Werner Kapfer, Wolfgang Hörner: "Alles Lalula 2"
(Hörbuchrezension)


Songs und Poeme

Es beginnt mit einem Mantra von Allen Ginsberg und endet mit dem so galanten O-Ton von Ernst Jandl. Der zweite Teil von "Alles Lalula" lässt sich grob in drei Arten von sprachlichen Versatzspielen einteilen:
Zum Ersten gibt es eine Menge Mantras, die qualitativ sehr differenziert die Gehörgänge umspülen.
Zum Zweiten Sprachspielereien von Lentz über Jandl bis zu Rühmkorf.
Zum Dritten musikalische Werke, die durch den Einsatz von Sprache in ihrem Geltungsgrad verstärkt werden.

Einige der Mantras sind gewöhnungsbedürftig, da betontes Schreien oder Krächzen die Ohren nicht unbedingt umschmeichelt. Es überwiegen jedoch die hochwertigen Mantras, von denen insbesondere Ginsberg mit seiner "Don't smoke"-"Kampagne" herausragt. Eine herrliche Politpersiflage gelingt Jaap Blonk mit "Der Minister". Wie überhaupt geschrieben sein muss, dass für Politiker Mantras wohl zur Pflichtlektüre gehören müssen. Denn ständig verstaubte Sätze zu sagen, die ohnehin keiner mehr hören will, ist das Hauptcharakteristikum eines schlechten Mantras. Es sei also erwähnt, dass keines der noch so durchschnittlichen Mantras auf diesen beiden Scheiben auch nur annähernd so prächtig schlecht sein kann wie eine semiprofessionelle Politrede samt Frage-Antwort-Spiel. 

"Russian Language Lesson" von Vitaly Komar spielt mit dem Alphabet auf lässige Weise und gemahnt den Hörer daran, wie viele Menschen es auf dieser Welt gibt, die Analphabeten sind. Es ist weniger eine Dramatisierung des Alphabets, sondern mehr eine prächtige Sprachschule für Erwachsene, die kleinste Nuancen des Alphabets entdecken und für sich rhetorisch umsetzen wollen. "The atomic alphabet" von Chris Burden ist das genaue Gegenteil: Der Künstler prügelt die Schlechtigkeit des Menschengeschlechts in ein Alphabet hinein und schafft es, innerhalb von nur wenigen Sekunden die Trostlosigkeit menschlicher Abartigkeiten in einen sprachlichen Kontext zu setzen. David Moss wiederum ist ein brillanter Vokalkünstler aus New York, dessen vielfältige, stimmstarke Stücke nur schwer zu übertreffen sind. Zweifelsfrei ein Highlight der vorliegenden Doppel-CD. "Glasnost" von Valerie Scerstjanoi beweist, warum der Russe an sich so ist, wie er trinkt. Der Afro-Amerikaner Amiri Baraka schafft es, Kraft seiner Stimme an die Ursprünge des Jazz zu gemahnen.

Am nachdrücklichsten prägen sich aber die musikalischen Arbeiten im Gehirn des Hörenden ein. Der in München lebende, gebürtige Österreicher, welcher sich Flatz nennt, und sich in allen möglichen Künsten versucht, schuf mit "Deutschen Die" eine originelle Komposition, die von einem Text getragen wird, der bewusst nicht als Mantra strukturiert sein will.

Peter Weibel gelingt es mit "Nimm Deine Schrecken mit Dir", eine Form von Musik zu erschaffen, die in sich gefestigt, und dennoch sprachlich ausufernd ist. War er seinerzeit Aktionist und Künstler, ist er heute Vorstand des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Ein musikalischer Leckerbissen ist "All those years" von Ramuntcho Matta und Brion Gysin. Es handelt sich hierbei um einen Ausnahmefall, da bei dieser Aufnahme nicht der Autor Brion Gysin, sondern der Produzent Ramuntcho Matta den eindrucksvollen Text spricht. Und es versteht sich von selbst, noch auf die "Einstürzenden Neubauten" und deren Stück "Silence is sexy" zu verweisen. Endlich weg vom üblichen Punk-Gedröhne hin zu einem fast als "Hörspiel" zu bezeichnenden Gestus an die Stille. Die Stille wird durch Zigarettenanzünden und Inhalieren generiert, und am Ende tobt und brüllt das Saalpublikum.

Summa summarum sicher eine gelungene Doppel-CD, die Neugierde auf noch mehr Songs und Poeme weckt. Ein wenig enttäuschend ist jedoch, dass wiederum Helmut Qualtinger übergangen wurde, dessen sprachliche Ausdrucksqualitäten etwa jene von Rühmkorf, dem auf dieser Doppel-CD sogar am meisten Raum eingeräumt wurde, bei weitem übertreffen, und der insbesondere über ein prächtiges Reservoir an imitatorischen Stimmlichkeiten verfügte. Sollte es eine weitere Fortsetzung von "Alles Lalula" geben, wäre es schön, Helmut Qualtinger lauschen zu können, und eventuell auch André Heller, der ja wohl einer der erstaunlichsten Poeten war, die der deutsche Sprachraum zu bieten hat, obzwar er sich mittlerweile in eine andere Gasse begeben hat.

(Jürgen Heimlich; 01/2004)


"Alles Lalula 2. Songs und Poeme von der Beat-Generation bis heute"
Herausgegeben von Wolfgang Hörner, Herbert Kapfer.
Eichborn, 2003. 2 CDs, Laufzeit 139 Minuten; Beiheft.
ISBN 3-8218-5242-9.
ca. EUR 25,-. Hörbuch bestellen

Alles Lalula 1?