James Baldwin: "Beale Street Blues"
Baldwins Blues und das
Erbe des Schwarzen Amerikas
Der Autor, Dramatiker, Dichter und Kritiker James Baldwin ist eine der
wichtigsten und einflussreichsten afroamerikanischen Stimmen des 20.
Jahrhunderts. Mit der Neuübersetzung von "Beale Street Blues" (im
Original "If Beale Street Could Talk") erweckt "dtv" einen
vielkritisierten Autor und seine zeitlosen Werke wieder zum Leben.
Spätestens seit der Dokumentation "I am not your Negro",
veröffentlich im Jahr 2016 und gefilmt unter der Regie von Raoul
Peck, ist der Autor und Menschenrechtsaktivist James Baldwin wieder in
aller Munde. Es ist eine Renaissance, wie Daniel Schreiber sie im
Nachwort zum Buch nennt, die vor allem in den letzten Jahren um sich zu
greifen scheint und den Werken des Afroamerikaners neue Relevanz
verleiht. James Baldwin musste schon zu Lebzeiten harsche Kritik
über sich ergehen lassen. Nicht nur Rassentrennung und
Diskriminierung machten sein Leben in den USA zu einem
Spießrutenlauf, sondern man versuchte auch seiner literarischen
Karriere Steine in den Weg zu legen. Baldwins ethnische Herkunft und
Sexualität überschatteten in den Augen vieler seine
Bemühungen für die Gleichberechtigung von Menschen ungeachtet
ihrer Hautfarbe, Sexualität oder Klasse. Kritik kam somit von
allen Seiten, egal ob von schwarzer oder weißer, versichert
Schreiber den Lesern. Nichtsdestotrotz verfasste Baldwin Zeit seines
Lebens zahlreiche Romane, Dramen, Gedichte und Essays und lehrte
zuletzt auch an Universitäten in den USA. Seine Worte bewegen die
Leser bis heute und zeichnen ein Bild der us-amerikanischen
Gesellschaft, das nach Veränderung geradezu schreit. Es ist diese
Zeitlosigkeit, die Baldwin und vor allem "Beale Street Blues"
auszeichnet.
Zur Handlung: Tish ist auf dem Weg, ihrem Freund aus Kindertagen und
Verlobtem eine Nachricht zu überbringen. Sie ist schwanger. Es ist diese
Nachricht, die dem Künstler Fonny Hoffnung geben soll, bis er endlich
frei kommt. Denn Fonny sitzt im Gefängnis und ist der Willkür und dem
institutionellem Rassismus der us-amerikanischen Justiz, einer Justiz
der dominanten weißen Gesellschaft, ausgeliefert. Im Gegensatz zu vielen
Anderen kämpft Fonny nicht alleine gegen dieses Untier an. Er hat Tish,
ihre Eltern Sharon und Joseph, die unerschütterliche Ernestine und
seinen eigenen Vater Frank, der bei dem Versuch, seinem Sohn die
Freiheit zu ermöglichen, an seine Grenzen stößt. Für Tish ist es ein
täglicher Kampf zwischen Hoffnungslosigkeit und Durchhaltevermögen.
Fonnys Kampf macht nur seine Liebe erträglich, zu seiner Verlobten und
dem ungeborenen Kind. Doch warum ist Fonny eigentlich im Gefängnis?
Welche Straftat hat er begangen, um dort zu landen?
Obwohl sich die Antwort erst gegen Ende des Buches findet, zeichnet sich
das erste lange Kapitel von insgesamt zwei dadurch aus, dem Leser die
täglichen Herausforderungen der afroamerikanischen Minderheit in einer
scheinbar gleichberechtigten Gesellschaft darzustellen. Von Tishs
Anstellung im vermeintlich progressiven Einkaufszentrum bis zum "Colorism"
(darunter versteht man die Diskriminierung von Menschen mit dunklerem
Hautton gegenüber Menschen mit deutlich hellerem Hautton) innerhalb der
afroamerikanischen Bevölkerung prangert "Beale Street Blues"
grundlegende gesellschaftliche Probleme an. Doch die wirkungsvollste
Aussage macht Baldwin über die US-Justiz: Die Gefängnissysteme, die zu
einem großen Teil überfüllt sind mit schwarzen Insassen, sind eine
Fortsetzung der Sklaverei,
eine Möglichkeit, die afroamerikanische Minderheit in ihre Schranken zu
weisen und vor allem das Vorurteil des gefährlichen Schwarzen Mannes
(traurigerweise) immer wieder aufs Neue zu verstärken. Pointiert
formuliert Daniel Schreiber deshalb: "'Beale Street Blues' ist
Baldwins erschütterndstes Buch über die Psychologie des Rassismus"
(S. 215).
Wie so viele andere von Baldwins Werken ist dieser Roman in seinen Zügen
nicht nur sozialkritisch, sondern wirkt vor allem zeitlos aufgrund
seines Rhythmus und seiner Melodie. Beale Street ist immerhin jener Ort,
an dem der Jazz geboren wurde, erklärt Baldwin den Lesern. Es ist eine
Straße, die unwiderruflich mit dem Leben vieler Afroamerikaner verbunden
ist. Der Originaltitel stammt sogar aus demselben Lied, "Beale Street
Blues", ein Jazz-Song der von Größen wie Louis
Armstrong und Eartha Kitt gesungen wurde und daher eine passende
Wahl für Miriam Mandelkows packende Übersetzung ist. Denn nicht nur der
Ort, sondern auch Blues und Jazz verkörpern die Vielschichtigkeit der
schwarzen Kultur. Der Roman wirkt wie ein Song, gesungen von
Baldwin selbst, um Veränderung zu bewirken und die Herzen der Leser mit
seiner Stimme zu bewegen. Das tut dieser Roman mehr denn je.
Fazit:
Baldwin übertrifft selbst die Erwartungen seiner treuesten Leser.
Gespannt werden weitere Neuübersetzungen des Autors bei "dtv" erwartet.
(Sabrina Brugner; 08/2018)
James Baldwin: "Beale Street Blues"
(Originaltitel "If Beale Street Could Talk")
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow.
dtv, 2018. 224 Seiten.
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James Baldwin
(2.8.1924-1.12.1987) in
New York geboren, war der erste schwarze Künstler auf einem
Titelbild des "Time Magazine". Baldwin starb 1987 in
Südfrankreich.
Ein weiteres Buch des Autors:
"Von dieser Welt"
John Grimes ist ein schwarzer, empfindsamer Junge aus Harlem, sexuell
unschlüssig, seine einzige Waffe zur Selbstverteidigung ist sein
Verstand. Aber was nützt es, von den weißen Lehrern gefördert zu werden,
wenn der eigene Vater einem tagtäglich predigt, man sei hässlich und
wertlos, solange man sich nicht von der Kirche retten lässt. John sehnt
sich danach, selbst über sein Schicksal zu entscheiden, nicht sein
Vater, den er trotz allem liebt, nicht ein Gott, den er trotz allem
sucht. Als am Tag von Johns vierzehntem Geburtstag sein Bruder Roy von
Messerstichen schwer verletzt nach Hause kommt, wagt John einen mutigen
Schritt, der nicht nur sein eigenes Leben verändern wird. (dtv)
zur Rezension
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