Jaume Cabré: "Claudi"


Ein magisches Gemälde als Zufluchtsort und Zeitportal

Die Miniaturpublikation "Claudi" bietet lediglich 22 Textseiten und kostet in Österreich stolze 14,40 Euro. Dies sowie die kinderbuchartige Aufmachung nimmt man gewissermaßen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis: Mit einem lachenden, weil prinzipiell jedes Buch des 1947 geborenen Diplom-Philologen (Katalanistik) Jaume Cabré hochwertigen Lesegenuss garantiert, mit einem weinenden, weil unbegreiflicherweise so viele seiner bedeutenden Werke bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden sind und der interessierte Leser hierzulande mit der Erzählung "Claudi" abgespeist wird.

An dieser Stelle sei der innige Wunsch an die Verantwortlichen zum Ausdruck gebracht, geneigte Verlage mögen endlich mehr aus Jaume Cabrés umfangreichem Oeuvre, darunter "Quan arriba la penombra", "Fra Junoy o l'agonia dels sons", "La teranyina" und "Viatge d'hivern", um nur einige Originaltitel zu nennen, auf Deutsch verfügbar machen!
Unverständlich ist, warum Übersetzungen von Werken des Autors, der im Werbetext der aktuellen Veröffentlichung völlig zu Recht (und angesichts des überteuerten Bilderbüchleins geradezu maliziös) als "Großmeister der katalanischen Literatur" bezeichnet wird, im deutschsprachigen Raum gänzlich ausbleiben oder lange Jahre auf sich warten lassen! Verlage in anderen europäischen Ländern agieren diesbezüglich, man kommt nicht umhin, dies anerkennend festzustellen, schlicht und ergreifend rühriger und vor allem kulturbewusster.

Von der allzu kurzen Geschichte sei an dieser Stelle nur so viel verraten: Die besondere Beziehung des verheirateten Eigenbrötlers Claudi zum Bild "La paysanne" von Jean-François Millet, das unter bestimmten Umständen magische Eigenschaften offenbart, sorgt für fantastische Vorkommnisse und Verstörungen.

Die übertrieben vielen (19 an der Zahl!) ganzseitigen Illustrationen des deutschen Zeichners Jörg Hülsmann (Jahrgang 1974) in knalligen Gelb- und Rottönen (eine Anspielung an die Fahne Kataloniens etwa?) trösten keineswegs über die große Enttäuschung, dass auf Deutsch anno 2019 nur diese kurze Erzählung Jaume Cabrés "Buch" geworden ist, hinweg. Zu wessen Wohl und Ruhm derartige Bücher überhaupt produziert werden, wäre eventuell erst noch zu ergründen.

(kre; 09/2019)


Jaume Cabré: "Claudi"
(Originaltitel "Claudi")
Mit Illustrationen von Jörg Hülsmann.
Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt.
Insel, 2019. 47 Seiten.
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