Marek Halter: "Alles beginnt mit Abraham"
Das Judentum mit einfachen Worten erzählt
Gerade erst
aus
dem jüdischen Ghetto in Warschau entkommen, wird der fünfjährige
künftige Autor von einer deutschen Militärstreife aufgehalten. "Jude?" wird
er von dem Mann in Uniform gefragt, und sowie er "Jude? Ja! Ja, natürlich!"
antwortet, brechen die Soldaten das ganze offenbar für einen Scherz haltend
in Gelächter aus und lassen ihn laufen.
Klar, dass solche Ereignisse eine
starke Prägung hinterlassen können, und so nimmt es auch nicht Wunder, dass
die Frage nach der Identität des Judentums Halter in seinem späteren Leben als
Journalist und Schriftsteller nicht mehr losließ. So wie sich die Knesset bald
nach der Gründung des Staates Israel des Vorhabens entschlug,
jüdische
Identität zu definieren, bleibt auch Marek Halter bescheiden, er
versucht lediglich zu erklären, warum er selbst sich
nach
dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft, endlich ein freier Mensch, "mit vollem Bewusstsein und
in völliger Freiheit" (auch
Sartres
Filosofie hat den jungen Mann sehr beeinflusst) als Jude bekannte.
Marek Halter ist kein Israeli (sondern Franzose), sicher nicht auf orthodoxe
Weise religiös, nicht einmal die Tatsache der Abstammung von jüdischen Eltern
ist ihm zureichender Grund seiner freien Entscheidung zum Judentum. Um das für
ihn Wesentliche dieser Entscheidung zu erklären blickt der Autor weit zurück
in die Anfänge der Geschichte, beleuchtet die wichtigsten Gestalten und prägendsten
Ereignisse des Judentums und nimmt zu diesem Zweck jenes Buch unter die Lupe,
welches bei den Juden "Tanach", bei den Christen "Altes Testament" heißt.
Dieses beginnt zwar nicht mit Abraham (sondern mit der
Erschaffung
der Welt), doch zweifellos ist Abraham darinnen die erste Gestalt,
die - filologisch betrachtet - aus dem Bereich des reinen Mythos heraustritt,
ein Mensch aus Fleisch und Blut, in dessen Stille hinein das Wort Gottes ergeht,
und der mit seiner Willenskraft und der Rigorosität seines Monotheismus nicht
nur das Judentum, sondern die Menschheit überhaupt bis in unsere Zeiten hinein
nachhaltig beeinflusst hat. (Nicht zu vergessen auch die
Verheißung
von Land und großer Nachkommenschaft, obwohl sich solche Stellen schon bei früheren
biblischen Gestalten finden.) So wird er jedenfalls von Halter beschrieben, dazu
die historischen und gesellschaftlichen Umstände seines Wirkens skizziert.
Moses
als Führer des Sklavenauszugs und Herr der Gesetze und Esra als Entdecker der
immensen Wichtigkeit schriftlicher Überlieferung zur Bewahrung von Identität auch
im (babylonischen) Exil werden ebenso eigene Kapitel gewidmet wie den Errungenschaften,
die durch sie auf die Menschen allgemein bzw. auf die Juden im Besonderen gekommen
sind und Letztere zum Volk der Schrift u.s.w. gemacht haben. Besonders gefallen
hierbei die feinsinnigen, oft ziemlich kühnen Interpretationen der bekannten Bibelpassagen,
welche in bester
Talmud-Tradition den Leser zu eigener Schau und Stellungnahme
herausfordern.
(fritz; 10/2001)
Marek Halter: "Alles beginnt mit Abraham.
Das Judentum mit einfachen Worten erzählt"
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