Juli Zeh: "Neujahr"
Spannender
Roman über vergessen geglaubte Erinnerungen, eingebettet in
eine Urlaubsidylle
Henning hätte allen Grund, glücklich zu sein. Er hat
eine Frau, die er liebt, und zwei Kinder. Die Kinderbetreuung teilen
sich die Eltern, sodass sich jeder von ihnen auch in seinem Beruf
verwirklichen kann. Es gelingt Henning jedoch nicht, sein Gleichgewicht
im Alltag zwischen Arbeitsplatz und Kinderbetreuung zu finden. Denn da
ist auch noch ES, beherrscht sein Leben - vor allem nachts - und macht
ihm seit der Geburt seiner Tochter immer mehr Angst.
Körperlich ist Henning gesund, aber ES, eine Mischung aus
Generalisierter Angststörung,
Ausgebranntsein und Belastungsstörung, wie seine
Ärzte diagnostizieren, belastet ihn zunehmend. Aus einem
Impuls heraus, den er sich selbst nicht erklären kann, bucht
er für seine kleine Familie einen Urlaub auf Lanzarote, jener
Insel, die er seit Kindertagen kennt.
"Er mag generell
keine alten Frauen und
wird trotzdem eines Tages mit einer zusammenleben. Alte Männer
mag er noch viel weniger; trotzdem wird er irgendwann einer
sein. |
Dort folgt er eines
Tages dem unwiderstehlichen
Drang, mit seinem Fahrrad einen Berg zu bezwingen, auf dessen
Gipfel
sich ein kleiner Ort befindet. Während des mühsamen
und kräftezehrenden Aufstiegs denkt er über seine
Lebenssituation nach. Dabei kommen immer mehr verschwommene
Erinnerungen aus seinem Unterbewusstsein hoch und gewinnen im
Verlauf
der Fahrt zunehmend an Kontur. Mit jedem Meter der
Bergstraße, die er sich unter Aufbietung all seiner
Kräfte hinaufmüht, passiert etwas mit ihm. |
Die
Spannung im Roman baut sich rasch auf, schnell kommt der Moment, an dem
man nicht mehr zu lesen aufhören kann.
"Neujahr" ist eines der Bücher, die man in einem Zug
fertiglesen muss, bevor man aussteigen kann, und die einen so schnell
nicht wieder loslassen. Die Schilderungen der Landschaftsbilder, der
Fauna und Flora sowie der Gerüche der Insel sind so
eindringlich, dass der Leser meint, den immer herrschenden Wind und die
Hitze zu spüren und den Duft der Bougainvillea zu riechen.
Sehr empfehlenswert!
(Alexandra Gölly-Liebich; 09/2018)
Juli
Zeh: "Neujahr"
Luchterhand, 2018. 190 Seiten.
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