André Heller: "Afrika! Afrika!"
Das magische Zirkusereignis vom Kontinent des Staunens
Der
Initiator von "Afrika! Afrika!", André Heller, hat sich
bereits 1973 Notizen über eine mögliche Projektidee
eines afrikanischen Zirkus gemacht. Er war seinerzeit 26 Jahre jung und
eben erst den melancholischen Wiener Künstlerstimmungen
entflohen, wie er im Vorwort zu vorliegendem Buch schreibt.
Über 30 Jahre später also initiiert er das Projekt
und hat es bezüglich Inszenierung und Auswahl mit dem
Tänzer und Choreografen Georges Momboye abgestimmt, der von
der Elfenbeinküste stammt. Viele Hilfestellungen kamen von dem
Senegalesen Doudou Diene, der jahrelang für die
interkulturellen und interreligiösen Projekte bei der UNESCO
verantwortlich zeichnete. Derzeit ist er Sonderberichterstatter der
Vereinten Nationen zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und
Diskriminierung. André Heller hat von Doudou Diene den Rat
bekommen, auch einige Artisten aus der Diaspora in Südamerika,
Nordamerika und der Karibik als Beispiel für ein zwangsweise
in alle Welt verstreutes Afrika zur Mitwirkung einzuladen. Der
afrikanische Zirkus in dieser Form ist ein einmaliges Projekt, das ganz
Europa verzaubern wird. Schon die zahlreichen Bilder vermögen
den Betrachter in Erstaunen zu setzen.
Hauptaugenmerk von "Afrika! Afrika!" sind die wunderbaren Einblicke in
afrikanische Riten und Besonderheiten des Zirkus. Es geht also nicht
allein um die Darstellung von Schlangenmenschen, Jongleuren und
Akrobaten, sondern ebenso um die herrlichen landschaftlichen und
sozialen Begebenheiten, welche auf dem Kontinent Afrika herrschen.
Afrikanische Sinnsprüche bezeugen die
Mentalitätsunterschiede zwischen Europäern und
Afrikanern.
Einige kleine Texte sowie zwei längere Essays komplettieren
diesen hervorragenden Bild/Textband. Besonders vielschichtig ist der
Bericht des mittlerweile recht bekannten Afrika-Berichterstatters
Hans-Christoph Buch, der seinem Text den treffenden Titel GOTT GAB DEN
EUROPÄERN DIE UHR UND DEN AFRIKANERN DIE
ZEIT gegeben hat.
Tatsächlich ist dieses Leben nach der Uhr, von dem viele
Europäer (aber nicht alle, ich weise etwa auf die Griechen und
Italiener hin) bestimmt sind, ein totaler Kontrapunkt zur
Gemächlichkeit der auf dem afrikanischen Kontinent geborenen
Menschen.
Wer je mit Menschen aus einem afrikanischen Land zu tun hatte (ein
Vorurteil gegenüber diesen Menschen ist ja auch, dass
vielerorts einfach von "den Afrikanern" gesprochen wird, als
wären alle Afrikaner von einem Schlag), wird bemerkt haben,
dass sie dazu neigen, in aller Ruhe jene Dinge zu tun, an denen ihnen
liegt. Es wird auch nie ein Mann aus Nigeria oder eine Frau aus dem
Sudan ein Gespräch ohne die sinngemäßen
Worte "Wie geht es dir?" einleiten. Die zahlreichen Vorurteile, welche
über jene Menschen ausgesprochen werden, die auf dem "dunklen"
Kontinent leben, sind beschämend für jene, die sie
Tag für Tag von neuem aufleben lassen. Egal, ob es um die
Rückständigkeit der Kulturen geht, um die angeblich
geringe Intelligenz, um die Rüpelhaftigkeit oder was auch
immer: Es sind stets schwachsinnige Argumente, in denen nicht einmal
winzige Wahrheitskerne enthalten sind.
"Afrika! Afrika!" räumt also mit Vorurteilen auf.
Hans-Christoph Buch schreibt aber nicht nur über das Afrika
von heute, sondern erstaunlicherweise über Autoren, die
über Afrika schrieben, ohne je dort gewesen zu sein.
Berühmtestes Beispiel hierfür ist Edgar
Rice-Burroughs, der "Tarzan" erfand, welcher ja auch die
Kinoleinwände und späterhin das sogenannte
"Patschenkino" erreicht hat. "Afrika! Afrika!" klingt ein wenig wie ein
Schlachtruf. Es ist wohl die Aufforderung (darum das Rufzeichen) an den
Zuschauer dieses Zirkus, sich in diese besondere Welt hineinzaubern zu
lassen, sodass diese Eindrücke noch lange Zeit im Herzen
nachwirken.
Wer dieses Buch liest und die herrlichen Fotos betrachtet, bekommt
einen herrlichen Vorgeschmack darauf, was ihn als Besucher des Zirkus
erwartet. Es mag der eigene "Geschmack" Afrikas sein. Lebendig,
rhythmisch, spirituell, fröhlich und voll Tanz und Musik.
Afrika eben, wie es ist. Auch wenn der Rezensent bislang nur ein
einziges Mal in seinem Leben wenige Wochen in Nordafrika verbracht hat,
glaubt er die afrikanische Mentalität zu kennen, da er schon
viele interessante und stets freundliche Menschen kennen gelernt hat,
die dem afrikanischen Kontinent entstammen.
(Al Truis-Mus; 02/2006)
André
Heller: "Afrika! Afrika!"
Christian Brandstätter Verlag, 2006.
128 Seiten mit ca. 100 Farbabbildungen.
ISBN 3-902510-47-1.
Buch
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Weitere Buchtipps:
Peter Junge, Paola Ivanov (Hrsg.): "Kunst aus
Afrika"
Das Buch erschien begleitend zur Ausstellung von "Kunst aus Afrika" im
Ethnologischen Museum in Berlin am 28. August 2005.
Die Ausstellung war 2003/2004 in Brasilien zu Gast, wo sie nicht nur
ein Millionenpublikum anlockte, sondern auch mit zwei wichtigen
Kunstpreisen ausgezeichnet wurde.
Trotz verschiedener großer - beim Publikum sehr erfolgreicher
- Ausstellungen in den vergangenen Jahren bleibt die Kunst aus Afrika
weiterhin für viele Menschen vornehmlich mit Vorstellungen von
Stammeskunst und primitiver Kultur verbunden. Der Band "Kunst aus
Afrika" wagt sich daher an eine neue Betrachtungsweise afrikanischer
Werke.
Losgelöst von der herkömmlichen, von der Kolonialzeit
geprägten, ethnografischen Herangehensweise führen
die Autoren die Kunst Afrikas hier erstmalig unter modernen
kunsthistorischen Kategorisierungen wie Plastik, Performance und Design
vor.
Ein einführender Text geht detailliert auf kunsthistorische
Entwicklungen in Afrika ein, hebt historische Prozesse hervor, die
Einfluss auf die Kunst genommen haben und veranschaulicht die
Vielfältigkeit künstlerischen Ausdrucks innerhalb
einzelner Gesellschaften und Epochen.
Die Betrachtungsweise der Kunstwerke unter den modernen Kriterien der
Kunsthistorik rückt diese in die unmittelbare Nähe
westlicher Kunst und macht eine detaillierte Untersuchung der
gegenseitigen Einflüsse möglich. Dieser Bildband mit
seiner einmaligen Bildauswahl von höchster fotografischer
Qualität, lädt den Leser ein, die Kunst aus Afrika
vollkommen neu zu entdecken. (DuMont)
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"Afrika"
Aus der Reihe "Sehen - Staunen - Wissen"
Das Spektrum der Kulturen in "Afrika" reicht von der Steinzeitstufe,
auf der die Buschmänner leben, bis zum modernen
Großstadtgetriebe. Die Geschichte Afrikas kennt
große Errungenschaften, aber auch bittere Kapitel wie den
Sklavenhandel.
Heute werden dort über 1000 Sprachen gesprochen, und neben
Christentum und Islam gibt es viele Religionen mit geheimnisvollen
Riten. (Gerstenberg)
Buch
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