Memo Anjel: "Das meschuggene Jahr"
Ein Jahr im Leben einer jüdischen Familie
Heimweh nach Jerusalem - ungewöhnliche Wege aus der Diaspora
Die Zeit der Diaspora war für viele Juden ein leidvolles Thema, aus der Sicht
von Kindern bekommt sie aber manches Mal ungewöhnliche Züge. Memo Anjel zeigt
in seinem Buch "Das meschuggene Jahr" auf, wie man der Fremde auf ungewöhnliche
Weise entflieht und heimkehrt
nach
Israel.
Wenn man in der Fremde aufwächst und die wahre Heimat nur aus blumigen Erzählungen und durch Postkarten sowie
Nippesfiguren kennt, werden der Wunsch heimzukehren und das Bild des Zieles oftmals kurios verfremdet.
Memo Anjel stellt in "Das meschuggene Jahr" eine jüdische Großfamilie
in der Diaspora um das Jahr 1953 herum in
Kolumbien aus dem
unvoreingenommenen Blickwinkel eines Kindes mit viel
Humor dar.
Gerade die kindliche Perspektive macht den besonderen Reiz dieses Buches aus.
Dass es sich bei der Familie um
eine jüdische handelt, macht es noch interessanter, denn wer konnte schon
einmal einen solchen intimen Blick gewissermaßen "hinter die Kulissen" werfen.
Gegensätze wie Gottlosigkeit und Gottesfürchtigkeit, Liberalismus und Orthodoxie, Sittenverfall und Tradition
finden in diesem Buch nebeneinander Platz. Gerade diese Mischung verleiht der Lektüre einen besonderen Reiz.
Immer wieder wird die in der kolumbianischen Metropole Medellín ansässige
zehnköpfige Familie mit Hindernissen konfrontiert, doch schließlich erreicht sie ihr Ziel: Jerusalem wartet.
Ein ungewöhnliches Buch, ein Buch das teilweise zum Kopfschütteln und
auch zum Lachen animiert, doch in jedem Fall eines, das man gelesen
haben sollte. Zu ungewöhnlich ist das Thema, und zu privat sind die
Einblicke - etwas zum Schmunzeln.
(Thorsten Wiedau; 05/2005)
Memo Anjel: "Das meschuggene Jahr"
(Originaltitel "La mésa de los judíos")
Übersetzt von Erich Hackl und Peter Schultze-Kraft.
Rotpunktverlag, 2005. 194 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Unionsverlag, 2007.
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José Guillermo (Memo)
Anjel, geboren
1954 in Medellín (Kolumbien), stammt aus einer sephardischen Familie. Er ist
Professor für Soziale Kommunikation in Medellín und veröffentlichte Romane,
Erzählungen, Essays und Comics.
Weitere Bücher des Autors:
"Mindeles Liebe"
Liebe im "Schtetl" von Medellín ...
Der Esstisch der vielköpfigen sephardischen Familie im kolumbianischen Medellín
ist sozusagen der Nabel der Welt. Hier wird erlebt und verhandelt, was wichtig
ist im Leben. Und wie schon in "Das meschuggene Jahr" berichtet der
dreizehnjährige Junge die Dinge so, wie er sie sieht. Von der Liebe wissen die
Kinder wenig. Die Eltern gehören halt einfach zusammen, man kennt das - nie hätte
man dafür ein so seltsames Wort wie Liebe verwendet. Nur die vorwitzige und
superschlaue Victoria, die schon alle Bücher in ihrer Reichweite gelesen hat,
weiß, was Liebe ist, weil sie schon mal einen Verehrer gehabt hat: Liebe sei,
erklärt sie ihren Geschwistern, einen Schwachkopf mit Pickeln im Gesicht vor
sich zu haben.
Doch dann bricht wirklich die Liebe aus - eine Liebe, die nicht sein darf. Sie
verändert Personen, die man zu kennen geglaubt hatte, bringt die ohnehin
chaotische Welt der kleinen jüdischen Gemeinde im Stadtteil Prado durcheinander
und stellt die Familie vor eine Zerreißprobe.
Mit eindringlicher und von feinem Humor geprägten Erzählweise entführt uns
Memo Anjel - seinem Vorbild
Isaac
B. Singer sehr nah kommend - in den Mikrokosmos einer faszinierenden jüdischen
Lebenswelt, deren liebevoll gezeichnete Figuren dem Leser unvergesslich bleiben.
(Rotpunktverlag)
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"Das Fenster zum Meer"
Erzählungen.
Memo Anjel hat einmal gesagt, er habe zwei Kulturen: eine jüdische und eine
tropische. Diese faszinierende Mischung zeichnet auch die hier vorgelegten Erzählungen
aus und macht den Autor zu einer einzigartigen Erscheinung in der
lateinamerikanischen Literatur. So führt er den Leser mit der Titelerzählung
und der Kurzgeschichte "Die Hauskatze" in den Lebensraum seiner
sephardischen Vorfahren und mit "Ein Tag für den Johnny" in die
sinnliche Welt der karibischen Küste.
Alles, was Memo Anjel auf seinen Wegen auffällt, versteht er durch längeres
Hinsehen und ein kleines Verrücken der Realität in Literatur zu verwandeln.
Die Operation seiner kleinen Tochter María José in Medellín nimmt ihn nicht
nur seelisch mit, sondern macht das zermürbende Warten im Krankenhaus zu einem
surrealen Abenteuer. Der Besuch von Christian Brückners zehnstündiger
Marathon-Lesung am 23. Juni 2002 in Frankfurt am Main wird für ihn Anreiz zu
einer literarischen Hommage an "die Stimme". Bei einem abendlichen
Bier in einer Schwarzwald-Gaststube entdeckt er die unheimliche Doppelnatur des
dicken Wirts. Beim Beobachten von Abfall fressenden Leguanen in der Tierra
caliente Kolumbiens geht ihm eine selbstkritische Erkenntnis auf.
Vierzehn Erzählungen von der Magie des Menschlichen. (Rotpunktverlag)
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