Richard Conniff: "Was für ein Affentheater"
Wie tierische Verhaltensmuster unseren Büroalltag bestimmen
Die
Manifestation unseres Primatenerbes kreuz und quer durch die
Firmenhierarchie
Seit Darwin die Eitelkeit seiner Mitmenschen zutiefst kränkte,
weil er erkannt hatte, dass Menschen und Affen von gemeinsamen
Vorfahren abstammen, ist viel Zeit vergangen. Heute wird unsere
Zugehörigkeit zu den Primaten zumindest überall dort
akzeptiert, wo man sich auf die Resultate seriöser
wissenschaftlicher Forschung beruft. Spätestens seit Desmond
Morris’ Buch "Der nackte Affe" zum Bestseller wurde,
akzeptieren wir auch die Tatsache, dass unser Verhalten deutliche
Parallelen zu jenem der haarigen Vettern aufweist. Richard Conniff
untersucht in "Was für ein Affentheater" ganz speziell unser
Arbeitsleben auf Relikte aus unserer Millionen Jahre alten biologischen
Vergangenheit, insbesondere Firmenhierarchien, Konfliktentstehung und
-bewältigung, Machtkämpfe, Aggression und
Versöhnung.
Wundern Sie sich manchmal, warum die Medien fast nie positive Meldungen
herausgeben, während Krieg, Kriminalität und
Katastrophen reichlich Beachtung finden? Die Tendenz der Menschen zu
einer negativen Einstellung ist eines unserer
Primaten-Erbstücke, denn das Leben unserer Vorfahren hing
davon ab, wie gut sie über dräuende Gefahren
informiert waren. Deshalb gehört beispielsweise die
Möglichkeit zum Klatsch zu den wichtigen Elementen der
Firmenkultur - Betriebe, die versuchten, den üblichen Tratsch
zu unterbinden, gerieten stets in Schwierigkeiten. Unsere archaischen
Instinkte lassen uns in Sekundenbruchteilen Mimik und Gesten unseres
Gegenübers analysieren, vor allem, wenn es sich um den Chef
oder einen Konkurrenten handelt. Von der Fähigkeit zu derart
rascher Einschätzung der Gemütslage Anderer
hängt unter Umständen das Leben eines rangniederen
Pavians oder Schimpansen ab, bei
Homo sapiens zumeist "nur" die
Karriere oder schlimmstenfalls der Arbeitsplatz.
Affen wie Menschen macht ein allzu despotischer, brutaler "Alpha" krank
und weniger produktiv, weshalb sich ein von oben verordnetes Klima der
Angst in Firmen nicht empfiehlt; eine
klare Hierarchie
benötigen beide Spezies dennoch zur Orientierung, auch, wenn
sich ihre Angehörigen als liberal empfinden.
Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem von Conniff
untersuchten, im Büro angewandten "tierischen"
Verhaltensrepertoire unserer Art.
Richard Conniff vergleicht nahezu alle erdenklichen Aspekte des
Büroalltags mit analogen Situationen im Leben von Affen, die
im Rahmen seriöser Forschungsprojekte untersucht wurden. Es
verblüfft durchaus, wie intensiv wir trotz unserer
Jahrtausende alten Kultur und der rezenten Technisierung gerade in der
Arbeitswelt primatentypischen Verhaltensweisen frönen, ob wir
wollen oder nicht. Viele tun uns gut, insbesondere jenen unter uns, die
als "Alphamännchen" oder "-weibchen" agieren. Die Mehrheit der
Rangniederen sollte sich ihrer "tierischen" Bedürfnisse
bewusst werden, um sich angemessene Lebensqualität zu sichern.
Außerdem zeigt Conniff ihr viele Möglichkeiten auf,
wie Chefs durch ganz natürliche Verhaltensweisen (vom Lausen
und dem Anbieten des Hinterteils selbstverständlich abgesehen)
freundlich gestimmt, sprich, manipuliert werden können, und
wie ein unerträglicher "Alpha" durch gemeinschaftlich
agierende Untergebene seine Position verlieren kann - in
Primatengemeinschaften sind das alltägliche Vorgänge.
Der Autor belegt seine Aussagen mittels zahlreicher Fallbeispiele aus
großen Firmen, von denen etliche nach Ansicht der Rezensentin
allerdings zu sehr auf US-Verhältnisse zugeschnitten sind. In
Europa mit seinen Betriebsräten und Gewerkschaften gestalten
sich einige Ausprägungen des Primatentums etwas subtiler,
zumal das Feuern von Arbeitnehmern hier nicht ganz so einfach ist. Das
tut dem Wahrheitsgehalt des Buchs aber keinen Abbruch.
Da "Was für ein Affentheater" an einigen Stellen Tipps und
Anleitungen zum "richtigen" Handeln in unterschiedlichen Situationen
der Berufswelt bietet, hat es neben dem Sachbuch- auch
Ratgebercharakter, was aus dem Untertitel nicht unbedingt hervorgeht.
Die Lektüre erfordert keine Vorkenntnisse. Das Buch ist
kurzweilig und humorvoll verfasst und vermag den Leser zuweilen zum
Lachen zu bringen, sofern dieser etwas Eigenironie besitzt, frei nach
Erich
Kästners "Entwicklung der Menschheit":
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
Bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
Noch immer die alten Affen.
(Regina Károlyi; 09/2006)
Richard Conniff: "Was für ein Affentheater"
Übersetzt von Jürgen Neubauer.
Campus Verlag, 2006. 328 Seiten.
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Richard
Conniff studierte Biologie in Yale und verbrachte längere Zeit
mit Tierstudien in Afrika. Der mehrfach ausgezeichnete
Wissenschaftsjournalist schreibt unter anderem für "National Geographic",
"Atlantic Monthly", "Time Magazine" und "Smithsonian". Auf
Deutsch erschien von ihm bisher "Magnaten und Primaten. Über
das Imponiergehabe der Reichen":
"Magnaten und Primaten. Über das Imponiergehabe der Reichen"
Richard Conniff, Zoologe und Wissenschaftsjournalist,
beschäftigt sich in diesem Buch mit zwei Fragen: Sind die
Reichen anders als du und ich, die wir weniger betucht sind? und: Wie
stark stimmen Mensch und Tier in ihrem Verhalten überein? Auf
beiden Fragen findet er verblüffende Antworten. Die Reichen
heben sich von den weniger Begüterten deutlich ab und sind in
ihren Verhaltensmustern, in Auftreten und Gebärden einigen
Tieren nicht unähnlich. Jene, die Geld und Macht haben,
entwickeln Strategien, um in allen Lebenslagen dominant zu bleiben und
Minderbemittelte in ihre Schranken zu verweisen zu können. Die
Parallelen zur Tierwelt sind häufig frappierend:
Wirtschaftsführer und andere Firmenchefs ähneln
Gorillas, Filmstars prächtigen Vögeln. Bill Gates,
Ted Turner und Rupert Murdoch setzen, wie viele Tiere auch, Duftmarken
in ihren Revieren und sind so die besten Beispiele für
Alpha-Männchen - die es auch in jeder Pavian-Herde gibt. Der
Autor spiegelt respektlos die exzentrische Welt mancher Reicher mit der
nicht minder bizarren Welt exotischer Tiere, und er bietet
höchst vergnügliche Einblicke. Die mit Perlen
bestickten Krägen der Gewänder Königin
Elisabeths I. erinnern ihn an die Halskrause eines Ohrenmakis, und
Marilyn Monroes Gesten sind die eines verschreckten Äffchens,
Donald Trump ist ein stampfender Elefant und John D. Rockefeller ein
dominanter Mandrill. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Magnaten
der Geschäftswelt sind als Primaten unter uns. (Blessing)
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