Barbara Schmid-Schalenbach, André Heller (Hrsg.): "Afrika! Afrika!"

Das Kochbuch


Bei vorliegendem Buch handelt es sich um eine Besonderheit. Wir alle kennen zur Genüge Kochbücher, in denen allerlei Rezepte angepriesen werden. Vom kulturellen Hintergrund ist hierbei selten die Rede, und wenn, dann nur in marginalem Sinne. Das großartige (wenn auch für den Zuschauer sehr teure) Zirkuserlebnis "Afrika, Afrika" lebt von seinen Künstlern, welche allesamt ihre Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent haben. Es ist oft in allerlei Gazetten abfällig von "Afrikanern" die Rede. Dass auf dem afrikanischen Kontinent eine Vielzahl von Ethnien existiert, Tausende von Sprachen gesprochen werden, eine außergewöhnliche kulturelle Vielfalt und Eigenheit der Volksgruppen besteht, ist nur den wenigsten Menschen bewusst. Dass ein Kochbuch diese Kraft und Dynamik des afrikanischen Kontinents zu demonstrieren vermag, kann nur als erstaunliche Leistung der Mitwirkenden bezeichnet sein. Und als Mitwirkende gelten in diesem Falle nicht nur die "offiziellen" Autoren und Autorinnen, sondern in erster Linie die Künstlerinnen und Künstler des Zirkus, welche zum Einen kurz porträtiert werden, zum Anderen viele Kochrezepte aus ihrer Heimat vorstellen.

Gleich im Vorwort ist davon die Rede, dass auf dem afrikanischen Kontinent interessanterweise der "Maggi"-Würfel Einzug gehalten hat. Die vorgestellten Rezepte verzichten jedoch bewusst auf diese Ingredienz. Schließlich gibt es allerlei Gewürze, die Suppen, Fisch- und Fleischspeisen zu veredeln vermögen, ohne als künstliches Substrat zu gelten. Dass Gewürze beim Kochen von essenzieller Bedeutung sind, belegt dieses Buch eindrucksvoll. Die meisten Gewürze sind bekannt: Häufig wird Muskatnuss verwendet, Koriander und Chilischoten geben vielen Speisen das gewisse Etwas.

Gemüsebrühe findet oft Verwendung, ebenso Erdnüsse bzw. Erdnussbutter. Es gibt zahlreiche Speisevariationen mit Hühnern und Rindfleisch. Zudem werden einige Nachspeisen vorgestellt.

Weit mehr als die Hälfte der Speisen können problemlos zubereitet werden. Nur bei Täubchen mag es zumindest in gewissen Ecken des europäischen Kontinents Probleme geben, diese zu verbraten.

Was dieses Kochbuch so individuell macht, sind die Menschen, welche die Rezepte verraten. Darum sei auf "Waterman" verwiesen; einen Mann aus Ghana, der die Kunst beherrscht, vor jedem Auftritt fünf Liter Wasser zu trinken, und dieses dann zwischen Jonglagenummern in Wasserfontänen von sich zu sprühen. Er beherrscht also die Kunst, Wasser zu speichern, und schließlich auf Wunsch nach außen zu transportieren. Er darf ab sechs Stunden vor dem Auftritt nichts essen, tut dies dafür aber nach der Vorstellung zur Genüge. Er bevorzugt deftige Spezialitäten aus seiner Heimat wie Fufu, Bällchen aus gekochten, zerstampften Maniokwurzeln mit kräftigen Soßen.

Aus Äthiopien wird - sozusagen "nebenbei" - ein dem Rezensenten bis dato unbekanntes Ritual bekannt. Es werden sehr gerne Riesenpfannkuchen mit verschiedenen Fleisch- und Gemüsesoßen angerichtet, von denen man sich Stücke abreißt. Dies muss ausschließlich mit der rechten Hand geschehen, da die linke Hand als unrein gilt. Es wäre freilich interessant zu wissen, aus welchem Hintergrund diese Sitte entstanden ist. Die "Unreinheit" der linken Hand wird nämlich - oft unter vorgehaltener rechter Hand - noch in zahlreichen anderen Ländern "kultiviert". Dass dies nur als Unsinn bezeichnet werden kann, muss an dieser Stelle erklärt sein.

Dieses Buch hat, und dies muss auf alle Fälle geschrieben sein, einen sehr traurigen Aspekt aufzuweisen. Die Tänzerin Khady Gueye aus dem Senegal wurde im August 2006 ermordet, wobei die Polizei als Hauptverdächtigen ihren Mann Samba verhaftete. Khady Gueye hat einige Rezepte hinterlassen. Es handelt sich um Mahlzeiten mit Fisch, Lamm- oder Rindfleisch und eine Nachspeise. Ihr mag insgeheim, auch wenn dies nicht konkret ausgesprochen wird, dieses Kochbuch gewidmet sein.

(Al Truis-Mus; 10/2006)


Barbara Schmid-Schalenbach, André Heller (Hrsg.): "Afrika! Afrika! Das Kochbuch"
Brandstätter Verlag, 2006. 160 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:

Carlo Mari, Claus-Peter Lieckfeld: "Mein Traum von Afrika"

Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an Afrika, eine Reise in der Gegenwart, in der die Vergangenheit stets lebendig zu sein scheint. Nomaden, die mit ihren Herden dem Regen folgen, Fischer, die mit ihren Weidenbooten auf dem Turkanasee staken, Tiere bei der Jagd und Aufzucht ihrer Jungen, Landschaften, die Ursprünglichkeit atmen - Momentaufnahmen einer vergänglichen Welt, die es zu erhalten gilt.
Carlo Mari macht sich im Norden Kenias am Turkanasee auf und folgt seiner Route bis in den Süden Tansanias, begegnet Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen, verweilt in ihren Dörfern, teilt ihren Alltag. Sie leben wie ihre Vorfahren, feiern Feste und Zeremonien wie sie und doch bleibt ihr Leben nicht unberührt von politischen Unruhen, Klimaänderung und den Folgen des Tourismus.
Er durchstreift zahlreiche Nationalparks, letzte Refugien, in denen die Ursprünglichkeit der Natur und die Tiere in freier Wildbahn noch zu erleben sind. Er hält sie fest, diese besonderen, scheinbar überzeitlichen Momente, in denen ein auffliegender Flamingoschwarm wie ein Gemälde wirkt und ein Sonnenuntergang über der Savanne zum Staunen einlädt.
Claus-Peter Lieckfeld kommentiert diese Reise und gibt wertvolle Hintergrundinformationen. Dieser Bildband ist ein Mosaik aus Bildern und Texten, in dem Traum und Wirklichkeit verschmelzen. (Frederking & Thaler)
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