Karl Ove Knausgård: "Im Winter"
In
der Stille. Karl Ove Knausgårds winterliche Betrachtungen.
Der Winter ist still und reglos. Im Gegensatz zum Herbst, der eine Zeit
des Übergangs und des Entleerens ist. Von Licht aus dem
Himmel, Wärme aus der Luft, den Blättern von den
Bäumen. Der darauffolgende Winter ist ein Zustand, es herrscht
die Reglosigkeit. Die Geräusche verstummen, aber gleichzeitig
scheint es, als wüchsen die wenigen und sporadischen Laute mit
der Stille im Hintergrund an Stärke und Intensität.
Denn so darf, bemerkt Knausgård, der Autor, der Ruf einer
Krähe, der im Sommer nur einer der Klänge in einem
größeren Gewebe aus Geräuschen ist, die
Luft im Winter allein erfüllen, "und jede einzelne
Nuance in diesem schnarrenden, heiseren, irgendwie konsonantenreichen
Krähen tritt deutlich hervor, wie es zunächst
aggressiv anschwillt, danach wehmütig verklingt, um eine mal
melancholische, mal beunruhigende Stimmung zwischen den Bäumen
zu hinterlassen". Derart genau beobachtet und derart
präzise beschreibt er das, was wir in unseren Breiten Winter
nennen.
Wahrgenommen und schreibend seziert wird alles, was den Autor umgibt.
Schnee, Wasser, Kälte genauso wie Eulen, Stühle,
Rohre oder Unordnung und Gäste. Gedanken zu menschlichen
Kontakten und sexueller Begierde stehen neben jenen über
Gespräche, Gewohnheiten und Lebensgefühl. Alles, was
einen Menschen im Europa des 21. Jahrhunderts bewegt. Auch die
Naturbeobachtungen sind gleichsam zeit- bzw.
ortsgemäß. Der Norweger Karl Ove
Knausgård, der in Südschweden lebt, entwirft keinen
idyllischen Winter mit meterhoher Schneedecke, im Gegenteil. So wie in
Ostösterreich ist auch sein Winter dunkel, nass und kalt, und
der erste Schnee verschwindet oft nach wenigen Stunden. Sein Winter
ähnelt dem unseren. Seine Beobachtungen, Wahrnehmungen,
Notizen und Bemerkungen, zu diesem "Winter"-Band aneinandergereiht,
ergeben eine wohlig beschauliche Lektüre.
Karl Ove Knausgård, der als einer der wichtigsten
norwegischen Gegenwartsautoren gilt, wurde vor allem durch sein
sechsbändiges
autobiografisches Projekt bekannt. Er ist Erfolgsautor und
Inhaber des "Österreichischen Staatspreises für
Europäische Literatur" von 2017. Die in diesem Buch
versammelten kleinen Essays sollen zeigen, "wie die Welt
aussieht". So Knausgård im Vorwort, das er als
Brief an eine ungeborene Tochter schreibt. Begleitet werden die Texte
von wunderbar versponnenen Bildern des schwedischen Malers Lars Lerin.
Alles in allem ein entspanntes winterliches Lesevergnügen, das
ästhetische und intellektuelle Bedürfnisse und
Neigungen miteinander verbindet.
(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 11/2017)
Karl
Ove Knausgård: "Im Winter"
Mit Bildern von Lars Lerin.
(Originaltitel "Om vinteren")
Aus dem Norwegischen von Paul Berf.
Luchterhand, 2017. 320 Seiten.
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Weitere Bücher des Autors aus dieser Reihe:
"Im Frühling"
"Im Frühling" ist der dritte Teil einer aus vier
Bänden bestehenden grandiosen Liebeserklärung an das
Leben und die sinnlich erfahrbare Welt. Enthalten: ein Tag im Leben
einer Familie, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang.
In diesem Kurzroman begleiten wir einen Vater und seine drei Monate
alte Tochter durch einen Tag im Frühling. Ein Tag,
geprägt vom Anfang des Lebens, von Aufbruch und Licht, aber
auch von Dunkelheit und Beschwernis.
"Noch hing etwas Sparsames über allem, die
Landschaft war ohne diese tiefe Fülle, die der Sommer brachte,
das Grün der Bäume war vorerst nur ein Schimmer, denn
so ist der April: Knospen, Keime, Ungewissheit, Zögern. Der
April liegt zwischen dem großen Schlaf und dem
großen Sprung. Der April ist die Sehnsucht nach etwas
Anderem, wobei dieses Andere noch unbekannt ist."
(Luchterhand)
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"Im
Sommer"
Knausgård schreibt über Wassersprenger und
Schnecken, Rote Johannisbeeren und Tränen, über
Weidenröschen, den Zirkus, Marienkäfer und das
Fischen von Krabben. Er führt auch Tagebuch, in dem die
kleinen Ereignisse im Leben einer Familie vor dem Hintergrund all
dessen registriert werden, was ein Sommer an Gedanken, Erinnerungen,
Sehnsüchten,
Erlebnissen von Kunst und Literatur zum Leben
erweckt.
"Die Zeit ist abgrundtief, die Sicht, die man als Kind hat, reicht
nicht weit. Für mich war die Kindheit meiner
Großeltern außer Reichweite, sie war etwas,
worüber ich nichts wusste - und für meine Kinder ist
die Kindheit meiner Eltern außer Reichweite! Von ihren
Urgroßeltern in Westnorwegen, bei denen ich jeden Sommer
verbrachte, haben sie keine Ahnung. Es nützt nichts, dass ich
von ihnen erzähle, sie können das an nichts
festmachen, die Menschen, die in den Geschichten auftauchen, sind
tot
und sind es während ihres ganzen Lebens gewesen. Der Keller
mit den Steinwänden und dem oftmals feuchten Boden mit dem
Abfluss, in den das Wasser rieselte, die weißen
Schüsseln, mit den Bergen glänzend roter
Johannisbeeren darin, die Milcheimer, der kleine Traktor und all die
anderen Dinge, die in meiner Erinnerung leuchten, sagen ihnen
nichts,
denn die Welt wird von innen erleuchtet, von innen heraus entsteht
die
Bedeutung der Dinge und Orte." (Luchterhand)
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"Im
Herbst"
Ein Kind wird zur Welt kommen. Und ein Vater setzt sich hin, um ihm zu
schreiben. Er will dem Kind zeigen, was es erwartet, die Myriade von
Phänomenen und Materie, Tieren und Menschen, die wir die Welt
nennen. Er schreibt über die Sonne und den Dachs,
über die Thermoskanne und Urin,
über das Bett und die
Einsamkeit, während das Kind im Dunkeln wächst.
"All das Fantastische, dem du bald begegnen wirst, das du
bald sehen darfst, verliert man so leicht aus den Augen, und es gibt
fast so viele Arten, dies zu tun, wie es Menschen gibt. Deshalb
schreibe dieses Buch für dich. Ich will dir die Welt zeigen,
wie sie ist und wie sie uns umgibt, die ganze Zeit. Nur indem ich
das
tue, kann ich selbst sie sehen. Was macht das Leben
lebenswert?"
(Luchterhand)
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