Amélie Nothomb: "Die Kunst, Champagner zu trinken"
Es
lebe der Champagner!
Die Protagonistin dieses Romans von Amélie Nothomb
heißt Amélie Nothomb und ist Schriftstellerin.
Grund genug, davon auszugehen, dass es sich bei der Protagonistin
zumindest um ein durch Fiktion erweitertes alter ego der Autorin
handelt. Der Roman heißt zwar im Original
"Pétronelle", also so wie die zweite Protagonistin im Roman,
die sich rasch ebenfalls als Schriftstellerin entpuppt; was aber nicht
verhindert, dass der für die deutsche Übersetzung
gewählte Titel dem Buch wirklich entspricht. Es geht um
Champagner. Um das Trinken per se und um die französische
Leidenschaft für das prickelnde Getränk, das
irgendwie generell für gehobene Lebensfreude steht.
Bei einer Lesung lernt Amélie Nothomb (die Protagonistin)
Pétronelle kennen. Eine junge, unscheinbare Person, die
aussieht wie ein fünfzehnjähriger Bursche. Als sich
herausstellt, dass Pétronelle alle Romane Nothombs nicht nur
gelesen hat, sondern auf fast fanatische Weise kennt,
stößt das bei Amélie auf großes
Interesse. Da Amélie zu diesem Zeitpunkt bereits auf der
Suche nach einem geeigneten "Saufkumpan" ist, spürt sie, dass
Pétronelle vielleicht die ideale Ergänzung
für ihre neu gefundene Leidenschaft sein könnte.
Nichtsdestotrotz verliert sich der Kontakt zur jungen
Pétronelle, der erst wirklich hergestellt wird, als Nothomb
zufällig auf die Ankündigung einer Lesung von
Pétronelle aus ihrem eigenen ersten Roman
stößt.
Die beiden Frauen werden Freundinnen und streifen durch Paris. In der
Nacht, am Tag, auf Partys und anderen Anlässen. Champagner ist
immer dabei, wird quasi zum dritten Protagonisten dieses
feuchtfröhlichen Romans, bei dem dann doch immer wieder kleine
dunkle Wölkchen aufziehen. Die im Ansatz gedachten
Nebelwolken, oder gar Dämonen, die bleiben zumindest diesem
Rezensenten verborgen.
Ausgangspunkt für diese kleinen, dunklen Wölkchen ist
Pétronelles Charakter. Nicht einfach zu ertragen ist ihr
ständiges Schwanken, hin und her geht es da, einmal mag sie
etwas, dann wieder nicht, und so tut sich die Protagonistin
Amélie ebenso schwer wie der Leser, der in diesem Fall immer
wieder überlegt hat, ob er das Buch leicht entnervt zur Seite
legen oder sich selbst ein Gläschen gönnen soll (zur
Milderung der aufscheinenden Stimmungsschwankungen der
Protagonistinnen). Es ist nämlich definitiv nicht so, dass
alle Wölkchen nur von Pétronelle her wehen. Auch
Amélie ist kein einfacher Charakter, was den Text dann doch
recht ausgeglichen macht.
Ein Ausflug nach London, inklusive Partyhündchen, Star-Modedesignerin
und Nobelhotel, ebenso wie ein Skiurlaub, der in einem kleinen Fiasko
endet, unzählige Trinkgelage, alles nobel natürlich,
für billige Bierräusche ist hier kein Platz. Der
Leser erfährt "nebenbei" einiges über diverse Romane
Nothombs, erhält ebenso Informationen über die
fiktiven Romane Pétronelles, was ein wenig an die
Vorgehensweise um den Schriftsteller Benno von Arcimboldi erinnert, der
durch
das
Schaffen Roberto Bolaños geistert. Allerdings in
sehr abgeschwächter, homöopathischer Dosierung quasi,
was bei einem kurzen, großzügig auf nur 144 Seiten
Platz findenden Roman natürlich auch Unfug wäre.
Nichtsdestotrotz ist man in diesem hervorragend übersetzten
Roman, den man ganz im Sinn der Autorin mit einem guten Glas Champagner
oder, vom Rezensenten bevorzugt, Single Malt, ganz gut unterhalten,
weil Amélie es ausgezeichnet schafft, die Grenzen zwischen
Realität und Fiktion immer wieder verschwimmen zu lassen, so
dass man, ob man will oder nicht, ständig am Grübeln
ist, wie fiktiv die Protagonistin Amélie nun wirklich ist.
Dass die Autorin das Ende dann doch offen ausfransen lässt,
ist aus der Perspektive der Literatur sicher die beste Lösung.
Den voyeuristischen Leser, zu dem man, wenn man sich den Schlussseiten
nähert, ungewollt geworden ist, trifft das dann doch etwas
hart. Doch nicht verzagen, ein gutes Glas beruhigt auch dieses
Gefühl.
"Die Kunst, Champagner zu trinken" ist ein unterhaltender Roman, der
dem Leser an einem Abend in Begleitung eines Gläschens des
bevorzugten alkoholischen Getränks eine empfehlenswerte
Lektüre ist.
(Roland Freisitzer; 03/2016)
Amélie
Nothomb: "Die Kunst, Champagner zu trinken"
(Originaltitel "Pétronille")
Aus dem Französischen von Brigitte Große.
Diogenes, 2016. 144 Seiten.
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Noch
ein Buchtipp:
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Paris: Wer wenn nicht Karlheinz Stierle, könnte die
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