Microsoft
game studios: "AGE of MYTHOLOGY"
"Der Mythos, das ist der schlichte Versuch der frühen Menschheit, die Welt gedanklich zu formen. Wirkliches und Konkretes in den Äußerungen der Natur, von der Entstehung der Welt bis zu ihrem möglichen Ende, werden mit ängstlichen oder freudigen Sinnen erfasst, verarbeitet und zu Antworten geformt. Der Blitz als Zorn des Göttervaters, die peitschende See als Rache des Meeresgottes und der Regen als segensreiche göttliche Antwort auf Opfergaben, das alles ist nicht lächerlich, sondern kulturgestaltend. Im Mythos wird ein erhöhtes Bild der menschlichen Existenz entworfen."
(Zitat aus: "Die Vorsokratiker für Anfänger" von Ralf Ludwig)
Leider
ein Flop! Oder doch nicht? Wer die
Besonderheiten des unmittelbaren Vorläuferprodukts "Age of Empires II"
zu schätzen gelernt hat, wird sich mit der freundlichen Bewertung der
Nachfolgeversion eventuell ein wenig schwer tun. Womit gesagt sein soll, dass
sich "Microsoft game studios" offensichtlich selber schwer tun, den
eigenen hohen Ansprüchen nachhaltig gerecht zu werden.
Die Schöpfer von "Age of Empires I & II" haben sich mit der jüngst
in den Regalen der Kaufhäuser aufgetauchten "Age of Mythology"
Version wohl Einiges vorgenommen, doch dürften Anspruchsdenken und
Verwirklichungsvermögen diesmal nicht ganz zueinander gefunden haben, weil
"Age of Mythology" ist, alles in allem betrachtet, nicht nur ein fast
schon revolutionärer Schritt vorwärts, sondern ebenso ein kräftiger Schritt
zurück. Ein kräftiger Schritt zurück? Natürlich nur in Hinblick auf "Age
of Empires II", denn für sich allein betrachtet ist "Age of Mythology"
noch allemal ein fantastisches Echtzeitspiel, an dem jedermann seine Freude
haben sollte. "Microsoft game studios" wollten mit ihrer neuesten Schöpfung
offenbar ein Spiel mit ansprechenden 3-D-Effekten kreieren, das den Anwender in
eine Welt
der Mythen zurück versetzt, worin – jeweils kulturspezifische (!)
– mythologische Heerscharen (Minotauren, Zyklopen,
Riesen, etc.),
Heldengestalten, überweltliche Kräfte und Volksgottheiten von Griechen, Ägyptern
und Wikingern
in das irdische Geschehen mit tätlicher Himmelsgewalt eingreifen. Ganz so wie
es Homer etwa in seinen griechischen Mythen beschreibt. Diese göttlichen Kräfte
gilt es an eigens dafür vorgesehenen Kultstätten anzubeten,
herauszubilden und zu beschwören, auf dass sie dem Volk der Sterblichen in der
Not beistehen, es mit ihrer Götterkraft beseelen und beizeiten für kulturellen
Fortschritt sorgen. Das alles ist gut und schön (sogar historisch plausibel),
allein die Umsetzung der Idee dürfte aus nahe liegenden Gründen (beschränkte
Speicherkapazitäten) nicht ganz gelungen sein, da die letztendliche
Realisierung im Großen und Ganzen nicht auf dem virtuosen Grafik-Design und den
fantastischen Spielelementen von "Age of Empires II – The Age of Kings"
aufbaut, sondern zur allgemeinen Überraschung eine teils nur zaghafte – wenn
auch im Detail liebevolle - Weiterentwicklung des wesentlich simpleren "Age of
Empires I" darstellt, wobei diverse neu entwickelte und durchaus
beachtliche Spezialeffekte bei weitem nicht den umfangreichen Kahlschlag von
zuletzt lieb gewonnenen Gameplay-Elementen aus "Age of Empires II"
kompensieren können.
Die Zurückversetzung in urweltlichere Zeiten ist demnach – es ist zu beklagen
(!) - in doppelter Hinsicht gelungen und wer die Besonderheiten von "Age of
Empires II" schon kennen und schätzen gelernt hat, der muss "Age of
Mythology" jetzt logischer Weise auch als Verzicht gebietende herbe Enttäuschung
empfinden.
Was uns hiermit nun vorliegt, ist in mehrfacher Hinsicht also auch ein
bedauerliches Zurückstutzen der zuletzt überzeugenden "Age of Empires-Serie",
die darüber hinaus – wegen der zu Lasten von spannenden Spieleffekten
gehenden 3-D-Effekte - gewaltig viel Speicherplatz braucht, nicht mit jeder –
schon etwas älteren - Grafikkarte harmoniert und zudem keineswegs als
Billigpreisprodukt zu erachten ist. Es ist zwar keine Schande im Vergleich mit
dem vermutlich besten Strategiespiel unserer Tage abzufallen, doch sollte es
sich, so könnte man ja meinen, bei dem Unterlegenen nicht unbedingt um das
weiterentwickelte Nachfolgeprodukt handeln, welches für sich alleine betrachtet
natürlich immer noch ein Spiel von außergewöhnlicher Güte ist. Schade um die
zündende Idee! Denn sie ließ sich nicht in der erhofften Vollkommenheit
verwirklichen. Und wer bis dato das Kultspiel "Age of Empires II" gewöhnt
war, der wird in Hinblick darauf vielleicht
die Meinung vertreten, dass "Age of Mythology" in der Tat entbehrlich
gewesen sei. Dazu kann man nun geteilter Meinung sein, denn "ganz so ohne"
ist das jüngste Geschöpf aus den Ensemble Studios von Microsoft nun wieder
auch nicht.
Resümierend ist festzuhalten, dass "Age of Mythology" vor allem
einmal das Pech hat, Nachfolgeversion einer übermächtigen Vorläuferversion
derselben Produktlinie zu sein. Die wegen ihrer Bildgewalt geradezu
atemberaubenden und somit auch verschwenderischen 3-D-Effekte verlangten dem
Entwicklerteam offenbar anderweitig schmerzliche Reduktionen ab, die man
freundlicher Weise als Rückbesinnung auf die Urversion auslegen könnte.
Microsoft ist es zugute zu halten, aus der Not eine Tugend gemacht zu haben,
indem die bisher aufwendige und von vereinzelten Stimmen als ebenso lästig wie
zeitraubend empfundene Ressourcenverwaltung auf ein Minimum zurückgestutzt
wurde. Somit ist es nun ermöglicht sich mehr auf das eigentliche Spielgeschehen
– auf die kriegerische Aktion - zu konzentrieren, hingegen das ökonomische
Geschehen und die bewusste Entwicklung von Ideologien und Technologien in Klöstern,
Manufakturen und Universitäten deutlich in den Hintergrund treten. Wer freilich
gerade den realistisch-evolutionären Charakter der Vorläuferversion geschätzt
hat und von dramatischen Bildeffekten nicht so angetan ist, der wird enttäuscht
sein, wenn an die Stelle von ökonomischen und ideologischen
Entwicklungsstrategien jetzt plötzlich simpel herbei gebetete überirdische Mächte
treten, die das Feindesland mit biblischen Plagen und stürmischen Unwettern
heimsuchen. Eine Geschmacksfrage!
Anzusehen ist es gewiss sehr nett, wie auch die Theatralik des filmischen
Vorspanns nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Da jedoch auch "Age of
Mythology" nicht einfach nur vom Himmel gefallen ist, sondern ein
Entwicklungsprodukt mit einer geradezu kultischen Vorgeschichte ist, dem nun
eine nahezu revolutionäre Weiterentwicklung verbunden mit schmerzhaften
Einschnitten gegen das wehleidige Gewohnheitsrecht von Spielern verpasst wurde,
wird es wohl gerade in der Fan-Gemeinde noch zu einigen Irritationen kommen. Am
Besten es bildet sich jeder selbst sein Urteil zu diesem in mehrfacher Hinsicht
aufreizenden Computerspiel. Wie auch immer: Viel Spaß damit!
(Bruno; 12/2002)
"Age
of Mythology"
Microsoft,
2002. 2 CD-ROM. Computerspiel.
ASIN B00006i4iD.
ca. EUR 43,99.
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von Michael Schmitthäuser und Artur Hoffmann.
Microsoft
Press Deutschland, 2002. 160 Seiten.
ISBN 3-8606-3836-X.
ca. EUR 9,90.
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