Friedrich Ani: "Idylle der Hyänen"
Gute, niveauvolle Krimi-Unterhaltung mit Tiefgang
Wo sind die Autorinnen und Autoren, die den vielstrapazierten Mythos
von der Überlegenheit britischer, us-amerikanischer oder
schwedischer Kriminalschriftsteller endlich Lügen strafen
können? Ist Friedrich Ani vielleicht einer von denen, die
diesen Anspruch erfüllen könnten? Ich denke, in
gewisser Weise schon. Sein Roman "Idylle der Hyänen" ist
gehaltvoll, intelligent geschrieben, psychologisch durchdacht und dem
geistigen Leerlauf manch hochgelobter Krimis aus dem
anglo-amerikanischen oder skandinavischen Sprachraum klar
überlegen.
Ani führt seine Leser in eine Welt zum Nachdenken anregender
Innerlichkeit, ohne sich dabei in einem mystischen oder esoterischen
Nebel zu verlieren, wie einige seiner Autoren-Kollegen dies tun. Die
Hauptfigur des Romans, Kriminalhauptkommissar Fischer, ist kein
Revolver schwingender Haudegen, sondern mehr ein kontemplativer Mensch,
der - seinem Vornamen Polonius damit gerecht werdend - den Geist des
ausgleichend Apollinischen atmet. Fischer, der einige Jahre seines
Lebens als Mönch in einem Kloster verbracht hat, versucht, auf
möglichst einfühlsame Art und Weise an einen Fall und
an die in diesen Fall verwickelten Menschen heranzugehen. Dabei kommen
ihm seine klerikale Vergangenheit und beichtväterliche
Erfahrung natürlich zugute. (Der Beichtstuhl als Quelle der
Einsicht für den Detektiv. Pater Brown lässt
grüßen). Dieses menschlich Einfühlsame des
Hauptkommissars Polonius Fischer färbt natürlich ab
auf das gesamte Team des Münchner Kriminalkommissariats 111,
in welchem Fischer seinen Dienst verrichtet. Man geht dort mit
psychologischem Fingerspitzengefühl, mit sozialpsychologischem
Verständnis an die Aufklärung der beiden
Fälle, von denen dieses Buch handelt. Einer sozialkritischen
Tendenz, die ja von vornherein schon von der Thematik her in jedem
Kriminalroman im Kern angelegt ist, begegnen wir
selbstverständlich auch in der "Idylle der Hyänen".
Es geht um Schuld und Sühne, um die
Täter-Opfer-Problematik, und vom sozialkritischen
Gesichtspunkt her betrachtet, ist der Verbrecher nicht immer der
Schuldige. So wie es auch bei Ani keine kriminellen Menschen im
eigentlichen Sinne gibt, es gibt nur Menschen, die kriminelle
Handlungen ausführen. Und in diesem Problemkomplex von Schuld,
von Bestrafung und Sühne, auch vom
Suizid,
der im Buch eine
gewichtige Rolle spielt, von der Ambivalenz der Moral eben, da begegnen
und überlappen sich die Problemfelder von
Kriminalität und Religion. Als die dunkelste und gewagteste
aller Verschwörungen hat G. K. Chesterton, der Erfinder Pater
Browns, die Moral einmal bezeichnet.
Etwas zum Formalen des Romans. Dem aufmerksamen Leser wird nicht
entgehen, dass Friedrich Ani als Absolvent der Drehbuchwerkstatt an der
Hochschule für Fernsehen und Film in München von
diesen beiden Medien wenn nicht geprägt, so doch stark
beeinflusst wurde. Seine Arbeit als Drehbuchautor kommt auch in diesem
Buch zum Tragen, und darin sehe ich auch eine Schwäche des
Romans. Kurze Handlungsabschnitte mit ständig wechselnden
Schauplätzen bestimmen das Bild dieses Krimis. Es sind
eindeutig typisch filmische Mittel der Spannungssteigerung, die hier
Verwendung finden. Die einzelnen Handlungsstränge streben mir
etwas zu weit auseinander, es gebricht ihnen dadurch manchmal an
Spannung.
Die Handlung selbst ist aber klug durchdacht und zeugt von
gestalterischer Intelligenz. Der Aufbau ist logisch, transparent, Anis
sprachliche Gestaltung und Ausdrucksweise sind von einer leichten,
schwebenden Eleganz, sein Stil wirkt nie überladen oder
aufgemotzt. Nur bei den Plädoyers der beiden
Tatverdächtigen, die sich für ihre
Verbrechen
zu rechtfertigen suchen, trägt Friedrich Ani etwas zu dick auf.
Beide Verdächtige lässt er mit einer rednerischen
Emphase drauflos schwadronieren, die ihresgleichen sucht, was die
Personen ein wenig unglaubwürdig macht. Und manchmal streift
Friedrich Ani auch ganz leicht die Sphäre des naiv Kitschigen.
"Die meisten Fußgänger, die ihm (Polonius Fischer)
entgegenkamen, warfen ihm einen Blick zu; unabsichtlich verbreitete er,
der Großgewachsene, eine Aura von Stolz und
Lässigkeit." Oder im neunten Kapitel, wo die zwölf
Ermittler des Kommissariats mit den zwölf Aposteln verglichen
werden, wie mir überhaupt die ganze Atmosphäre des
Romans etwas zu sehr mit Weihrauch geschwängert scheint.
Im Gesamtbild überwiegt aber eindeutig das Positive. Gute,
unterhaltsame, zum Nachdenken anregende Kriminallektüre auf
gehobenem Niveau.
(Werner Fletcher)
Friedrich
Ani: "Idylle der Hyänen"
dtv, 2007.
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Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Totsein verjährt nicht"
Am 8. April 2002 wird die achtjährige Scarlett Peters zum letzten Mal gesehen.
Drei Jahre danach wird Jonathan Krumbholz, ein vierundzwanzigjähriger, geistig
zurückgebliebener Mann, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Sechs
Jahre später bekommt Polonius Fischer, Kommissar bei der Mordkommission in München,
von einem Schulfreund der Verschwundenen einen Brief. Er will Scarlett auf der
Straße erkannt haben. Ist dem Zeugen zu trauen? Ist Scarlett gar nicht tot -
obwohl ihre Mutter für sie ein Grab auf dem Neuen Südfriedhof gekauft hat? Hat
die Polizei sich geirrt?
Friedrich Ani erzählt in seinem Kriminalroman mit atemloser Spannung die
Geschichte eines realen Falles, der alle Sicherheiten in Frage stellt. Polonius
Fischer ist zutiefst irritiert: Haben seine Kollegen wissentlich nach einem Sündenbock
für einen Mord gesucht, um einen Fall abzuschließen, der die Öffentlichkeit
bewegt hat wie kein zweiter? (Zsolnay)
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"Hinter blinden Fenstern"
Cornelius Mora, ein kleiner Ladenbesitzer, ist tot. Er hängt
gefesselt und blutig an einem Kreuz. Das Kreuz steht im Hinterzimmer eines kleinen
Klubs in der Vorstadt, der für einschlägige Praktiken
wohlbekannt ist. Polonius Fischer, Hauptkommissar bei der Münchner Mordkommission, steht
vor seinem zweiten Fall und der Frage: Handelt es sich hier wirklich nur um einen
Unfall? Wieder lotet Friedrich Ani die schmalen Grenzen aus, die den
durchschnittlichen Alltag von einem ständig drohenden Schrecken trennen. (Zsolnay)
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