Hermann Alexander Schlögl: "Das Alte Ägypten"

Geschichte und Kultur von der Frühzeit bis zu Kleopatra


"Das Alte Ägypten" von Hermann Alexander Schlögl besticht durch seine qualitätsvollen Inhalte, verpackt in schlichter Aufmachung. Dieses Werk ist anders als viele Bücher zum Thema Altägypten - Geschichte und Kultur. Zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher, bestückt mit vielen bunten Abbildungen, bringen auf solche Weise der Leserschaft die Faszination dieser untergegangenen Kultur nahe; doch das Schlögls Werk erreicht gerade wegen seiner Sparsamkeit mit visuellen "Ablenkungen" ein sehr konzentriertes Bild zum Alten Ägypten.

Der Autor teilt die großen Kapitel des Buches nach chronologischen Zeitabschnitten ein, welche man heutzutage auch im Wesentlichen so in anderen themengleichen Publikationen vorfindet. Schlögls Einteilung von Kapitel 2 bis Kapitel 8, wie folgt: Vorzeit, Frühzeit (Thinitenzeit), Altes Reich, Mittleres Reich, Neues Reich, Ramessidenzeit, Spätzeit. Der Unterschied zu anderen Chronologien besteht jedoch darin, dass der sogenannten Ramessidenzeit ein eigenes großes Kapitel gewidmet ist und die Spätzeit bereits im Jahre 945 v.Chr. beginnt, und auch die griechisch/römische Zeit fällt dahinein.
Diesem strukturierten Hauptteil geht ein Vorwort voraus und schließt sich ein extrem umfangreicher Anhang an, welcher, was die fast hundertseitige (!) Literaturliste angeht, wohl keinerlei Wünsche offen lässt. Weiterführende und ergänzende Quellen werden aufgelistet; zum einen jene, die der Autor für seine eigenen Artikel und Rubriken herangezogen hat, und zum anderen Fachliteratur zu markanten Themenfeldern des Alten Ägyptens. Des Weiteren bietet eine achtseitige chronologische Übersicht in Tabellenform dem Leser einen raschen Einblick zu Datierungen, Ereignissen und Herrschern im Alten Ägypten. Vier Karten und ein viergeteiltes Register (Personen, Götter, Geografisches, Sachliches) runden den Anhang ab.

Mit dem ersten Kapitel, welches von Landschaften und Menschen, der Ägyptologie und den ägyptischen Göttern handelt, kann sich der Leser informativ einstimmen auf die folgenden Kapitel, die eine fundierte Darstellung der bekanntesten - aber auch der dem breiten Publikum weniger bekannten - Pharaonen und deren Wirken einst in Ägypten liefern. In diesem Geschichtswerk wird ein langer Zeitraum von gut 4000 Jahren (4000 v.Chr. bis 30 v.Chr.) beschrieben, in welchem die pharaonischen Herrscher ihren Anfang fanden und leider auch ihr Ende. Obwohl die Pharaonen im Buch den Schwerpunkt bilden, wie sie politisch agierten, wie sich ihre Thronnachfolge bestimmte oder mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten u. dgl. erfährt der Leser, meist in extra Unterrubriken, auch einiges zu Themen wie Musik, Tanz, Medizin, Literatur, Schule, Bestattungsritual und Weiteres mehr.
Zahlreiche Übersetzungen von Inschriften von zeitgenössischem Quellenmaterial, z.B. in Form von Stelen oder Papyri, sind, oft passend zum jeweiligen Themenfeld, in alle Hauptkapitel eingeflochten. Dies stellt eine große Bereicherung für den Leser dar; schließlich eröffnen solche schriftlichen Hinterlassenschaften der Nachwelt ein noch genaueres Bild.
Ausgewählte Schwarzweiß-Abbildungen sind illustrierend sowie ergänzend eingefügt; mitunter auch historische Aufnahmen, die das Alte Ägypten zeigen, wie es vor der Modernisierung, der Bevölkerungsexplosion und den heutigen Besucherströmen aussah.

Da es sich bei diesem Werk um eine Erstauflage handelt und somit der Leserschaft eine ganz aktuelle Ausgabe vorliegt, darf der Leser natürlich auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, die ausgewertet wurden, erwarten. Dies kündigt der Autor jedenfalls in seinem Vorwort an, und er hat recht. Beispiele hierzu sind: die Rückführung der Mumie Ramses' I. nach Ägypten, die Todesursache des Kindkönigs Tutanchamun, die im Jahre 2005 entdeckte Grabkammer im Tal der Könige und Anderes. Wenn auch manches lediglich kurz angerissen wird.

Wie schon erwähnt, handelt dieses fundierte Werk vorwiegend von den ägyptischen Herrschern, von deren Auftauchen aus der Dämmerung sowie deren Bildung eines stabilen Königtums, deren Herrschaft einer Weltmacht bis hin zu deren Untergang.
Natürlich blieb diese einzigartige kulturhistorische Epoche nicht von Wirren und Fremdherrschaft verschont, was Schlögl eindrucksvoll beschreibt. Er beginnt quasi sein Geschichtswerk mit der (für uns) eher dunklen Vorzeit, in der sich die Anfänge zur späteren Bildung eines einheitlichen Zentralstaates finden. Es wird unterschieden zwischen der vorgeschichtlichen Zeit und der geschichtlichen Zeit; die geschichtliche beginnt ab der 0. Dynastie, bzw. mit der sogenannten Reichseinigung und markiert für uns den Beginn der Herrschaft der Pharaonen über die "Beiden Länder" (=Ägypten).
Die nachfolgenden Kapitel stellen die wesentlichen Pharaonen vor, beschreiben, was in jener Zeit an Entwicklungen vonstatten ging und wie sich das Land überhaupt bis zuletzt behauptet hat. Der Bestattungskult, die religiösen Vorstellungen, die Schrift oder die sozialen Strukturen änderten sich mit jeder Epoche mehr oder weniger - all dies kommt in dem Buch zur Sprache. Beispielsweise sind die berühmten Pharaonen der Pyramidenzeit im Alten Reich, die Entstehung der Literatur im Mittleren Reich, die glorreiche 18. Dynastie im Neuen Reich, die Grabräuberei, die wirren Zwischenzeiten oder auch König Echnaton mit seiner andersartigen Religion ausführlich vom Autor behandelte Themen. Mit Königin Kleopatra, die bereits nicht mehr ägyptischer Herkunft war, beendet der Autor seine Geschichtsschreibung.

Vorteilhaft für Interessierte, die sich noch nicht allzu sehr mit dem Alten Ägypten beschäftigt haben, ist in dem Buch der Verzicht auf Fachtermini; insofern findet sich auch kein Glossar darin. Das Buch ist sehr verständlich geschrieben und bietet ebenso dem Kundigen viele wertvolle Informationen. Gerade auch, weil sich dieses Werk auf dem neuesten Stand der Wissenschaft befindet. Obschon man natürlich mit Aussagen und Theorien des Autors konfrontiert wird, die ggf. in anderen Publikationen nicht so akzeptiert sind.
Auffallend ist allerdings, dass manchen Pharaonen viel Raum gewidmet ist, so z.B. Ramses II. oder Echnaton, und anderen viel weniger. Was aber sicherlich auch damit zu tun hat, dass über bestimmte Pharaonen sehr viel Quellenmaterial zur Verfügung steht, über andere weit weniger. Trotz alledem wird das Buch sicherlich den zahlreichen einstigen Herrschern gerecht und erweckt diese für den Leser im Geistigen zu neuem Leben.

Fürs tiefe Eindringen in die wechselvolle und spannende Geschichte der alten Ägypter ist dieses Buch absolut empfehlenswert und bietet durch seine Fülle an Informationen das Wichtigste zur altägyptischen Kultur und darüber hinaus. So schlicht das Buch daher kommt, so treffend vielfältig und reichhaltig ist die altägyptische Geschichte darin beschrieben.
Hartgebunden, mit farbigem Schutzumschlag, dürfte Schlögls Buch vielleicht schon angestaubte Werke, die nicht mehr dem Stand der Zeit entsprechen, ersetzen?!

(Anja Semling; 11/2006)


Hermann Alexander Schlögl: "Das Alte Ägypten"
Mit Fotografien von Regine Buxtorf und Michael Reichelt.
C.H. Beck, 2006. 512 Seiten.
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Hermann Alexander Schlögl ist Professor em. für Ägyptologie an der Universität Freiburg (Schweiz). Er ist durch zahlreiche Monografien zur Geschichte und Kultur des Nillands und durch Übersetzungen Altägyptischer Literatur hervorgetreten.

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