László Krasznahorkai: "Baron Wenckheims Rückkehr"
Viele
Köpfe für kein Halleluja: Ein
Auslöschungsexperiment im heutigen Ungarn
Bis der im Titel genannte Baron tatsächlich erstmals
namentlich im Roman auftaucht, hat sich der Leser im besten Fall
bereits mit dem bekanntermaßen
gewöhnungsbedürftigen Stil des ungarischen
Schriftstellers angefreundet, sodass dieser zugunsten der zunehmend
temporeichen Handlung in den Hintergrund tritt. Es ist kein Geheimnis,
dass es der anno 2015 mit dem "International Man Booker Prize"
ausgezeichnete László Krasznahorkai seiner
Leserschaft (und womöglich auch sich selbst) nie leicht macht:
Seine Bücher sind ein bisschen wie steinharte
Zaubernüsse, die es mit Beharrlichkeit und Entdeckerlust oder
auch Experimentierfreude unverzagt zu knacken gilt.
Unendlich erscheinende manisch-expressive Satzgebilde,
unverwechselbares Markenzeichen der kraftvollen Prosa des Autors, die
der Übersetzerin Christina Viragh vermutlich wieder
größtmöglichen Einsatz abverlangt haben,
breiten sich vor dem Leser aus und verleihen dem Roman mitunter eine
recht sperrige Beschaffenheit, doch gewinnt die Lektüre an
Dichte und Intensität. Freilich kann man es mit derart
markanten Stilmitteln auch übertreiben, wenn sie
nämlich zum reinen Selbstzweck verkommen.
"Baron Wenckheims Rückkehr" wird wohl nicht von
ungefähr mit dem "Warnung" betitelten Prolog
eröffnet, in dem ein sich allmächtig und allwissend
gebender Impresario (Autor?) die Orchestermusiker (Leser?) ebenso
gnadenlos wie fordernd informiert - und man ahnt bereits, dass das
anstehende Projekt insgesamt wohl kein reines Vergnügen werden
kann, hofft jedoch vertrauensvoll darauf, dass der abgebrühte
Redner (Autor?) in weiterer Folge gottgleich eine interessante Welt
erschaffen möge. Und, so viel vorweg: Man wird nicht
enttäuscht, muss sich allerdings auf Turbulenzen gefasst
machen.
Sodann erlebt man einen in die ungarische Provinzwildnis, den
"Dornbusch" nämlich, entflohenen berühmten Professor,
Experte für Moose übrigens, in seinem immer
absonderlicher werdenden Alltag, der zunächst eine Belagerung
durch die rachedurstige Tochter samt scheinmitfühlender
Medienmeute und zuletzt einen Mord bietet, flankiert von brutalen
Lederkluftträgern, einem Bauern mit zwielichtigem Nebenerwerb
und der treuen Haushälterin, die dem offenbar ausgebrannten
Professor eine Linzertorte bringt und verkündet, nun werde
alles besser, denn der Baron käme endlich zurück.
Doch sofort treten finstere Gestalten auf den Plan, die dem betagten
Rückkehrer (und auch anderen Menschen) nichts Gutes wollen ...
Anschließend kommt die Familie Wenckheim ins Spiel, die den
entfernten Verwandten aus misslichster Lage befreit, von Argentinien
nach Österreich einfliegen lässt, ihn allernobelst
einkleidet und unter strengen Auflagen, schließlich will man
den guten Familiennamen nie wieder entehrt sehen, per Zug in sein
Herkunftsland, nach Ungarn nämlich, verfrachtet, was
für einiges Aufsehen sorgt, legt doch der Herr Baron ein wenig
gesellschaftstaugliches Verhalten an den Tag. Lange Zeit bleiben seine
Gedanken auch dem Leser verborgen, woran sich erst in der Nacht seines
letzten Endes unabsichtlichen Selbstmords etwas ändern wird,
als er sich u.A. an einen Nachtspaziergang mit dem damaligen Erzbischof
Bergoglio erinnert und weltbewegende Erkenntnisse gewinnt ...
Der inzwischen 64-jährige Baron Béla hat Ungarn vor
mehr als vier Jahrzehnten verlassen, ist laut Medienberichten
spielsüchtig und scheut Berührungen. Sein Ruf, oder
vielmehr das, was die lüsterne Boulevardpresse daraus gemacht
hat, eilt ihm gnadenlos voraus, viele Ungarn erwarten von ihm
finanzielle Unterstützung, gar die Rettung seiner Heimat, was
immer man darunter verstehen mag.
Schon als sich ein zudringlicher Mitreisender im Zug wortreich als
unentbehrlicher Privatsekretär aufdrängt, ahnt man
als Leser nahendes Unheil, denn der eigennützige Fasler
entpuppt sich bald als der einschlägig bekannte
Spielautomatenganove Dante oder auch Contra, mit dem einige
Zeitgenossen, darunter der Hauptmann, noch offene Rechungen haben ...
doch Unkraut vergeht bekanntlich nicht.
Briefe des Barons an seine keusche Jugendliebe Marietta/Marika wecken
übertriebene Erwartungen, es herrscht hektische Betriebsamkeit
in der Stadt, vom Bürgermeister abwärts werden
allergrößte Anstrengungen unternommen, den adligen
Heimkehrer würdig zu empfangen, in der Menschenmenge am
Bahnhof erwartet auch Tante Ibolyka, die Haushälterin des
Professors, mit einer ihrer berühmten Linzertorten den hohen
Gast. Doch die Motorradfahrerbande vereitelt die Feierlichkeit, auch
will der Rückkehrer zunächst den Zug gar nicht
verlassen, hasst er doch Trubel. Es folgt eine peinliche Kutschfahrt
zum ebenso eilig wie mangelhaft wieder vom Waisenhaus zum Herrensitz
umfunktionierten Schloss, wo der Baron jedoch nicht bleiben will. Im
Hotelzimmer sucht ihn Irén, die gute Freundin seiner
Jugendliebe, auf und arrangiert ein Treffen. Allerdings erkennt der
Baron Marietta/Marika nicht, als er ihr gegenübersitzt und
beleidigt die Frau dadurch tödlich. So reiht sich Fehlschlag
an Fehlschlag, Missverständnis an Missverständnis,
bis Dante/Contra wieder auf den Plan tritt und den Baron
gewissermaßen in ein ehemaliges Casino, das nunmehr ein
chinesischer Gemischtwarenladen ist, der später, als sich die
Katastrophe geradezu biblisch ausweitet, zu einer Oase für
Notleidende wird, entführt.
Nach diesem Intermezzo kehrt die Geschichte zum auf der Flucht vor der
kriminellen Bande befindlichen Aussteigerprofessor, immerhin hat er
einen von der "Nazihorde" erschossen,
zurück, der inzwischen einen neuen Unterschlupf in der Wildnis
sowie einen treuen Freund in Gestalt eines zugelaufenen Hundes gefunden
hat, nach wie vor neben seinen "Gedankenentleerungsübungen"
tiefsinnige Überlegungen über Gott und die Welt
anstellt und einen feurigen Plan für sein dringend
erforderliches dauerhaftes Verschwinden ausheckt. Er verfügt
über genügend Geld und eine Waffe, um diesen Plan in
die Tat umzusetzen, und so kommt es, dass der Dornbusch in Flammen
aufgeht und in einer Grube ein verkohlter Leichnam sowie aus dem Besitz
des Professors stammende Gegenstände gefunden werden ...
Der ohnedies zu Trübsinn neigende Baron hat indessen genug von
der allzu originellen ungarischen Provinzwelt voller unliebsamer
Überraschungen und zieht daraus seine Schlüsse,
jedoch endet der einsame Waldspaziergang nicht wie in einem
plötzlichen Stimmungsumschwung geplant, denn der Baron wird
von einem Zug überfahren, womit die rundum
missglückte Rückkehr mit diesem nunmehr
unabsichtlichen Selbstmord ihr Ende gefunden hat.
Den Stadtbewohnern steht Schlimmes bevor, es riecht nach Untergang.
Zwar wird alles darangesetzt, die anlässlich der Heimkehr des
Barons entstandenen Reden, Fotos usw. verschwinden zu lassen, nichts
soll mehr an die Ungehörigkeiten und Peinlichkeiten erinnern,
doch mehren sich die Anzeichen, dass sich so oder so etwas Unheilvolles
zusammenbraut. Bedrückende Zustände breiten sich aus,
zahlreiche Vergewaltigungen und Morde geschehen, sogar die kriminelle
Motorradbande zieht sich vorsichtshalber zurück. Die Stadt
wird mehr und mehr isoliert, sämtliche Vorräte gehen
zur Neige, die Kommunikation mit der "Außenwelt" funktioniert
nicht länger.
Die Ereignisse überstürzen sich in immer schnellerem
Tempo: Der gerissene Dante/Contra sucht mit seinem neuen Kumpan die
verwandelte Marika auf, doch diese setzt sich nach Budapest ab, wo ein
wiedererkannter Mantel in einer demonstrierenden Menschenmenge
Erinnerungen aufwühlt.
Neun nach dem Tod des Barons ankommende Koffer voller Kleidung, das
langsame Abhandenkommen der Einheimischen und ihrer Kraftfahrzeuge, ein
schwarzer Autokonvoi, das plötzliche Auftauchen und ebenso
plötzliche Verschwinden unzähliger Tanklastkraftwagen
ohne erkennbaren Sinn, eine Krötenplage, ein an die Redaktion
der örtlichen Zeitung gerichteter, prompt
veröffentlichter skandalöser Ungarnbeschimpfungstext
und zerstörte Statuen zeichnen Bilder des Chaos und der
drohenden Katastrophe; die detailreich geschilderte Regionalapokalypse
ist nah.
Im wenig überraschend "ROM" betitelten Kapitel besingt
schließlich das "Deppenkind vom Waisenhaus"
die Brandruinen der einstigen Stadt aus sicherer Entfernung.
Neben sozusagen aus übergeordneter Perspektive
präsentierten Passagen ergreifen mittelbar und unmittelbar
zahlreiche Erzählstimmen das Wort, z.B. die
überschätzte romantische Jugendliebe des Barons,
deren Freundin Irén, ein Schaffner, der Tankwart Lajos,
Dóra vom Reisebüro, ein Briefträger, ein
Stallmeister, ein wütender Tischler und ein Taxifahrer, sodass
ein aus unterschiedlichen Stimmen, Klängen und Bildern
zusammengefügtes wuchtiges Panorama entsteht, das Einblicke in
höchstpersönliche Wirklichkeiten im heutigen Ungarn
ermöglicht.
Das Inhaltsverzeichnis heißt originellerweise "Tanzkarte"
(doch tanzt niemand auf dem Vulkan), die Großkapitel tragen
Titel wie beispielsweise "TRRRR ...", "HMMM" und "RARIRA", auch gibt es
einen "Notensammlung" benannten Teil, der Material für
Spitzfindige auflistet.
Der Roman bietet überdies Sprachexperimente (z.B. eigenwillige
Dialektpassagen), Kritik an charakterbefreiten Medienvertretern, am
Sensations- und Tränendrüsenjournalismus sowie an
Allmachtsfantasien, er zeigt einmal mehr das
Zerstörungspotenzial menschlicher Gier, Illusionen und
Machtbestrebungen und ist dennoch zumindest stellenweise ein
Plädoyer für die Ernsthaftigkeit der Liebe und
für Glaubensvorstellungen und überdies eine gegen
"moralische Brandstifter" gerichtete deutliche Anklage.
Einfach zu lesen ist der beinahe fünfhundertseitige selektive
Wälzer wie bereits erwähnt aufgrund der extrem langen
Satzgefüge nicht, zudem ist der Text optisch kaum
strukturiert, sondern fließt gedankengleich oder auch
echtzeitsprachlich mächtig dahin, wie die
Donau durch Budapest.
László Krasznahorkai verlangt dem Leser
Konzentration sowie Ausdauer ab und vermittelt die Schwerkraft einer
schöpferischen Existenz.
Inwieweit dieser Roman der auch auf der Buchrückseite
zitierten Forderung seines Erschaffers "Jedes meiner
Bücher soll die literarische Landkarte verschieben"
gerecht wird, bleibt dem Leser überlassen. Jedenfalls handelt
es sich bei "Baron Wenckheims Rückkehr" um eine kunstvolle
"Nestbeschmutzung" mit klassischen Symbolen und märchenhaften
Motiven, wobei besonders das absurd und brutal Ewigwiederkehrende
innerhalb der menschgemachten Weltgeschichte durch die Gestaltung
(siehe "Anweisungen" in der "Tanzkarte"!) sichtbar gemacht wird, sodass
"Da capo al fine" für die Gegenwart und
Zukunft wohl bedauerlicherweise wenig Gutes verheißt.
(kre; 09/2018)
László
Krasznahorkai: "Baron Wenckheims Rückkehr"
(Originaltitel "Báró Wenckheim
hazatér")
Aus dem Ungarischen
von Christina Viragh.
S. Fischer, 2018. 491 Seiten.
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László
Krasznahorkai wurde am 5. Jänner 1954 in Gyula/Ungarn geboren.
1993 erhielt er für "Melancholie des Widerstands" den "Preis
der SWR-Bestenliste". 1996 war er Gast des "Wissenschaftskollegs
Berlin". Bela Tarr verfilmte u.A. "Satanstango" und "Melancholie des
Widerstands" als "Werckmeisters Harmonien". Zuletzt erschien "Krieg und
Krieg", "Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege,
im Osten ein Fluß". "Seiobo auf Erden" wurde anno 2010 mit
dem "Brücke-Berlin-Preis" sowie dem "Spycher Literaturpreis
Leuk" ausgezeichnet. 2014 wurden dem Autor der "Vilenica International
Literary Prize" und der "America Award" zuerkannt, 2013 und 2014 der
"Best Translated Book Award".
Zur Netzpräsenz des Autors:
http://www.krasznahorkai.hu/
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Die Welt voran"
Dem Zauber des Beginns ist immer schon der Schrecken des Endes
eingeschrieben. Von den europäischen Schriftstellern seiner
Generation hat keiner dies so deutlich erfahren wie der ungarische
Autor und europäische Weltbürger
László Krasznahorkai. In seinem Werk wird eine so
betörend luzide wie düstere Karte unserer Gegenwart
gezeichnet. Das leuchtende Dunkel Becketts,
in dem er sich mit Kafkas
Kompass bewegt, steht auch hinter den Erzählungen seines
Buches "Die Welt voran", das durch die Musikalität seiner
Sprache und die Eindringlichkeit seiner Bilder zur Widerspiegelung
einer beinah geretteten Welt wird. (S. Fischer)
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"Der
Gefangene von
Urga"
Im fernen Urga hofft er, von seiner dunklen Melancholie erlöst
zu werden. Aber auch in der Ferne ist das Eigene immer dabei. So wird
die lange Reise zu einer Wiederbegegnung mit sich selbst und der
Entdeckung, dass sich zwischen Chinas Gärten und hupenden
Taxis ein Reich der Gleichzeitigkeit öffnet, das Raum und Zeit
umfasst, Melancholie und Glück. (Fischer)
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"Seiobo
auf Erden.
Erzählungen"
Seiobo ist eine japanische Göttin, deren Pfirsiche nur alle
3000 Jahre blühen, aber Unsterblichkeit schenken. Der Glaube
an solche Geschichten ist uns längst abhanden gekommen, nicht
aber ihre Sehnsucht. Ihr geht László
Krasznahorkai in diesem Buch nach. Er beobachtet, wie es in jeder
Epoche und in allen Kulturen vollkommene Dinge gab und gibt: der im
Fluss reglos stehende Reiher, die Grimasse einer No-Maske,
die
äußerste Nacktheit im Gesicht einer Ikone, die
Zerbrechlichkeit einer Buddha-Statue. Seine Helden sind Maler,
Schauspieler, Wissenschaftler - Menschen, die erzittern, wenn die
Dinge
plötzlich die Augen vor uns schließen. (Fischer)
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"Melancholie
des
Widerstands"
Eine kleine Stadt in Südostungarn wird durch die Ankunft eines
ominösen Zirkus aus ihrer Lethargie gerissen. Hauptattraktion
ist ein Herzog mit drei Augen und kaum zehn Kilogramm schwer. Er ist
gekommen, um alle zu richten. Die Bewohner der Stadt sind in Aufruhr
und versuchen sich vergeblich der Bedrohung zu widersetzen.
László Krasznahorkai, der Meister der Apokalypse,
hat eine schwarze Parabel auf Osteuropa geschrieben. (Fischer)
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"Satanstango"
Eine heruntergekommene Ansiedlung in Südostungarn. Keine
Arbeit, keine Hoffnung, keine Zukunft. Ringsum Verfall, von
strömendem Oktoberregen in tiefe Trostlosigkeit getaucht. Nur
eine Handvoll Menschen sind geblieben und warten auf ein Wunder, das
ihr Los zum Besseren wenden könnte. Eines Tages kommt Einer
und verheißt Erlösung: Irimias, ein ehemaliger
Dorfbewohner mit dem Charisma eines Propheten. Er verspricht anderswo
einen neuen Anfang, Arbeit und ein besseres Leben. Die Dorfbewohner
können sich der Suggestionskraft seiner Verheißungen
nicht entziehen, wenngleich sie ahnen, dass sie wie schon so oft in
ihr
Unglück rennen werden. Und richtig, Irimias ist ein Gaukler
und Gauner, der, seinerseits den Zwängen eines
übermächtigen Systems ausgeliefert, Spitzeldienste
für die Polizei verrichtet. Während aus dem Mund
eines Irren Warnlaute erklingen und rätselhaftes
Glockengeläut das Dorf erzittern lässt, tanzen dessen
Bewohner zur Feier ihrer bevorstehenden Befreiung in der Kneipe einen
infernalischen nächtlichen Tango ...
Eine Parabel über das Versagen von Ideologien, über
Indoktrination und Manipulation, über politische
Hörigkeit und Spitzelwesen, über die Macht von Worten
und das Unglück der Zeit. (Fischer)
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"Im
Norden ein Berg,
im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluss"
Im Süden Kyotos, an der einschienigen Schnellbahn der
Kaihan-Linie gelegen, nur eine Haltestelle außerhalb der
Stadt, ist ein Kloster. Eine labyrinthische Steigung führt den
Enkel des Prinzen von Genji an diesen abgelegenen Ort. Irgendwo hier
müsste er sein, der schönste Garten der Welt.
Wie von selbst werden seine Schritte durch die Klosteranlage gelenkt.
Eine ausgeklügelte Bauweise hat die Natur in Form gebracht,
jedes Ding hat seinen Platz und seine wohlgeformte Gestalt eine
Bedeutung an sich. Und so eröffnet sich ein feiner,
minutiöser Blick auf die Natur, auf Pflanzen, Wind und
Vögel, wie auch auf die Architektur, auf Pagoden,
Höfe, Terrassen.
Das Kleine groß werden zu lassen, Unauffälliges in
den Mittelpunkt zu rücken, die Bedeutung zu erkennen, die
selbst dem scheinbar Zufälligen innewohnt, Schönheit
im Alltäglichen aufzuspüren und das ordnende Prinzip
im angeblichen Chaos zu benennen, all das leistet
László Krasznahorkai bei seinem Ausflug in die
japanische Landschaft und in Japans Ideen- und Gedankenwelt.
Entstanden ist ein literarisches Kleinod von ungekannter Tiefe, ein
meditativer Text, der auch europäische Gemüter lehrt,
sich in die zirkuläre Denkweise des fernen Ostens
einzufühlen. (Fischer)
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"Krieg
und Krieg"
Korim, Archivar und Privatgelehrter aus einer ungarischen
Provinzstadt,
hat einen radikalen Entschluss gefasst: Er begibt sich auf eine Reise
in die USA, genauer nach New York City, um dort zu sterben. An der
Schwelle zum neuen Jahrtausend und auf verschiedenen
imaginären und realen Stationen - Budapest,
Kreta, Venedig,
Rom - unternimmt Korim eine Reise durch die Vergangenheit des
Abendlandes. Nochmals durchlebt er die Schrecknisse der Geschichte, um
anzukommen bei sich und seinem ersehnten Ende. (Fischer)
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