Heinrich Steinfest: "Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte"
Wie
ein Mordkomplott zwei Männer unverhofft zu
Schicksalsgefährten machte und ein Autor davon erfuhr
Dieser erstmals im Jahr 2008 aufgelegte Kriminalroman des in Stuttgart
ansässigen Autors Heinrich Steinfest bietet absolut
außergewöhnliche Figuren, eine
hintergründig angelegte Handlung, Spannung,
Gesellschaftskritik und - nicht zuletzt - hervorragende Unterhaltung!
"Mag sein, dass der Killer Jooß und der Wiener
Szirba sich in dieser Geschichte nicht wiedererkennen oder auch die
Geschichte nicht wiedererkennen und mich als literarischen
Doppelmörder qualifizieren. Mag sein.
Dennoch behaupte ich: Genau so ist alles passiert." (S. 250,
251)
Aus der Sicht des Auslandswieners Szirba, der das für ihn
reizvolle "Zufügen" (worunter er das Gegenteil von Diebstahl
versteht) perfektioniert hat, des südafrikanischen
Auftragsmörders Ludwig Jooß und
schließlich eines Schriftstellers, der beide Männer
im Winter 1999 in Johannesburg kennenlernt und sein letztes Geld
für Jooß' Erinnerungen aufbietet, wird eine sich
erst nach und nach zu einem schlüssigen Gesamtbild
fügende ebenso atemberaubende wie haarsträubende
Geschichte erzählt, die sich im Jänner desselben
Jahres in Stuttgart ereignet hat.
Der bislang eher verhalten agierende "Architekt ohne
Architektur"
Szirba gerät in eine inszenierte
Schießerei, als er einen vermeintlichen Geistesverwandten
geistesgegenwärtig aus der Schusslinie befördert. Er
selbst wird an der Hand verletzt und verliert den zuvor beschatteten
Parasitologen Bötsch, der kürzlich unabsichtlich beim
Anbringen eines Zierengels in einem fremden Haus wichtige Herren bei
einer geheimen Unterhaltung belauscht hat, aus den Augen, landet im
Krankenhaus, wo ein Mordanschlag auf ihn verübt wird, lernt in
der Psychiatrie die hünenhafte Gerda kennen, die ihn ins Herz
schließt, grüne Schals verteilt und immer zur
richtigen Zeit zur Stelle zu sein pflegt, was (nicht nur) ihm noch von
allergrößtem Nutzen sein wird, gerät mit
dem frisch verwitweten Boxer Heinz Neuper in Räumlichkeiten
unterhalb des Stammheimer Gefängnisses und befindet sich
sozusagen Hals über Kopf auf der Flucht, plötzlich
aus seinem bisherigen Leben katapultiert.
Wem kann man noch trauen? Sogar Polizisten und Taxifahrer stellen
mögliche Gegner dar, einflussreiche Zeitgenossen haben
überall ihre Finger im Spiel, und über allem dreht
sich unbeeindruckt der Stuttgarter "Mercedes"-Stern ...
"Wir müssen in die Offensive gehen und uns eine von
diesen dubiosen Figuren herauspicken." (S. 205)
Wie zwei ungleiche Ohrläppchen dafür sorgen, dass
nach einigen überraschenden Wendungen schließlich
alles anders kommt, wie der tagelang zu seiner eigenen Sicherheit
betäubte und von einer Nobelprostituierten gefangengehaltene
Szirba gemeinsam mit dem übergewichtigen, jedoch bei Bedarf
erstaunlich wendigen und hochintelligenten Jooß, dem sogar
eine Liebesnacht mit Olga, der bemerkenswert situationselastischen
Gattin des Parasitologen, vergönnt ist, loszieht, das
ungleiche Duo die Drahtzieher des Mordkomplotts entlarvt und deren
Motive enthüllt, verfolgt man gebannt und mit
Vergnügen, denn in Heinrich Steinfests Romanen geht es nicht
selten im besten Sinn auch märchenhaft zu (die Bösen
werden bestraft, die Guten erhalten Hilfe von unerwarteter Seite usw.).
Die nacheinander erzählten Geschichten Szirbas und
Jooß' erklären jene Umstände, die dem
Mordkomplott vorausgegangen sind, erhellen die Rollen und Absichten des
Köpple-Biografen und Sekretärs Geislhöringer
und Annegrete Holdenrieds, doch
Unterhaltsam schildert Heinrich Steinfest kuriose Szenen und die nicht
selten unfreiwillig in Ausnahmesituationen geratenden Protagonisten mit
wahrlich besonderen Eigenschaften, würzt alles mit lustigen
Einfällen und bringt stellenweise treffende Zeitkritik an.
"Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte" ist nicht bloß ein
Kriminalroman, sondern ein lebendig und einfallsreich mit Herz und
Verstand verfasstes Menschenaufdeckerbuch voller amüsanter
Details - eben typisch Heinrich Steinfest!
(Franka Reineke; 06/2018)
Heinrich
Steinfest: "Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte"
Piper, 2008. 251 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Digitalbuch bei amazon.de
bestellen