Elke Heidenreich: "Auf vier Pfoten in den Himmel"

Tierfriedhöfe in Frankreich, England und Deutschland


"Unsere Freunde die Hunde fügen uns nur durch ihren Tod Schmerz zu." (Pascal)

Dass sich der Totenkult in der Geschichte menschlicher Hochkulturen nicht immer nur auf die sterblichen Überreste von Menschen beschränkte, muss an dieser Stelle wohl nicht näher ausgeführt werden. Eher jüngeren Datums ist jedoch das kulturhistorische Phänomen, dem eigenen Haustier eine Grabstätte gleich dem Menschen zu errichten und an dieser sodann einen ähnlich liebevollen Gedenkdienst zu zelebrieren, wie es für verblichene Artgenossen der Brauch ist. Die ältesten Tierfriedhöfe in Europa datieren aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, wenngleich auch die allfällige Praxis des würdigen Bestattens vierbeiniger Lieblinge schon älteren Datums ist, wovon der Dichter Lord Byron mit einem Grabspruch für seinen Neufundländer namens Boatswain ein beredtes Zeugnis gibt:
"Hier ruhen die Gebeine von einem, der Schönheit besaß ohne Eitelkeit, Stärke ohne Übermut, Mut ohne Wildheit und alle Tugenden des Menschen ohne seine Laster. Dies Lob, unpassende Schmeichelei wär’s, über menschliche Asche geschrieben; nur ein gerechter Tribut ist es zum Andenken an Boatswain, einen Hund, der geboren war auf Neufundland im Mai 1803 und starb zu Newstead Abbey am 18. November 1808."

Der Fotograf Torbjörn Karvang und die Texterin Barbara Feyerabend geleiten uns nun mit ihrem jüngst erschienenen Buch auf einen kleinen, reich illustrierten Ausflug durch vier mehr oder minder prominente europäische Tierfriedhöfe, welche exemplarisch für Hunderte solcher Einrichtungen am alten Kontinent stehen. Es handelt sich hierbei um den Pariser Tierfriedhof in Asnières "L île aux chiens", den Londoner Tierfriedhof im Hyde Park "Hyde Park Pet Cemetery", und, stellvertretend für mittlerweile schon Hunderte deutsche Tierfriedhöfe, jene in Nürnberg und Dortmund.

Jede dieser letzten Ruhestätten hat ihren eigenen unverwechselbaren Charakter. So quillt der Friedhof von Asnières teils vor geschmacklosem Kitsch über, doch teils überzeugt er durch die schlichte oder bemüht kunstsinnige Gestaltung tief empfundenen Abschiedschmerzes und unterscheidet sich in dieser Hinsicht auch äußerlich kaum von vergleichbaren Menschenfriedhöfen. Hier haben auch die Lieblinge prominenter Größen aus Politik und Kultur ihre letzte Ruhestätte gefunden, und die örtliche Polizei dankt mit einem 1912 errichteten Denkmal ihren Polizeihunden "DORA" und "TURC" für zehn Jahre treue Dienste und würdigt den für seine Leistungen mehrfach ausgezeichneten Hund "TOP" sowie "LEO", der im Dienst getötet wurde.
Von britischer Schlichtheit geprägt zeigt sich hingegen der Friedhof im Hyde Park, dessen Gründung auf ein pompöses Begräbniszeremoniell für den Malteser-Terrier "CHERRY" am 28. April im Jahre 1881 zurückzuführen ist. Dieser alte Friedhof hat heute nur noch musealen Charakter und ist für Neuzugänge weitestgehend gesperrt.
Voll der Blütenpracht präsentieren sich abschließend die deutschen Tierfriedhöfe in Nürnberg und Dortmund. Man vermeint eine Bundesgartenschau vor sich zu haben, wären da nicht auch noch die Grabsteine, die von den kleinen Geschöpfen berichten, welche hier zur letzten Ruh eingeerdet sind.
Allen diesen Friedhöfen gemeinsam ist das Fehlen von religiösen Symbolen wie zum Beispiel Kreuzen oder ewigen Lichtern. Die katholische Kirche verbietet dies mit dem Argument, dass Tiere nicht religiös sein können, weshalb ihnen auch keine religiösen Symbole zustehen. Nichtsdestotrotz gilt der heilige Franz von Assisi mit seinem gelebten Glauben an die Gleichheit aller Kreaturen als Begründer der Tierschutzidee. Womit er der Rechtstradition der katholischen Kirche und des römischen Rechts zuwiderhandelte. Ein Rebell der Liebe.

So viel überschäumende und zuweilen fast schon lächerliche Tierliebe, wie sie sich auf den Tierfriedhöfen darstellt, und in unserem Buch fotografisch dokumentiert ist, verlangt natürlich geradezu zwingend eine klärende Erläuterung, allein schon um die trauernden Hinterbliebenen vor einem sich allzu heftig aufdrängenden Hohngelächter zynisch geneigter Zaungäste zu schützen, denn der Schmerz, der sich vor unser aller Augen manifestiert, ist echt und tief empfunden. Wenig geeignet scheint mir zu diesem Zweck das zum Glück recht knapp gehaltene, doch umso mehr von Pathos triefende, Vorwort der ehemaligen Filmdiva und heutigen Tierschützerin Brigitte Bardot, die da in etwa auszugsweise schreibt: 
"Grabstätten sind die Ruhestätten der Seele und des Körpers, geheimnisvolle Orte der Erinnerung, wo wir dieser kleinen Wesen, die einen Teil unseres Herzens mit sich genommen haben, noch gedenken, ihnen noch nahe sein, ihre Seele noch liebkosen können. Es ist eine ewige Liebe, die zwischen Tieren und den Menschen, die sie geliebt haben, besteht. Es ist normal, schön und beispielhaft, dass wir diese kleinen Friedhöfe der Liebe wie Oasen in unsere Welt aus Gewalt und Hass streuen."

Nun ja. Und an einer anderen Stelle schreibt die Bardot von "der legendären Treue und der bedingungslosen Liebe" des Tieres zum Menschen. Charaktereigenschaften, die in solcher Art das Tier moralisch über den Menschen erheben würden, wären sie in der Tat nicht eher Ausdruck einer poetischen Schwärmerei, denn Beleg einer Wirklichkeitsbeschreibung. Diese anthropozentrische Betrachtung des tierischen Wesens scheint mir allemal noch höchst zweifelhaft und gemahnt mich an Pascal, der da meinte: "Je mehr ich die Menschen sehe, desto mehr liebe ich meinen Hund." Oder auch an Victor Hugo: "Der Hund ist die Tugend, die nicht Mensch werden konnte, und daher zum Tier wurde." - Womit sich einmal mehr eine moralisierende Überhöhung des Tieres als Abgesang auf den Menschen darstellt. Ein liebendes Gemüt wird jenen angedichtet, denen der übermütige Begriff von der Liebe in jener Art doch unbekannt sein muss, wie sie dem allezeit romantisierenden Menschen in seiner Fantasie vorschwebt. Kreatürliche Anhänglichkeit, die auch Abhängigkeit vom Wohltäter ist, wird schlicht und einfach zur Liebe verfälscht. Und eine zur Misanthropie ausgewachsene Enttäuschung über den Menschen klingt allemal noch durch, wann immer die Rede auf das tugendsame Tierwesen verfällt.

Fulminant und tiefsinnig präsentiert sich hingegen der einleitende Essay "Gedanken zur Tierliebe" von Elke Heidenreich, die ausführt - es liest sich fast wie eine Replik auf das Vorwort der Bardot -, dass wir Menschen allzu sehr dazu neigen, die Tiere in Sachen Treue, Moral, Charakter an unserem eigenen Maßstab zu messen, wobei wir regelmäßig verkennen, dass sie keine verkleinerten Menschen auf vier Pfoten sind. Heidenreich stellt klar, dass Tiere immer Tiere mit ihren eigenen Instinkten bleiben, so sehr sie auch immer in die Welt des Menschen hinein genommen sein mögen.
Die Essayistin verschweigt in diesem Zusammenhang nicht, wie zwiespältig und inkonsequent sich Tierliebe oft gebärdet. Gar mancher vergöttert seinen Pudel an dessen Grabstätte, doch zeigt er sich zugleich ignorant gegenüber dem Artensterben und dem Leid von so genannten Nutztieren oder von jenen entwürdigten Kreaturen, die als Zirkustiere ein johlendes Publikum mit lächerlichen Kunststückchen unterhalten müssen. Und doch sind gerade Tierfriedhöfe als Orte wenn auch einer oft hilflosen Liebe zu respektieren. Eben dieser Liebe sollte man den ihr gebührenden Respekt - bei aller Befremdung, die sie im Betrachter auslösen mag - nun doch nicht verweigern. Nehmen wir die Liebe zur Kreatur wo immer und wie immer sie sich zeigt und hoffen wir, sie möge zum allgemeinen Maßstab einer höheren Tierethik werden und nicht den Blick auf die Leiden und Qualen anderer Tiere einfach nur ausblenden. In diesem Sinne appelliert Heidenreich an unser ethisches Empfinden: "Nicht jedes Tier muss von uns geliebt, aber jedes sollte wenigstens in minimalen Grenzen von uns geachtet werden." - Zugleich ein schönes Schlusswort, das sich von selbst empfiehlt.

(Harald Schulz; 03/2003)


Elke Heidenreich: "Auf vier Pfoten in den Himmel"
Fotografien von Torbjörn Karvang.
Herausgegeben von Barbara Feyerabend.
Brandstätter, 2003. 80 Seiten, mit ca. 70 Farbabbildungen.
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