Arturo Pérez-Reverte: "Das Los, das man zieht"
Was wird den Spanischen
Bürgerkrieg entscheiden? Kaltblütige Auftragsmörder, die Wirkung von
Kunst oder Falschmeldungen gegenüber Geheimdiensten?
Im Spanischen Bürgerkrieg dient Lorenzo Falcó der Gegenregierung von
General Francisco Franco als abgebrühter Auftragsmörder und
verlässlicher Agent für ganz spezielle Aufträge. Nur heiße Nächte
unterbrechen die Kaltblütigkeit des charismatischen Lebemanns, besonders
wenn er sie mit Frauen verbringt, deren erwartbare Lebenszeit angesichts
ihrer eigenen Agententätigkeit nicht absehbar ist. Eine historische
Nacht mit seiner Gegenspielerin, der sowjetischen Agentin Eva -
beschrieben im gleichnamigen zweiten Roman der "Falcó"-Trilogie, in der
deutschen Übersetzung "Der Tod, den man stirbt" - bleibt unvergessen.
Ihr weiteres Schicksal ist in Zeiten stalinistischer Säuberungen
ungewiss.
Im Frühjahr 1937 wird dem Geheimagenten ein ganz spezieller Auftrag
befohlen: Er soll in Paris einen aktiven Unterstützer der
republikanischen Bürgerkriegsgegner und Kunstsammler im Umfeld Pablo
Picassos diskreditieren und die Fertigstellung von dessen größtem und
bedeutendstem Bild sabotieren. Denn es symbolisiert die Zerstörung der
baskischen Stadt Guernica durch die Bomben von Francos deutschen und
italienischen Verbündeten und soll als Antikriegsbild im spanischen
Pavillon der Pariser Weltausstellung im Sommer 1937 die Grausamkeit des
Faschismus öffentlich anklagen.
In der Stadt an der Seine mischt sich Falcó gern ins Milieu der Künstler
und Tänzerinnen in freizügigen Bars und führt ein Leben, das keinesfalls
den moralischen Vorstellungen der konservativen Nationalisten von
General Franco entspricht. In dem Agentenroman, der Spionageabenteuer
zwischen historischen Fakten ansiedelt, erscheint Lorenzo Falcó als ein
ideologisch unabhängiger Geheimagent, dessen intellektuelle Wachsamkeit
und schlaue Gewitztheit trotz aller Brutalität nicht unsympathisch ist.
Und dennoch verbieten es Vernunft und zeitgeistige politische
Korrektheit, im Protagonisten einen "Guten" zu sehen.
Die im Leser aufkeimende, nicht zu unterdrückende Sympathie für den
Protagonisten, einen gewalttätigen Unterstützer der extremen Rechten,
verunsichert, auch bei genauen Schilderungen von Gräueltaten in den
Reihen der gegnerischen Republikaner und bei Betrachtung der
historischen Fakten: 1937 waren weder der Ausgang des
Spanischen
Bürgerkriegs gewiss noch die Fronten des sich abzeichnenden
Zweiten Weltkriegs. In
der Sowjetunion wurde auf Geheiß Stalins fast der gesamte
Generalstab der Roten Armee hingerichtet, in Frankreich bedrängte
nationalistischer Terror die linke Volksfrontregierung hart. Auf der
Pariser Weltausstellung standen sich die hochaufragenden
Monumentalbauten der Sowjetunion und des nationalsozialistischen
Deutschlands wetteifernd gegenüber und versinnbildlichten die
vereinnahmende Unterstützung der spanischen Bürgerkriegsparteien durch
diese beiden totalitären Regimes.
Der spanische Autor, ein nach dem Krieg Geborener des Jahrgangs 1951,
schildert gleichermaßen die Grausamkeit beider Seiten; die Spannung im
Agentenroman entsteht jedoch weniger aus den bravourös gemeisterten
Aufträgen des nationalistischen Protagonisten gegenüber seinen
republikanischen Widersachern, denn es scheint - zumindest im Roman -
eine über die jeweiligen Erfolge hinausgehende Art von Kollegenschaft
zwischen beiden Seiten bis hin zu erotischen Beziehungen zu geben.
Pérez-Reverte nennt Falcó in einem Interview
"un patriota de sí mismo" ("einen Patrioten seiner selbst").
Es geht um den nur persönlichen Erfolg, um die von Ideologien und
Politik unabhängige Gestaltung des eigenen Lebens und besonders des
Liebeslebens, das kriegerische Konfrontationen für ein paar Nächte
ebenso nichtig macht wie die Kunst, über die der Autor Pablo Picasso
sagen lässt: "Der Krieg ist ein gemeinsamer Feind der gesamten
Menschheit" (S. 240).
Unter diesen Prämissen, und nach Meinung des Rezensenten nur unter
diesen!, lässt sich der Agentenroman mit hohem Gewalt- und nicht ganz so
hohem Erotikanteil lesen und genießen, als Monument gegen Krieg und
Gewalt wie Picassos letztendlich unzerstörtes Symbolgemälde "Guernica".
(Wolfgang Moser; 12/2019)
Arturo
Pérez-Reverte: "Das Los, das man zieht"
(Originaltitel "Sabotaje")
Aus dem
Spanischen von Petra Zickmann.
Insel, 2019. 430 Seiten.
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Die Vorgängerbände aus
dieser Reihe:
"Der Preis, den man zahlt"
Werden Loyalität und Liebe das letzte Wort haben? Oder Verrat und Gewalt?
Der virtuose Geschichtenerzähler Arturo Pérez-Reverte hat einen
packenden Spionageroman geschrieben und entführt uns in eine
zwielichtige Welt, in der jeder seinen Preis zu zahlen hat ...
Der Spion Lorenzo Falcó ist charismatisch, mit allen Wässerchen
gewaschen und steht vor der waghalsigsten Mission seines Lebens. Es ist
das turbulente Jahr 1936, und er hat den Auftrag erhalten, im
südspanischen Alicante einen hochrangigen politischen Gefangenen zu
befreien und vor dem sicheren Tod zu retten, eine kriegsentscheidende
Aktion. Falcó hat drei Mitstreiter, darunter die undurchsichtige Eva
Rengel. Man ist einander nie zuvor begegnet, muss sich aber absolut
aufeinander verlassen können. Und während sie sich immer weiter in eine
scheinbar bodenlose Situation aus Grausamkeit und Täuschung verstricken,
kommen Falcó und Eva sich nahe. Gefährlich nahe, denn schon sehr bald
wird deutlich, dass alle Beteiligten ein Doppelspiel betreiben. (Insel)
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"Der Tod, den man stirbt"
März 1937: Der Spanische Bürgerkrieg setzt sich mit aller Gewalt fort.
Der Spion Falcó wird nach Tanger geschickt, wo ein Schiff mit 30 Tonnen
Gold im Hafen liegt. Die neue Mission für den Agenten: Er soll den
Kapitän zum Überlaufen bewegen und so das Gold
der Republik erbeuten. Doch der hat Unterstützung - von Eva, Falcós
früherer Gegenspielerin, Geliebten, Obsession ...
"Der Tod, den man stirbt" erzählt rasant von den Schattenseiten der
Ehre, von Gewalt und Verrat. (Insel)
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