
dass es nämlich einige Monate dauert, bis sich die
befruchtete Eizelle in der Gebärmutterwand festsetzt).
Weitere Kapitel widmen sich den
Erfahrungsberichten von unvermuteten Bärenbegegnungen, guten
Ratschlägen, wie man unversehrt aus solchen hervorgeht,
Rätseln um den verschwundenen eiszeitlichen
Höhlenbären und um den ebenfalls
verschwundenen afrikanischen Bären, der Bärensprache
(den verschiedenen klanglichen Äußerungen), dem
Eingang
des Bären in die menschliche Sprache (sehen Sie sich nur
einmal
den Vornamen des Autors genauer an!) oder den Erfahrungen,
die mit der versuchten Aufzucht und Haltung von Bären gemacht
wurden (im Osten Sibiriens ist die Domestizierung am weitesten
gediehen, allgemein aber gilt: je größer die Viecher
werden, desto problematischer gestaltet sich das Zusammenleben).
Ein recht trauriges
Kapitel ist jenes vom Missbrauch des Bären als Schauobjekt im
Zirkus, als Kampf- und Tanzbär, und die Tatsache der
jahrtausendelangen, beinah bis zur Ausrottung in Europa
führenden Bärenjagd. Doch auch hier lockern
immer wieder heitere Geschichten den Ernst etwas auf, etwa die ziemlich
fiese Methode mancher russischer und polnischer Jäger, mit
Branntwein versetzten Honig auszulegen, was in der Folge denn als
Bärensammeln bezeichnet werden könnte. In
Mitteleuropa spricht der Rückgang der Bärenpopulation
über die Jahrhunderte eine klare Sprache, die erst in
jüngster Zeit unternommenen vorsichtigen Versuche einer
Wiederansiedelung
werden vom Autor nicht mehr thematisiert. Bezeichnend, dass in dem
Maß, wie der Bär aufhörte, eine reale
Gefahr zu sein, seine Verniedlichung einsetzte: 1902 erblickt der
Teddybär in Amerika das Licht der Welt, ein Jahr
später wird der Steiffbär auf der Leipziger
Spielwarenmesse vorgestellt, jünger zwar, jedoch politisch korrekter,
schließlich galt Theodore (Teddy) Roosevelt als
leidenschaftlicher Bärenjäger, und soll er dabei
immerhin, wie man sagt, waidmannsgerecht vorgegangen sein, kann dies
von seinen sauberen
Söhnen nicht behauptet werden, die eigens zu dem Zweck, dort
als die ersten
einen Pandabären abzuknallen, nach China reisten.
Wie es weitergeht mit Meister Petz und der Krone der Schöpfung, wird die Zukunft weisen,
der Autor jedenfalls schließt seinen geschichtlichen
Streifzug betont nüchtern (was nach
der über weite Strecken vergnüglichen
Lektüre
kein Vorwurf sein soll) und anbetracht der Geschwindigkeit menschlichen
Sichvermehrens vielleicht
auch ein wenig naiv: der Bär interessiere sich nicht
für den Menschen, um Konfrontationen zu vermeiden, sollten
sich die beiden am besten aus dem Weg gehen.
(fritz; 06/2006)
Bernd Brunner: "Eine kurze Geschichte der
Bären"
Claassen, 2005. 204 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Ornithomania. Geschichte einer
besonderen Leidenschaft"
Wahre Passion kennt keine Grenzen: Das Buch für alle Vogelliebhaber und die, die
einen solchen kennen.
Bernd Brunner (der bis vor kurzem übrigens
Vögel bedrohlich und ihr Geflatter
enervierend fand) hat den faszinierenden Viten derer nachgeforscht, die von
Vögeln so fasziniert waren, dass sie ihnen ihr Leben verschrieben - von
moderaten Exemplaren wie Friedrich II., 1194-1250, (dem ersten großen
Ornithologen und Falkner auf dem Thron)
über
Leonardo da Vinci (dem Entwickler der ersten Flugapparate),
Charles Darwin
(der keineswegs den Finken, sondern den von ihm aus aller Welt gesammelten
Tauben die entscheidenden Ideen zur Evolution verdankte) bis zum Konrad Lorenz,
der die Rolle einer Gänsemutter übernahm.
Freilich gab es auch extremere Formen: Phoebe Snetsinger etwa, eine Millionärin,
die nach einer Krebsdiagnose beschloss, ihr restliches Leben ausschließlich dem
Beobachten möglichst vieler Vogelarten in der Natur zu widmen - als sie starb,
hatte sie mehr Vogelarten gesehen als je ein Mensch vor ihr; Kriminologen, die
mit ornithologischen Kenntnissen Fälle lösten; Papageiensammler, die die
natürlichen Populationen des Objekts ihrer Begierde an den Rand des Aussterbens
brachten; bis zu Vogelschützern, die regelrechte Feldzüge zum Wohle ihrer
Schützlinge führten, oder Anderen, die für ihre Passion sogar betrogen, mordeten
oder starben.
"Ornithomania" verharrt dabei nicht im Anekdotischen - en passant erzählt Bernd
Brunner die Geschichte der Ornithologie und vermittelt Staunens- und
Wissenswertes aus der Welt der Vogelkunde. (Galiani)
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