Paul Badde: "Das Göttliche Gesicht"

Die abenteuerliche Suche nach dem wahren Antlitz Jesu


Wohl zu keiner Zeit hat es weniger Interesse am Auftauchen einer christlichen Reliquie gegeben als heute. Das liegt nicht nur an einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber Religion im weitesten Sinne.

"Wir haben schon genug Probleme mit dem Sindone." Diese Meinung des Forschers über das Turiner Grabtuch Ian Wilson wird sicher von  fast allen Zeitgenossen, ob Laien, Fachleute, Gläubige oder Skeptiker, uneingeschränkt geteilt werden.

Der Autor vertraute jedoch statt dessen den Worten eines alten Jesuitenpaters:
"Das Grabtuch ist das eine, die wahre Entdeckung aber ist ein anderes Bild in einem unbekannten Städtchen in den Abruzzen. Das ist das wahre Bild! Das Turiner Tuch ist erst das erste. Die wahre Sensation wartet in Manoppello."

Solange es das Christentum gibt, ist das Gerücht um die Existenz eines beinahe fotografischen Abbildes des Antlitz Christi niemals verstummt. Das sogenannte Schweißtuch der Veronika wurde von Abertausenden Pilgern als kostbarste Reliquie der Christenheit verehrt. Im ab 1506 erbauten Petersdom wurde ihm ein Pfeiler als Tresor gewidmet, wohin es jedoch erst 1608 nach Abriss der alten Veronika Kapelle verbracht wurde. Danach verliert es sich im Dunkel der Geschichte und taucht erst in der Gegenwart in Manoppello wieder auf.

Die abenteuerliche Geschichte dieses Muschelseidentuches hat der deutsche Historiker und Journalist Paul Badde, seit 2000 Korrespondent der WELT, zunächst in Jerusalem, heute in Rom mit detektivischer Akribie nachgezeichnet. Nach seinem Aufsehen erregenden Sachbuch "Maria von Guadelupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Maria Weltgeschichte schrieb" ist ihm "Das göttliche Gesicht", einer überarbeiteten Neuauflage des Titels "Das Muschelseidentuch" von 2005, erneut ein großer Wurf gelungen. In der wohl abenteuerlichsten und folgenreichsten Recherche seines Lebens weist er zwingend nach, dass es sich tatsächlich um ein authentisches Abbild Jesu handelt.

Wir wissen also wie Christus aussah - und nicht nur wir. Der Bildteil von Baddes Buch belegt, dass das Heilige Tuch auch den bildenden Künstlern bis ins ausgehende 16. Jahrhundert bekannt war. Selbst Dürers berühmtes Nürnberger Selbstporträt aus dem Jahr 1500 zeigt unverhohlene Anspielungen auf die Züge Christi.

Die Gründe des Vatikans, im Zusammenhang mit dem Turiner Grabtuch oder dem Tuch von Manoppello wesentliche Sachverhalte vorsichtig ausgedrückt eher zu verunklaren als zu erhellen, erscheinen mannigfaltig; sie zeigen sich jedoch beim Grabtuch, welches nach neuesten Untersuchungen keinen Kontaktabdruck darstellt, sondern ca. zwei Tage nach dem Tod des darin Gewickelten auf energetische Weise mit dem berühmten Abbild versehen wurde und welches daher nicht nur als Beleg für die Existenz Christi, sondern sogar für dessen Auferstehung herangezogen werden kann, mit noch deutlicherer Schärfe. Im Wesentlichen dürften sie im Verlust des Glaubensmonopols und im Widerstand der Synkretisten liegen, aber das ist eine andere Geschichte. Sie wäre sicher auch ein Buch wert.

(Franz Lechner; 08/2006)


Paul Badde: "Das Göttliche Gesicht"
Pattloch, 2006. 336 Seiten.
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Paul Badde, geboren 1948, ist Historiker und Journalist. Nach Jahren bei der "FAZ" ist er seit dem Jahr 2000 Korrespondent der "WELT", zunächst in Jerusalem, heute in Rom und beim Vatikan. Zu seinen Bucherfolgen zählen "Jerusalem, Jerusalem" (1998), "Die himmlische Stadt" (1999) und das von ihm übersetzte und herausgegebene Werk "Jossel Rakovers Wendung zu Gott" von Zvi Kolitz. Zuletzt erregte er Aufsehen durch sein Sachbuch "Maria von Guadelupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Maria Weltgeschichte schrieb" (2004).

Weitere Bücher des Autors (Auswahl) und ein Buchtipp:

"Maria von Guadalupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb"

Mexiko 1531: Die Jungfrau Maria erscheint dem Indio Juan Diego und hinterlässt ihr Bildnis auf seinem Poncho. Vor allem aufgrund dieser Begebenheit traten die Einwohner Mittel- und Südamerikas zum Christentum über. Paul Badde erzählt in seiner spannenden Reportage die fantastische Geschichte einer Erscheinung, die die Weltgeschichte veränderte. (Ullstein)
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"Die himmlische Stadt. Der abendländische Traum von der gerechten Gesellschaft"
Der Traum von der gerechten Gesellschaft, der am Ende der Offenbarung des Johannes das Neue Testament abschließt, durchzieht die Geschichte Europas wie ein roter Faden. Es ist die Vorstellung vom heiligen Jerusalem als Sinnbild der himmlischen Stadt: Kein Unrecht und kein Übel findet Einlass an diesem Ort. Kein Herrscher darf sich über seine Untertanen erheben. Paul Badde erzählt die fast zweitausendjährige Geschichte des Abendlandes in fünfzig Schlüsselszenen. Er führt uns durch das Haus Europa wie durch ein Museum, von Gemälde zu Gemälde. (Luchterhand Literaturverlag)
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Zvi Kolitz: "Jossel Rakovers Wendung zu Gott"
Das fiktive Testament eines Warschauer Juden, aufgeschrieben in der Stunde seines Todes, versteckt in einer leeren Flasche, gefunden in den Trümmern des Warschauer Ghettos. Dieser Text, der seit seinem Erscheinen immer wieder die Herzen der Menschen berührte, wurde von Paul Badde aus dem Jiddischen übertragen und liegt in einer zweisprachigen Ausgabe vor. Tomi Ungerer hat sich von Zvi Kolitz’ Geschichte zu intensiven, eindrucksvollen Bildern inspirieren lassen. (Diogenes)
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