Claudia Piñeiro: "Der Privatsekretär"


Ein politisches Erdbeben samt Geschichte

Durch einen Freund kommt es, dass sich der politisch absolut desinteressierte Román Sabaté um eine Anstellung bei der neu gegründeten argentinischen Partei "Pragma" bewirbt, und, anders als sein ehrgeiziger Kumpan, auch tatsächlich ohne nachvollziehbare Begründung aufgenommen wird, was er dann aber auch nicht weiter hinterfragt. Nach dem Durchlaufen eines Auswahl- und Ausbildungsverfahrens bekommt er einen Posten als persönlicher Trainer des Parteigründers und Parteichefs Fernando Roviras, was ihn in täglichen Kontakt mit dem ambitionierten Politiker und seiner Frau Lucrecia bringt. Und gelegentlich tritt er auch im Fernsehen als eine Art Sprachrohr für seinen neuen Chef an.

Er kann aber nicht lange übersehen bzw. ignorieren, dass Fernando eigentlich gar keinen Trainer benötigt, und dass er zwar offiziell zum engeren, inneren Kreis der Partei gehört, aber in Wirklichkeit keine wichtigen Interna erfährt. Deswegen springt er ein, wo es nur geht, um sein Gewissen zu beruhigen, während Sebastián, sein Freund, der mittlerweile durch seine Vermittlung auch eine Stelle in der Partei bekommen hat, immer weiter aufsteigt und Romàn geradezu hochmütig begegnet.

Während sich Fernando Rovira auf die Wahl zum höchsten Amt von Buenos Aires vorbereitet, eine Provinz, die er später zu teilen gedenkt, wuseln die beiden Freunde also mehr oder weniger unabhängig voneinander vor sich hin, wobei Román das Glück hat, bei einigen Vertretungen für seinen Chef die Reporterin Valentina Sureda, genannt China, kennenzulernen, zu der er bald große Zuneigung entwickelt.

China ist an der Kampagne der "Pragma" interessiert, weil sie die Teilungsidee für Buenos Aires fasziniert. So sehr, dass sie begonnen hat, diese Idee im Verlauf der Geschichte Argentiniens zu untersuchen, denn Fernando Rovira ist nicht der erste Politiker, der diese Idee aufgebracht hat, und deren Aktualität könnte den Verkauf ihres geplanten Buchs fördern. Und sie findet allerlei spannende Hintergründe zu dieser Idee, wobei der wichtigste wohl ein unheimlicher Fluch ist.

Kurz bevor China und Román sich einander gänzlich öffnen, verschwindet Román plötzlich von der Bildfläche, zusammen mit dem jungen Joaquín Rovira, für den er seit dem Tod seiner Mutter Lucrecia eine Art Ersatzvater war, denn auch Fernando hat sich eigentlich nie um seinen Sohn gekümmert. Dafür gab es einige sehr ungewöhnliche Gründe. Nun begeben sich drei Gruppierungen auf die Suche nach den beiden Verschwundenen: China, Sebastián und einige eher düstere Gestalten aus Fernandos Mitarbeiterstab. Die Polizei wird seltsamerweise nicht eingeschaltet.

Neben der Darstellung der eigentlichen Handlung aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten gibt es immer wieder auch Einblicke in Chinas Arbeitsnotizen zu ihrem Buch, wobei auch gelegentlich Anmerkungen ihres Herausgebers für die bessere Vermarktbarkeit der Publikation auftauchen, was interessante Einblicke in das Veröffentlichungswesen in Argentinien - und wohl auch in anderen Ländern - gewährt. Außerdem kann man aus diesem Buch gar manches über Aberglauben und Hexenglaube in der lateinamerikanischen Politik und in der Gesellschaft im Allgemeinen erfahren.
"Der Privatsekretär" ist somit ein informatives Buch mit interessanten Charakteren und einigen sehr unerwarteten Wendungen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2018)


Claudia Piñeiro: "Der Privatsekretär"
(Originaltitel "Las Maldiciones")
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen.
Unionsverlag, 2018. 315 Seiten.
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