Peter Balko: "Zusammen sind wir unbesiegbar"
Recht selten werden
slowakische Bücher ins Deutsche übersetzt. Kürzlich geschah es so mit
dem 2014 erstveröffentlichten, im Folgejahr prämierten, vielverkauften
Roman des Slowaken Peter Balko, bis dahin hauptsächlich Autor von
Filmdialogen.
Der Titel "Zusammen sind wir unbesiegbar" zielt auf die
Knabenfreundschaft zwischen dem Erzähler Leviathan und seinem Freund
Kapia, wie sie, beginnend mit einem Brief, endend mit einer
Briefantwort, dazwischen in etlichen gemeinsamen Szenen, vor allem
Abenteuern und Streichen, allesamt aus dem neunten Lebensjahr der
beiden, zur Sprache kommt.
Diese Sprache macht aus ihrer Unterhalterabsicht kein Hehl, sie mischt nach Bedarf erzählende Rückschau und eine kindliche Perspektive, gibt sich recht deftig und ist reich an flotten Sprüchen, ausgesuchten Schimpfwörtern und lässigen Ausdrücken, kleinen Ungebührlichkeiten und Scherzen in der primär auf Augenblickswirkung bedachten Art, wie man sie gehäuft auf Kabarettbühnen antrifft, was freilich auch heißt, von recht unterschiedlicher Qualität. Erzählt wird im Stil des magischen Realismus, und manchmal hängt ein schwerer Duft von hundert Jahren Einsamkeit in der Luft.
"Man munkelte, der Witwe seien vor Kummer das Haar weiß geworden und die Augen verfault. Maco Mamuko schwor bei seiner ganzen Familie und Vaters Fäkalwagen, sie um Mitternacht auf der Straße stehend gesehen zu haben mit den geschlachteten Hähnen in den Armen. Kapia lachte ihn vor allen Mitschülern aus, verdrosch ihn und zwang ihn, einen Tafelschwamm zu essen." (S. 75/76)
Überhaupt ist dieser Kapia,
des Erzählers bester, sogar einziger Freund, dem er, so heißt es, damals
versprochen hat, ihn in seiner Geschichte als "den größten Macker" von
allen (jedenfalls in seiner achtjährigen Gewichtsklasse) zu beschreiben,
ein großer Raufbold und Tunichtgut aus der Unterschicht, und dank seiner
Fähigkeit, bei zugekniffenem linkem Auge unfehlbar Gut und Böse zu
unterscheiden, für andere Kinder (das heißt schwächere) eine echte
Plage: "Seine Opfer behandelte er alle gleich. Er würgte, schlug,
biss, bepinkelte und erniedrigte sie, unabhängig von Hautfarbe,
elterlichem Wohlstand oder Geschlecht." (S. 34/35).
Gnade vor dem hellseherischen Auge finden nur der Erzähler und eine
gewisse Alica, die ebenfalls achtjährige, im Verlauf noch öfter eine
Rolle spielende Schönheit der Stadt.
"Ich konnte immer gut lügen, und wenn zu Hause die Schule zur Sprache kam, antwortete ich stets ausweichend und diplomatisch, jedoch ohne meinen Eltern bewusst zu machen, ausweichend und diplomatisch geantwortet zu haben." (S. 15)
Von ihrer geteilten
Außenseiterexistenz (der größte Macker und ein schüchterner, vorzeitig
das Lesen gelernt habender Übergewichtiger) und dem Willen, richtig
harte Kerle zu sein, abgesehen teilen die beiden eine Vorliebe für
Geschichten, der eine (der Erzähler) erzählt gern, der andere hört ihm
gespannt zu und gibt hin und wieder Kommentare ab, und diese
Konstellation ist nicht das Einzige, womit Balko auf Diderots einzigen
Roman
"Jacques
der Fatalist und sein Herr" anspielt.
Unterschiedlichstes Material fließt in Balkos Roman ein - Sagen der
Region, Gerüchte, Erzählungen aus dem letzten großen Krieg und sonstiges
Historisches, Ethnografisches, Naturkundliches, persönliche
Erinnerungen, erste Schreibversuche setzen in den zwölf Kapiteln
Wirklichkeit neu zusammen, singen nicht nur das eigenwillige Lied einer
ungleichen Knabenfreundschaft und ihres unterirdischen Versteckes auf
dem Baum, sondern vermitteln auch einen Eindruck der geschichtlichen
Abläufe in diesem gemischtsprachigen Grenzgebiet zu Ungarn (Novohrad)
und entwerfen ein kleines sozio-kulturelles Porträt der Kleinstadt, in
der und deren umliegenden Wäldern sich das allermeiste zuträgt.
Lošonc heißt diese übrigens (auf ungarisch, slowakisch: "Lučenec", deutsch: "Lizenz"), und "Damals in Lošonc" lautet der Originaltitel von Balkos Roman, welcher nicht zuletzt auch ein Sitten- und Zivilisationsbild seiner Kindheitsstadt enthält, einer Stadt, die, was die Erzählgegenwart des Romans betrifft, gleichermaßen geprägt ist von einer stetig steigenden Anzahl zusperrender Betriebe und herrenloser herumstreunender Hunde, dazu kommen längerfristige raue Gepflogenheiten wie weitverbreiteter Alkoholismus, außerdem hat die Nähe zu Ungarn historisch wie ethnisch Spuren hinterlassen und viele Bewohner der Region zweisprachig gemacht. Mit einiger Selbstverständlichkeit fallen solchermaßen bei Balko ungarische Wörter und Sätze, und häufig werden genüsslich, freilich allweil im derben Scherze, manche Nationalitätenklischees bedient. Da es sich bei dem Autor um einen guten, nach dem Vorbild seines Kindheitsfreundes streng demokratisch gesinnten Europäer handelt, bekommen bei sich bietender Gelegenheit Tschechen, Zigeuner, Polen, Deutsche und manche Andere ebenso ihr Fett ab, und die Ungarn nicht mehr als die Slowaken.
Überhaupt ist Peter Balko
nicht an Schonung seiner Landsleute gelegen. Unbarmherzig strahlt er mit
dem Licht der Aufklärung bis in die hintersten Winkel (zumindest die des
mittleren Südens) seines Landes, lässt in den Geschichten nicht nur
Realistik und blühende Fantasie, sondern immer wieder auch Licht und
Finsternis humorvoll unerwartete Verbindungen eingehen, findet zuweilen
recht subtile Wege, mit seiner karikierenden Komik und saloppen
Erzählweise gewisse gesellschaftliche und mentale Zustände sichtbar
werden zu lassen und gleichzeitig die besondere Urwüchsigkeit seiner
alten Heimat zu feiern. "Alles war so, wie es sein soll."
lautet das mehrmals wiederholte Mantra kindlicher Zeitlosigkeit, die
einen besten Freund an der Seite weiß.
Auch wenn nicht alles an Balkos spezifischer fantastisch-realistischer
Mischung überzeugt, manche Scherze und Anspielungen nur von Slowaken
nachvollzogen werden können und die Vorbilder manchmal noch recht
deutlich erkennbar sind, ist "Zusammen sind wir unbesiegbar" ein sehr
ansehnlicher und amüsanter Erstling, an dem der Autor sichtlich seine
Freude hatte.
(fritz; 03/2020)
Peter Balko: "Zusammen sind wir
unbesiegbar"
(Originaltitel "Vtedy v Losonci")
Übersetzt von Zorka Ciklaminy.
Zsolnay, 2020. 160 Seiten.
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Peter Balko, geboren 1988 in Lučenec/Lošonc, der sich bereits als Drehbuchautor einen Namen gemacht hat, erhielt für sein Romandebüt zahlreiche Preise und ist einer der meistbeachteten slowakischen Autoren der Gegenwart.