André Heller, Julia Kospach: "Augenweide. Der Garten der Gärten"
Ein
opulenter Bildband über die schönsten Gärten
der Welt
Eine wahre Augenweide ist der Bildband von
André Heller und Julia Kospach. In einem vierhundert Seiten
umfassenden Buch finden sich neben unzähligen Abbildungen
einige wenige Seiten, die den Worten gewidmet sind. Das Buch zeigt
einen neuartigen Aufbau, indem es zuerst die Betrachtenden (die
Begriffe "Leser" oder "Leserin" sind für dieses Werk nicht
mehr die angemessenen Bezeichnungen) durch das Medium des Bildes in die
ersten Gärten einführt. Erst wenn die Schauenden das
Schauen gewohnt sind, kommen die ersten, dem Wort gewidmeten Seiten.
Ausgesuchte Zitate, die das Bild des Gartens oder das, was er
auszulösen imstande ist, in abstrakte Worte verwandeln. Jedoch
sind die Zitate wohl eingebettet zwischen Seiten, die nicht zu lesen,
sondern zu betrachten sind. Durch das Schauen der Gartenbilder und das
Lesen der Zitate besänftigt, kommt man zu den wenigen Seiten
Text, die sich Heller und Kospach gegönnt haben.
In seiner allen beseelten Lebewesen
gegenüber freundlichen Einstellung übt er Kritik am
ersten Gartenschöpfer in folgender Weise: "Für den
ersten bedeutenden, mir bekannten Gartenbesitzer halte ich den
biblischen Gott, der so heikel auf sein
Paradies
war, dass er wegen des widerrechtlichen Genusses eines einzigen seiner
Äpfel unter mehr als fadenscheinigen Begründungen die
sofortige Schließung des Territoriums für Besucher
veranlasste. Dies ist allerdings nicht vorbildlich. Das Schöne
und Gelungene muss man, so werde ich nicht müde zu glauben,
mit anderen teilen. Erst dann wird es in einem höheren Sinn
wahr. Wir aus dem Paradies Vertriebene haben
naturgemäß Heimweh danach. Wie alle Entwurzelte sind
wir auf der steten Suche nach dem abhanden gekommenen Glück.
Was läge näher, als es aus eigener Kraft noch einmal
herstellen zu wollen."
Und so begaben sich die Autoren auf die Suche nach
Gärten und trugen Tausende Fotografien von 47 Anlagen
zusammen, aus denen sie schließlich das vorliegende Werk
schufen, um das Schöne und Gelungene mit Anderen zu teilen.
Dieses Buch dient in erster Linie sicher nicht dazu, analytische Daten
von Gärten zu präsentieren. Es ist auch kein Buch,
das eine Anleitung geben kann, wie man sich einen schönen
Garten zulegen und diesen planen kann. Kospach gibt uns
diesbezüglich eine erste Idee, wenn sie meint: "Am Anfang ist
ein Garten nicht mehr als ein Raum voller Ideen und Träume."
Und so ist auch dieses Buch gestaltet. Es führt den Schauenden
eine Vielzahl verschiedener Ideen vor Augen, was alles Garten sein
kann, welche Blickwinkel auf ihn möglich sind. Und haben sich
Heller und Kospach erst einmal zu Wort gemeldet, so schweigen sie auch
schon wieder und lassen Raum für das Schauen und Staunen.
Die Bilder laden erst einmal zur reinen Beobachtung
ein. "Das Leben unter den Pflanzen ist eine große Schule des Schauens",
meint Kospach. Es ist nicht unser Kopf, der zuerst
angesprochen wird, es sind unsere Gefühle. Denn jedes Wort
würde sofort eine Analyse anregen. Bei Bildern, die einfach
für sich stehen, müssen wir auf unsere Intuition
hören. Und so eignen sich diese Bilder hervorragend
dafür, sie erst einmal zu betrachten und auf sich wirken zu
lassen. Natürlich beginnen wir früher oder
später damit, uns zu fragen, aus welchem Garten dieses Detail
stamme, um welche Pflanze es sich handle, wer der Gestalter oder die
Gestalterin dieser Gartenpracht sei. Dies ist nur allzu menschlich.
Aber wesentlich bleibt, dass die Bilder zuerst zur Schau anregen, und
somit die Reise durch das Buch durchaus mit einer Meditation verglichen
werden kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der durch dieses Buch
verdeutlicht wird, ist unsere moderne Art und Weise der
Wahrnehmung.
Der moderne Mensch von heute ist in der Lage einzelne Bilder, die in so
gut wie keinem Zusammenhang zueinander stehen, zu verbinden und wieder
ein Ganzes daraus zu gestalten. In Fachkreisen als kaleidoskopische
Wahrnehmung bezeichnet, findet sie in erster Linie im Internet ihre
Anwendung, wo durch Liens eine ganz neue Lesart entsteht. Texte werden
nicht mehr in einem von oben nach unten gelesen, sondern man springt
zwischen Texten hin und her, wodurch etwas Neues entsteht. Und so
bewegt man sich auch in diesem Buch vorwärts. Einerseits folgt
dem Bild von einem Felsdurchgang ein Bild eines
Bambuswäldchens
und diesem das Bild eines
Zen-Gartens. Keines dieser Bilder
hängt mit den übrigen ursächlich zusammen.
So kann man das Buch auch wahllos aufschlagen und etwa der Seite
achtundsiebzig die Seite fünfzehn oder jede andere folgen
lassen. Es macht keinen Unterschied.
Heller und Kospach lassen die Betrachtenden jedoch
nicht mit den Bildern alleine. So bewusst sie sich sind, dass jeder
Text, jede Erläuterung auf der Seite des Bildes vom reinen
Schauen ablenkt, so verzichten sie nicht vollständig darauf.
Sie verlegen die Informationen zu den fotografierten Gärten
und einzelnen Bildern an das Ende des Buches, wo sie unsere analytische
Natur befriedigen, ohne zuvor im Weg gewesen zu sein. Man kann dieses
Buch zum Schauen, Schwelgen und Meditieren nur empfehlen.
André Heller wurde
1947 in Wien geboren. Er zählt zu den einflussreichsten und
erfolgreichsten Multimediakünstlern der Welt.
Julia Kospach, geboren 1968, ist Literaturredakteurin des
österreichischen Nachrichtenmagazins "profil", Rezensentin und
Kolumnistin.
(Dr. Hans-Peter Oberdorfer; 08/2003)
André
Heller, Julia Kospach: "Augenweide. Der Garten der Gärten"
Gebundene Ausgabe:
Brandstätter Verlag, 2003. 400 Seiten.
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Broschiert:
dtv, 2003.
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Weitere Lektüretipps:
André Heller: "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein"
Eine Erzählung.
André Heller greift Szenen und Begebenheiten seiner Kindheit auf und verwandelt
sie in die Geschichte eines Jungen mit funkelnder Fantasie. In einem
Asbest-Anzug als erster Mensch
in
das Innere des Vesuvs hinabzusteigen, um in der glühenden Lava nach
Feuerfischen zu suchen, das ist einer von Pauls Plänen. Ein anderer:
Weltmeister im Unsichtbarsein. Doch zuvor muss er dem erzkatholischen Internat
entfliehen. Als Pauls Vater, der Süßwarenfabrikant und Kommerzialrat Roman
Silberstein, zu Tode kommt, darf der Junge in das Elternhaus zurückkehren.
Zugleich reisen die jüdischen Onkel aus Übersee zum Begräbnis an und übertreffen
einander im Schildern von Anekdoten aus dem merkwürdigen Leben der
Silbersteins, einer mondänen und sonderbaren Familie, in der die versunkene k.
u. k. Welt weiterlebt. André Heller schreibt eine poetische Erinnerung an ein
Kind, eine Industriellendynastie und die schillernde Gesellschaft des Wiener Großbürgertums.
(S. Fischer)
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"Liebesgedichte an Frauen"
Ausgewählt von André Heller. Mit einem Nachwort
von
Elke Heidenreich.
"Du, du, du bist mein einziges Wort, / du, du, du heißt alles",
heißt es in einem Lied von André Heller. Sie hört nicht auf, ist unendlich -
die Liebe. Ob glücklich oder unglücklich, sie gehört zu den Grunderfahrungen
unseres Lebens und daran hat sich auch in den vergangenen mehr als zweitausend
Jahren nichts geändert. Die Liebe der Dichter zu den Frauen hat viele der
wunderbarsten Werke hervorgebracht, die die Lyrik zu bieten hat. André Heller
hat für den vorliegenden Band die schönsten Liebesgedichte an Frauen ausgewählt. (Insel)
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