Jill Lepore: "Diese Wahrheiten"

Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika


Eine liberal-zentristische Betrachtung der us-amerikanischen Geschichte mit literarischem Potenzial

Jill Lepores Werk "Diese Wahrheiten" (im Originaltitel: "These Truths") steht und fällt mit der Frage nach fundamentalen demokratischen Wahrheiten, auf die sich die USA spätestens seit 1776 beruft. Während die Historikerin versucht, diese Frage zu beantworten, balanciert sie zwischen öffentlichkeitswirksamen Aussagen und Geschichtsforschung, um den Begriff der Wahrheit - ein aus der Sicht vieler Historikerinnen und Historiker kritisch zu betrachtender Terminus - für die us-amerikanische Geschichte zu rehabilitieren.

Mit diesem Ziel vor Augen bewegt sich Lepore bereits auf den ersten Seiten ihrer Analyse in den Grenzen einer liberal-zentristischen Betrachtung ihrer Nation. Ihre Thesen stehen immer wieder im Gegensatz zu konservativen Auffassungen der Materie. So datiert sie beispielsweise die Geburt der Vereinten Nationen nicht zwingend im Jahr 1776, sondern verfolgt die Spuren von weißen Siedlern, Ureinwohnern und Sklaven in der Kolonialzeit gleichermaßen. Dabei brilliert sie mit Detailwissen und Recherchen aus dieser Zeit wie keine Andere. In der Analyse der britischen Besitzungen in der Karibik betont Lepore, wie wichtig der Freiheitsgedanke der englischen Besatzer für das Verständnis ihrer globalen Rolle war. Das Verständnis von Freiheit und Vorherrschaftsrechten wird von Beginn an von allen Seiten beleuchtet. Spätestens mit der Unabhängigkeitserklärung und der Entstehung der us-amerikanischen Verfassung wird neben Wahrheit auch Freiheit zum Dreh- und Angelpunkt von Lepores Werk.

Wie auch im ersten Teil verflicht Lepore in ihrer Analyse der frühen Republik und der Bürgerkriegszeit nicht nur Darstellungen von bekannten Namen und Präsidenten wie Abraham Lincoln, sondern skizziert die Zeit auch aus der Sicht einfacher Leute, wie der Abolitionistin Maria W. Stewart oder des Erfinders F.B. Morse. Soziale Auflehnung und wichtige technische Erfindungen wie der Telegraf oder der Fotoapparat finden in Lepores Geschichte genauso Platz wie politische Akteure und deren Maßnahmen. Im dritten Teil, der den Leser nach dem Ende des Bürgerkriegs bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in die Grundzüge der us-amerikanischen Geschichte einführt, diskutiert die Autorin Themen wie Staatsbürgerschaft, Rasse oder auch Geschlechterbilder im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Konsum- und Massengesellschaft, die spätestens in den 1950er-Jahren in den USA Fuß gefasst hat. Besonders zu erwähnen ist Lepores Betrachtung der neuen Medien und deren Einfluss auf die populistische und progressive politische Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts.

Trotz der umfangreichen Betrachtungen kommen, wie Lepore zugegebenermaßen bereits in ihrer Einleitung festhält, Kultur, Alltagswelten und Ethnizitäten leider zu kurz. An erster Stelle soll ihr Werk einen Überblick über die politische Geschichte der USA liefern. Zu kurz kommen außerdem globale und internationale Zusammenhänge im 19. und 20. Jahrhundert. Lepore konstruiert ein Bild von Nordamerika und der Entstehung der USA, in dem globale Aspekte und Auswirkungen im Angesicht Amerikas in den Hintergrund gerückt werden. Historikerinnen und Historiker sind sich zum Beispiel über die Relevanz des Einflusses der 1848er-Revolutionen auf den Bürgerkrieg in den USA einig, was Lepore anders bewertet. Dass die Bürgerrechtsbewegung auch international großen Anklang fand, wird kaum erwähnt. Obwohl Lepore sich außerordentlich um Vielschichtigkeit und unterschiedliche Perspektivität bemüht, stehen der us-amerikanische Nationalismus und Patriotismus im Vordergrund.

Auch wenn man in Lepores Betrachtungen und Analysen Schwachpunkte feststellen kann, zeichnet sich "Diese Wahrheiten" besonders durch die sprachliche Qualität aus. Jill Lepores Analyse ist keine trockene Fachlektüre, sondern eine spannende Leseerfahrung, die voll von Metaphern und brillanten Vergleichen ist und mit ihrem literarischen Ton überzeugt. Das Werk offenbart unter Anderem Lepores schriftstellerisches Talent.

(Sabrina Brugner; 02/2020)


Jill Lepore: "Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika"
(Originaltitel "These Truths")
Aus dem Amerikanischen von Werner Roller.
C.H. Beck, 2019. 1122 Seiten, mit 33 Abbildungen.
Buch bei amazon.de bestellen

Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Jill Lepore ist Professorin für amerikanische Geschichte an der Universität von Harvard.

Buchtipps:

Daniel Immerwahr: "Das heimliche Imperium. Die USA als moderne Kolonialmacht"

Das Territorium der USA ist viel größer als die offizielle Landkarte zeigt. Der amerikanische Historiker Daniel Immerwahr entlarvt, wie es gelang, ein ganzes Weltreich zu errichten, ohne dass die Welt es merkte. Zu den Vereinigten Staaten gehörten (und gehören zum Teil bis heute) unter Anderem: die Philippinen und Puerto Rico, verschiedene Inseln im Pazifik sowie Teile Samoas. Einst Kolonien oder zur Ausbeutung von Rohstoffen annektiert, wurden sie nach 1945 als Außengebiete der USA bezeichnet.
In fesselnden Episoden schildert Immerwahr die Geschichte des verborgenen US-Imperialismus. Er schreibt über Menschenversuche in Puerto Rico, über den Spanisch-Amerikanischen Krieg auf den Philippinen, dem eine Million Menschen zum Opfer fielen, und über den Rohstoffraub im Pazifik. Um die dortigen Guano-Vorkommen abbauen zu können, erließ der US-Kongress 1856 ein Gesetz, nach dem US-Bürger unbewohnte Inseln für ihr Land annektieren konnten. Mehr als 50 Inseln wurden damit dem US-Territorium hinzugefügt, einige davon sind bis heute unter US-amerikanischer Kontrolle.
Ein spannend erzähltes Stück Weltgeschichte, das zeigt: Imperialismus und Globalisierung gehen bis heute Hand in Hand. Es ist Zeit, dass die Weltgemeinschaft den Kolonialismus endgültig überwindet. (S. Fischer)
Buch bei amazon.de bestellen

Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Peter Orzechowski: "Besatzungszone. Wie und warum die USA noch immer Deutschland kontrollieren"
Wie frei und souverän ist Deutschland? Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs verhalten sich die USA noch immer wie eine Besatzungsmacht. Kaum jemandem ist bekannt, dass die Amerikaner durch die nach wie vor gültigen Besatzungsrechte eine Fülle von Sonderrechten haben und diese auch in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Peter Orzechowski zeigt in diesem Buch, welche Regelungen Deutschland noch immer zur Besatzungszone machen und was die Vereinbarungen in der Praxis bedeuten.
Beispielsweise können die USA mit Truppen beliebiger Stärke in Deutschland einmarschieren, und die Soldaten dort, wo sie wollen, stationieren. Die Deutschen müssen dies dann auch noch finanzieren. Darüberhinaus ist die Bundeswehr verpflichtet, die USA bei deren völkerrechtswidrigen militärischen Interventionen zu unterstützen.
Die Geheimdienste können bei ihren Aktivitäten uneingeschränkt Informationen sammeln, so viele Agenten einsetzen, wie sie möchten - und deutsche Dienste für sich arbeiten lassen. Die Gesetze Deutschlands gelten für die Agenten nicht. Geheimdienstmitarbeiter dürfen beispielsweise Waffen tragen. Begehen sie Straftaten, sind sie von der Strafverfolgung ausgenommen. Wie hemmungslos und kriminell vor allem US-Geheimdienste in Deutschland agieren, zeigt Peter Orzechowski eindrucksvoll.
Seit 1945 wird das Denken durch Propaganda im Sinne Amerikas beeinflusst. Der Autor enthüllt die groß angelegte Manipulation und Umerziehung. Eine entscheidende Rolle spielen dabei US-amerikanische Denkfabriken und NGOs.
Doch Peter Orzechowski geht noch viel weiter. Er zeigt, dass die USA Deutschland auch auf anderen Ebenen zusetzen: Sie fügen dem Land mit der Waffe der Massenmigration schweren Schaden zu. Und sie führen einen regelrechten Krieg gegen die deutsche Wirtschaft. Dabei bedienen sie sich der "NSA" und "CIA", die deutsche Unternehmen ausspionieren und schädigen.
Die Amerikaner machen daraus auch gar keinen Hehl. Der Sicherheitsberater und Geostratege Zbigniew Brzezinski schrieb schon vor Jahren offen und unmissverständlich, dass Deutschland nicht nur Protektorat sei, sondern auch Vasall der Vereinigten Staaten von Amerika. (Kopp)
Buch bei amazon.de bestellen

Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Ronald D. Gerste: "Trinker, Cowboys, Sonderlinge. Die 12 seltsamsten Präsidenten der USA"
Unterhaltsam und zugleich höchst informativ beleuchtet Ronald D. Gerste eine unbekannte Seite der US-Geschichte: das Leben skurriler, bemerkenswerter und mitunter auch tragischer Präsidenten der USA. Zugleich gibt er überraschende Einblicke in die bisher wenig bekannten Seiten des wichtigsten Amtes der Welt und seiner Inhaber.
Amerika war schon immer "great". Nicht erst heutzutage konnten Männer mit manchmal sehr ungewöhnlichen Biografien ins Weiße Haus gelangen. In diesem spannenden, amüsanten und auch nachdenklichen Buch werden zwölf dieser Präsidenten wieder lebendig, allesamt Individualisten, die fast alle weitab vom gängigen Politikertyp agierten und die dennoch das Amt prägten, in ihm scheiterten, mitunter aber sehr erfolgreich waren. Wir begegnen dem einzigen Präsidenten, der eigenhändig einen anderen Mann erschossen hat (Andrew Jackson). Wir begleiten einen Bücherwurm, der sich selbst zum Cowboy und Macho trimmte (Theodore Roosevelt). Wir sehen einen Mann, der im Berufsleben gescheitert war - und plötzlich über den Einsatz der Atombombe entscheiden muss (Harry Truman), und wir verfolgen den Aufstieg eines zutiefst misstrauischen Menschen, der sich von einer Welt von Feinden umgeben sah und schließlich vom höchsten Amt zurücktreten musste, als einziger Präsident (Richard Nixon).
Eine verblüffende und außergewöhnliche Porträtgalerie der sonderbarsten Männer im mächtigsten Amt der Welt. (Klett-Cotta)
Buch bei amazon.de bestellen

Digitalbuch bei amazon.de bestellen