Thomas Leibnitz (Hrsg.): "Beethoven"

Menschenwelt und Götterfunken


Zwar wäre sein Geburtstag am 17. Dezember, doch längst wird der berühmte Jubilar gefeiert. So auch in der Österreichischen Nationalbibliothek, wo unter dem Titel "Beethoven. Menschenwelt und Götterfunken" bis 19. April 2020 eine umfassende Ausstellung mit zahlreichen Originaldokumenten, Briefen, Noten, Skizzen, Bildnissen etc. des Meisters läuft. In Anklang daran und den Titel beibehaltend hat der Residenzverlag das vorliegende großformatige Buch herausgegeben, dessen letztes Viertel einen Katalogteil, die Auflistung der Exponate und ihre Abbildungen, umfasst. Der Hauptteil indessen besteht aus 16 Beiträgen von 14 Autoren zu verschiedensten Aspekten und Seiten, den göttlichen wie den menschlich-allzumenschlichen, des Ludwig van Beethoven.

Die hauptsächlich von Musikwissenschaftlern und Historikern stammenden Beiträge berühren insgesamt alle Perioden von Beethovens Lebenslauf. Die ersten Texte beschäftigen sich mit seiner Zeit in Bonn, seinen dortigen Föderern und Lehrern. Ein weiterer Text widmet sich Beethovens eigenen Erfahrungen - vom Komponieren allein konnte der frühe Freischaffende anfangs nicht leben - im Erteilen von Klavierunterricht, der allerdings kein Quell großer Freude für ihn war. "Der geglückte Augenblick" nennt sich ein Beitrag über die Umstände seiner Ankuft 1792 in Wien, wo er denn auch bleiben sollte, obwohl es nicht mehr das Wien des in Künstlerkreisen hochgeschätzten Josephs des Zweiten, auf dessen Tod zwei Jahre zuvor er eine Kantate geschrieben hatte, war. "Gaben und Gegengaben" beschreibt das Verhältnis zu seinen adeligen Förderern in Wien, die da mit einer neuartigen Mischung aus bürgerlichem Stolz und persönlichem Eigensinn (und freilich sehr großem Talent) konfrontiert waren. "Vom Umgang mit Beethoven" handelt davon, dass der berühmte Komponist nicht immer der angenehmste Zeitgenosse war, was freilich nicht nur mit seinem schwierigen, zu Jähzorn neigenden Charakter, sondern auch mit Missverständnissen und zunehmender Schwerhörigkeit zu tun hatte. In "... kommens heute zur Schwane?" kommt der Cellist Nikolaus Paul Zmeskall, mit dem Beethoven freundschaftlichen Umgang pflegte, zu Wort und Ehren. "Der Wiener Kongress 1814/15" handelt von der Internationalisierung seines Ruhmes, während "Beethoven im Zarenreich" sich mit seiner besonderen, kontroversiellen Rezeption in Russland auseinandersetzt. Ein Artikel dreht sich um "Beethoven und seine Verleger", während "Skizzieren und Komponieren" die zähe, stufenweise (oder zunächst hastig vorauseilende) Arbeit bei seiner eigentlichen Beschäftigung zum Thema hat. "Großmogul und Zopfperücke" beschreibt das Verhältnis zu seinem Förderer, "Lehrer" und großväterlichen Freund Joseph Haydn, über den er sich nichtsdestoweniger manchmal lustig zu machen wagte. "Maßstab und Inspirationsquelle" thematisiert seine Beziehung zu Mozart, beginnend mit seinen frühen Variationen über Themen aus Mozart-Opern, erwägt, wo (und, noch interessanter, wie) ein Treffen bei Beethovens erstem Wienbesuch im Jahre 1787 erfolgt sein könnte, erwähnt auch die zumindest schriftlich unbeantwortete Frage des Neffen (mit dem gemeinsam er eine Zeitlang Tagebuch führte - "Fürsorge, Zwang und Verzweiflung" handelt von dem qualvollen gescheiterten pädagogischen Unterfangen Onkel Ludwigs), ob er Mozart kennengelernt habe. Fest steht, dass Beethoven Abschriften einzelner Passagen aus Werken Mozarts anfertigte, um so, wie der Autor meint, den kompositorischen Vorgang besser nachvollziehen zu können. "Das Geheimnis in der Lade" stellt sich einmal mehr dem Rätsel, wer wohl mit dem Brief an die unsterbliche Geliebte gemeint sein könnte, dabei jedoch seriösen Untergrund nicht verlassend.

Seriös, kenntnisreich und bündig sind im übrigen sämtliche Texte geschrieben und zeichnen in ihrer Gesamtheit ein komplexes Bild der Persönlichkeit, des Schaffens und der Lebensumstände des großen Komponisten.

(fritz; 02/2020)


Thomas Leibnitz (Hrsg.): "Beethoven. Menschenwelt und Götterfunken"
Residenz, 2019. 256 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen.
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