Jan Zweyer: "Das Haus der grauen Mönche. Im Dienst der Hanse"


Das Finale der Mittelaltersaga

Wir schreiben das Jahr 1506, und Jorge von Linden befindet sich auf seiner Reise durch die deutschen Lande, die ihn schließlich nach Lübeck führt, wo er im Hause der von Wibbeking vorstellig wird, denn der jüngere Sohn des Handelshauses hat ihm dafür, dass Jorge ihm damals beim Berggeschrey das Leben gerettet hatte, eine Belohnung versprochen. Und genau darauf ist Jorge nun aus. Er möchte gerne eine Stelle und auch endlich ein festes Zuhause haben; beides Dinge, die er sich von seinem ehemaligen Kumpel erhofft.
Dieser und sein älterer Bruder Konrad sind nur allzu gerne bereit, ihm eine Stelle zu geben. Umso mehr, als sich herausstellt, dass der junge Mann lesen, schreiben und rechnen kann. Schnell steigt er in die Kontorsarbeit ein und erweist sich als überaus nützlicher Mitarbeiter. Als so nützlich, dass Clas von Wibbeking ihn schließlich sogar als Assistenten zum Hansetag mitnimmt, wo er selbstständig Verhandlungen mit einigen anderen Händlern, speziell aus Italien, führen darf. Doch der eigentliche Grund der Mitnahme Jorges zu diesem Treffen ist ein ganz anderer, der schließlich die weiteren Lebensläufe der beiden Männer nachdrücklich beeinflussen soll.

Zur selben Zeit ist Marlein von Enghusen ebenfalls in Lübeck, wo sie im Haus ihres Onkels lebt. Sie ist sehr glücklich, Hattingen entkommen zu sein und in Lübeck zusammen mit den anderen Töchtern der Handelshäuser die Schule besuchen zu können. Weniger glücklich ist die Vierzehnjährige mit den ständigen Versuchen ihres Onkels, der von ihrem Vater dazu gedrängt wird, ihr mögliche  Heiratskandidaten vorzuführen. Schließlich kann sie ihrem Onkel das Versprechen abringen, dass er sie als ihr Vormund nicht dazu zwingt, jemanden gegen ihren Willen zu heiraten, doch nachdem ihr Vater bei einem Besuch in Lübeck darauf bestanden hat, dass sie bis zu ihrem sechzehnten Geburtstag verheiratet sein muss, kommt dem Mädchen eine zunächst sehr gut erscheinende Idee.
 
Während es die beiden Helden dieser Reihe lange Zeit schaffen, in Lübeck aneinander vorbeizuleben, erleben sie die Umstände des dänisch-schwedischen Kriegs direkt bzw. indirekt. Besonders Jorge ist von seinen Erfahrungen als Mitfahrender eines Kriegskonvois angesichts dessen, was er dabei erlebt, überaus verstört und muss seine ganze neue und erfolgreiche Lebensweise hinterfragen.

Hier und dort gibt es einige Vorhersagbarkeiten, aber dazwischen ist die Geschichte so wendungsreich und voller plastischer historischer Darstellungen und Erläuterungen, dass das nicht wirklich stört. Wie bei vielen historischen Romanen, muss auch hier natürlich die Historizität, die ja sowieso nur bedingt einhaltbar ist, den narrativen Bedürfnissen weichen, aber nichtsdestotrotz vermittelt das Buch insgesamt einen relativ guten Eindruck vom Leben der Menschen verschiedener Schichten und Regionen in der damaligen Zeit.
Dass die "Helden" dabei in der Regel sehr moderne Ansichten und Denkansätze aufweisen, macht sie dabei für den heutigen Leser sicherlich zugänglicher und erleichtert die Darstellung der damaligen Umstände ungemein.

Einige der Anpassungen erläutert der Autor in seinem Nachwort - und noch mehr auf seiner Netzseite, wo sich auch die Quellen finden, die er bei der Recherche für die "Das Haus der grauen Mönche"-Trilogie verwendet hat.
Insgesamt eine sehr ansprechende und interessante Erzählung, die ihre Figuren als durchaus - auch moralisch - komplexe Wesen vorstellt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2016)


Jan Zweyer: "Das Haus der grauen Mönche. Im Dienst der Hanse"
grafit, 2016. 413 Seiten.
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