Élisabeth Badinter: "Maria Theresia"
Die Macht der Frau
"Mit
heldenhafter Entschlossenheit." Maria Theresia und die Macht.
Als Maria Theresia anno 1740 die Regierungsgeschäfte von ihrem
plötzlich verstorbenen Vater, Kaiser Karl VI.,
übernahm, war sie 23 Jahre alt, schön, charmant, jung
verheiratet, mit ihrem vierten Kind schwanger und auf ihre neue Aufgabe
denkbar schlecht vorbereitet. Als Frau war sie nie als Thronerbin des
größten Reiches Europas vorgesehen. Allein die
fehlende männliche Nachfolge und ein neues Erbfolgegesetz, die
"Pragmatische Sanktion", führten zu ihrem Erbfolgeanspruch,
der aber unmittelbar nach dem Tod des Kaisers sofort in Frage gestellt
wurde. Preußen fiel in Schlesien ein und setzte damit den
Beginn des achtjährigen Erbfolgekrieges. Allen Widrigkeiten
und Niederlagen zum Trotz gelang es der neuen Regentin, sich als
rechtmäßige Thronerbin Karls VI. zu behaupten.
Jahrzehnte später, am Ende ihres Lebens, attestierte ihr
Friedrich II. von Preußen, ihr ewiger Gegenspieler, dass sie
die Erbfolge "mit heldenhafter Entschlossenheit"
verteidigt habe.
Élisabeth Badinter, französische Philosophin,
Historikerin und Feministin, stellt in ihrer Studie über Maria
Theresia, die mächtigste Herrscherin der Neuzeit in Europa,
die Frage der Macht ins Zentrum. Wie konstruiert sich Macht, wenn sie
von einer Frau ausgeübt wird? Ist Macht männlich, ist
sie weiblich, und wie verhalten sich die beiden Formen zueinander?
Die historische Ausgangslage ist unmissverständlich. Die
Geburt Maria Theresias, so schreibt Badinter, "ist eine
ungeheure Enttäuschung. Es ist ein Mädchen."
Denn während der gesamten Epoche der Moderne steht die
absolute Macht der abendländischen Monarchen im Maskulinum.
So verweist der Titel Königin lediglich auf die Gattin des
Königs, genauso wie Kaiserin auf die Gattin des Kaisers.
Dementsprechend kürt das Königreich Ungarn Maria
Theresia zum "König", nicht zur "Königin" von Ungarn.
Mit dieser Hypothek besteigt Maria Theresia den Thron der
Habsburger-Monarchie. Vierzig Jahre sollte ihre Herrschaft dauern,
sechzehn Kinder sollte sie gebären. Als Landesmutter in Bronze
residiert sie noch immer kaiserlich zwischen Natur- und
Kunsthistorischem Museum in Wien.
Ausführlich dokumentiert Badinter den Lebens- und
Regierungsstil Maria Theresias und beleuchtet zielgenau die
unterschiedlichsten Aspekte, angefangen von den naiven ersten bis zu
den bigotten letzten Jahren ihrer Regentschaft. Es geht weniger um
Kriege und Reformen als um die Art und Weise, wie sie ihre Macht
verteidigt und ausübt. Als wesentliches Merkmal zeigt sich
eine einzigartige Verschränkung ihrer verschiedenen Rollen als
Herrscherin, Gemahlin und Mutter, d.h. der männlichen und
weiblichen Rollenzuschreibungen, zu einem neuen Ganzen.
Außergewöhnlich auch, weil sie nicht nur keine
Aufgabe vernachlässigte, sondern jede ihrer Pflichten mit
einem Selbstverständnis sondergleichen annahm und
bestmöglich erfüllte. Sie verwaltete nicht ihr Reich,
sondern reformierte es, sie gebar nicht nur einen Thronfolger, sondern
sechzehn Nachkommen, sie überließ ihrem Gemahl die
Kaiserwürde, beharrte jedoch auf ihrer absoluten Herrschaft
über ihr Reich. Dieses selbstverständliche
Nebeneinander, diese unaufgeregte Verzahnung und strategische Nutzung
männlicher und weiblicher Verhaltensweisen sind die Machtbasis
dieser Herrscherin. Maria Theresia ist Herrscher und Mutter, und beide
Bilder nutzt sie nach Bedarf.
Beispielhaft schildert das die Autorin bei ihrer Krönung zum
König von
Ungarn 1741 in Pressburg. Ohne zu zögern
und ohne mit der Wimper zu zucken absolviert sie die alten
kriegerischen Riten bei der Zeremonie der Eidesleistung: zu Pferd den
sogenannten Krönungshügel hinaufreiten, dann das
Schwert aus der Scheide ziehen und es in die vier Himmelsrichtungen
erheben. Diese meisterlich durchgeführte Übung sollte
der Beweis ihrer männlichen Kraft sein und demonstrieren, dass
auch eine Königin ein König sein kann. Zweieinhalb
Monate später zeigte sie sich vor dem Landtag als emotionale,
verzweifelte Mutter, die der Unterstützung der Ungarn bedarf.
Maria Theresia präsentiert sich gekonnt als Frau mit dem
Schwert und als Mutter in Tränen.
Maria Theresia ist eine machtbewusste Herrscherin, die ihre Macht
vielgestaltig zu inszenieren weiß. Ihre Weiblichkeit nimmt
sie dafür gerne in Anspruch. Sie bezeichnet sich selbst als
Mutter all ihrer Untertanen und setzt ihre Mutterschaft und
Fruchtbarkeit als Inbegriff ihrer Macht und als Kennzeichen ihrer
Herrschaft ein. Es gelingt ihr, das Bild der tugendhaftesten
Herrscherin Europas von sich zu vermitteln. Gleichzeitig betreibt sie
erfolgreich die Verleihung der Kaiserwürde an ihren Gemahl,
Franz Stephan, weigert sich aber, sich zur rein
repräsentativen machtlosen "Kaiser Gemahlin" krönen
zu lassen. Badinter spricht vom "triumphierenden Matriarchat".
Macht ist männlich, Macht ist weiblich. Élisabeth
Badinter liefert dazu anhand der österreichischen Geschichte
und der Figur der absoluten Herrscherin Maria Theresia eine spannende
und überzeugende Biografie der Macht.
(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 04/2017)
Élisabeth
Badinter: "Maria Theresia. Die Macht der Frau"
Übersetzt von Horst Brühmann, Petra Willim.
Zsolnay, 2017. 304 Seiten.
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Buchtipps:
Barbara Stollberg-Rilinger: "Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer
Zeit. Eine Biografie"
Eine "Weiberherrschaft“ war im 18. Jahrhundert an sich nicht
ungewöhnlich - ungewöhnlich aber war, dass Kaiserin
Maria Theresia das Geschäft des Regierens als ihre
persönliche Aufgabe derart ernst nahm und mit
äußerster Akribie betrieb. Damit unterschied sie
sich von vielen europäischen Monarchen, die lieber ihren
Neigungen nachgingen und die Amtsgeschäfte gern Anderen
überließen. Dass Maria Theresia nicht nur in dieser
Hinsicht eine außergewöhnliche Frau war, zeigt
diese eindrucksvolle Biografie.
Barbara Stollberg-Rilinger lässt in ihrer meisterhaften
Darstellung die Verhältnisse am Habsburger Hof, in der Stadt
Wien, im Heiligen
Römischen
Reich und in den vielen
Ländern lebendig werden, aus denen sich die Monarchie
zusammensetzte. Ihre Haupt- und Staatsaktionen wie der Erbfolgekrieg
(1740-1748) oder der Siebenjährige Krieg (1756- 1763) gegen
ihren Erzfeind Friedrich den Großen von Preußen
werden ebenso anschaulich beschrieben wie das Verhältnis zu
Ehe, Sexualität und Schwangerschaft, die Erziehung ihrer
vielen Kinder, die Divertissements bei Hofe, die erbitterten Konflikte
mit dem Sohn und Mitregenten Joseph II. und nicht zuletzt die
unbarmherzige Religionspolitik der kompromisslos katholischen Kaiserin,
die am Ende wie aus der Zeit gefallen schien. Gestützt auf
zahllose, mitunter kaum bekannte Quellen, entsteht ein ganz
einzigartiges Porträt Maria Theresias. Es ist frei von
hagiografischen Zügen und zeigt eine Matriarchin von
äußerstem Pflichtbewusstsein, die sich selbst ebenso
wie ihre Familie und ihre Untertanen einem strengen Regiment unterwarf.
(C. H. Beck)
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Hanne
Egghardt: "Maria
Theresias Kinder. 16 Schicksale zwischen Glanz und Elend"
In bewährt spannender Weise erzählt Hanne Egghardt
das Leben der 16 Kinder Maria Theresias. Von der
übermächtigen Mutter als "Kapital" im dynastischen
Ränkespiel angesehen, wurden viele schon früh
Partnern versprochen, um damit Habsburgs Macht zu stärken. Sie
fügten sich in ihre Rollen, doch hinterließ dies
auch Spuren in ihrem Charakter. Ferdinand Karl widmete sich lieber
Vergnügungen als Staatsgeschäften. Maximilian Franz,
Kurfürst von Köln, litt unter Fettsucht und
Depressionen. Leopold II. erlaubte sich sexuelle
Freizügigkeiten. Und Joseph II. führte seine Reformen
mit größter Verbissenheit durch, vieles wird heute
als Protest gegen die Mutter interpretiert. Mimi, Maria Theresias
Lieblingstochter, hatte eine lesbische Liaison mit der Frau ihres
Bruders, Joseph II. Maria Elisabeth, durch Pocken und einen Kropf
verunstaltet, wurde zum verbitterten, scharfzüngigen Drachen.
Maria Karolina zerstritt sich mit ihrer Mutter bis zum
vollständigen Bruch. Am schlimmsten traf es Marie
Antoinette. Als halbwüchsiges,
putzsüchtiges Kind mit dem Dauphin von Frankreich verheiratet,
endete sie 1793 auf dem Schafott. (Kremayr & Scheriau)
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Hanne Egghardt: "Maria Theresias
Männer. Ihre Lieben, ihre Ratgeber und die Stützen
ihres Throns"
Schillernde, brillante Persönlichkeiten sind es, mit denen
Maria Theresia sich umgab.
Franz Stephan von Lothringen, ihr vielseitig interessierter,
lebenslustiger, nicht immer treuer Ehemann.
Joseph II., ihr rebellischer Sohn, mit dem sie zahlreiche
Sträuße ausfocht.
Emanuel Silva-Tarouca, der elegante Portugiese und enge Vertraute.
Joseph von Sonnenfels, der quirlige Tausendsassa,
"Universitätspascha" und entschlossene Kämpfer gegen
die Folter.
Gerard van Swieten, der Leibarzt, heftig angefeindete
Begründer der "ersten Wiener medizinischen Schule" und
Vampirjäger.
Friedrich Wilhelm von Haugwitz, der ständig Grimassen
schneidende, nervös zuckende Kanzler bis 1760.
Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, sein Nachfolger, der neurotische,
eitle, geheimnisumwitterte Großintrigant und
Außenminister.
Die Kaiserin
wählte ihre Ratgeber mit Bedacht - und stärkte so
ihre Macht. (Kremayr & Scheriau)
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Katrin Unterreiner: "Maria Theresia.
Mythos & Wahrheit"
Die legendäre Herrscherin abseits der Klischees.
Nach dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karl VI., trat Maria Theresia ein
schweres Erbe an: Der Angriff Friedrichs
II. auf Schlesien
stürzte den Staat in eine ernste Krise. Es galt, mit
zahlreichen Reformen für einen Modernisierungsschub zu sorgen.
Gleichzeitig war Maria Theresia eine absolutistische Regentin, die
einen barocken Lebensstil pflegte: Inszenierte Frömmigkeit und
prächtige Feste bestimmten ihren Alltag. Als Mutter zeigte sie
sich ihren Kindern gegenüber oft kompromisslos - die
Staatsräson stand im Vordergrund.
Habsburg-Expertin Katrin Unterreiner blickt hinter die Kulissen und
geht den Mythen auf den Grund. Anhand zahlreicher Fragen, die
aufgrund
neuester Quellen bestätigt oder als Legende entlarvt werden,
ermöglicht sie einen spannenden Blick auf die
Persönlichkeit Maria Theresias und ihre Politik. (styria
premium)
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Elfriede
Iby, Martin Mutschlechner, Werner Telesko, Karl
Vocelka: "Maria Theresia 1717-1780. Strategin - Mutter -
Reformerin"
Maria Theresia als Frau und als Herrscherin, ihr Wirken zu
Lebzeiten,
aber auch ihr Nachleben als Mutterfigur Österreichs fordern
eine kritische Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit und
Wirkung dieser großen Habsburgerin. Die unterschiedlichen
Facetten ihrer Lebensgeschichte und die politischen
Herausforderungen,
denen sie sich in ihrer Regentschaft stellen musste, bilden einen
Schwerpunkt dieses Begleitbandes zur Jubiläumsausstellung.
Dargestellt werden die kulturhistorischen Leistungen der Epoche
sowie
die Entstehung des "Mythos Maria Theresia", für dessen
Verbreitung die Kaiserin bereits zu Lebzeiten gesorgt hat.
Der großzügig bebilderte Katalog vermittelt dank
vertiefender Beiträge namhafter Experten und Expertinnen ein
umfassendes und auch kritisches Bild dieser prägenden Gestalt
der österreichischen Geschichte. (Amalthea)
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Thomas Lau: "Die
Kaiserin. Maria Theresia"
Im Alter von nur 23 Jahren war Maria Theresia (1717-1780) wie
aus dem
Nichts auf der europäischen Bühne erschienen, und
vieles sprach dafür, dass sie sie genauso rasch wieder
verlassen würde. Das Haus Habsburg stand vor dem Bankrott. Nur
wenn es sich wandelte, würde es fortbestehen können.
Maria Theresia verkörperte diesen Wandel - im wahrsten Sinne
des Wortes. Immer wieder neu und immer wieder anders wusste sie
über 40 Regierungsjahre hinweg ihre Person wie ihren werdenden
Staat den neuen Zeitansprüchen anzupassen.
Versatzstücke alter Rollenbilder wurden von ihr neu arrangiert
und weiblich uminterpretiert. Einem nach Orientierung ringenden
Publikum wurden viele Möglichkeiten der Identifizierung
angeboten. Die weinende Kaiserin vergoss ihre Tränen mit
Kalkül - und mit Erfolg: sie begeisterte ihre Untertanen,
disziplinierte ihre Räte und verunsicherte ihre Gegner.
Der Historiker Thomas Lau zeigt Maria Theresia als Königin und
Kaiserin, als Mutter des Vaterlands und von sechzehn Kindern,
als
Ehefrau und Witwe, als Reformerin und fromme Tochter der
Heiligen
Mutter Kirche, als kalte Ingenieurin der Macht und als
vermeintlich
schwache Frau.
Eine kundige, gut erzählte Biografie über die einzige
weibliche Regentin in der habsburgischen Geschichte und eine der
herausragenden Herrscherpersönlichkeiten der Neuzeit.
(Böhlau)
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