Lluís Llach: "Die Frauen von La Principal"


Die Ketten der Tradition brechen

Lluís Llach, geboren 1948, ist in erster Linie als Liedermacher und Sänger bekannt. Seine Lieder, wie zum Beispiel das während der Franco-Diktatur im Exil entstandene "L'Estaca", gelten als Symbol für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. Der Roman "Die Frauen von La Principal" ist zwar bereits sein zweiter, allerdings der erste in deutscher Übersetzung veröffentlichte.

Der Ausgangspunkt für diesen Roman ist ein Ereignis, das 1893 im patriarchalischen, konservativen Katalonien wie ein massives Unglück erscheinen musste. Der Gutsbesitzer Andreu Roderich vererbt sein Weingut La Principal ausgerechnet seiner einzigen Tochter, obwohl er vier Söhne hat. Und das in einer Zeit, als es noch keine Bemühungen um die Gleichberechtigung von Frauen gab, als die gesellschaftlichen Zwänge wie ein starres Korsett jegliche Bewegung verhinderten.
Der Roman nimmt diesen Anlass, um eine Geschichte von drei Generationen starker Frauen zu erzählen, die sich in der von Männern dominierten Welt nicht nur durchmühen, sondern erfolgreich behaupten können. Dass dank dieser Konstellation bereits genügend Motive für Hinterlist, Intrige und Eifersucht gegeben sind, liegt auf der Hand. Schon bei der Verlesung des Testaments kommt es zu einem heftigen Streit zwischen Marias Brüdern und dem Notar. Eine Szene, die psychologisch extrem stark gezeichnet ist. Nichts ist offenbar so schwer abzustreifen wie die Macht der Gewohnheit, als Mann das Sagen zu haben.
Mit weiblicher Intuition, Klugheit und Weitsicht führen sie das Regiment auf La Principal erfolgreich in die Zukunft. Die drei Protagonistinnen sind Großmutter Maria, ihre Tochter Maria und zuletzt noch die Enkeltochter Maria.

Die drei Frauen schaffen es unter Anderem, auch mit absurden Eigenheiten zu punkten. Anders ist der Wunsch der "Alten" (Maria, die Großmutter), sich auf einer Sänfte zum Gottesdienst tragen zu lassen, nicht zu erklären. Auch die Beziehung der zweiten Maria zu ihrem Angestellten und Geliebten Lorenc, der zusätzlich noch ein homoerotisches Verhältnis zu Ricard, der auch zum Personal von La Principal gehört, unterhält, ist von Maria aus dominiert.

Wenn etwas später Ricard ermordet wird, gesellt sich zum Generationen- und Familienroman auch noch ein Kriminalroman dazu. Ein paar Jahre nach dem Mord taucht ein Kriminalinspektor der Polizei auf dem Anwesen auf, der den Fall, der, bereits geschlossen, Staub angesetzt hat, neu aufrollen will. Inspektor Lluís Recader ist eine ziemlich skurrile Figur, die vielleicht ein ironisches alter ego des Autors sein könnte. Mit den Romanen Agatha Christies groß geworden, greift er noch immer mit Vorliebe auf die Aufklärungsmethoden der britischen Krimiautorin zurück. Eine Tatsache, die seine Methoden rasch etwas dubios, oder zumindest unseriös, wirken lässt.

Erzählt wird der Roman einerseits von Lorenc, dem Geliebten der zweiten Maria und auch Vater der jüngsten Maria, hauptsächlich aber von Ursula, die Amme und gleichzeitig "gute Seele" von La Principal ist. In ganz jungen Jahren auf das Gut gekommen, soll sie bis zum Lebensende bei der Familie bleiben. Sie wird so zur Chronistin, die sich jene Ereignisse ins Gedächtnis ruft, welche auf La Principal seit ihrem Erscheinen passiert sind.

Die beiden älteren Frauen leben ihr Leben auch ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Zwänge, indem sie beide ihr Glück mit Männern suchen, die nicht ihrem Stand entsprechen. Maria, die Großmutter, mit einem Musiker, und Maria, die Tochter, mit Lorenc, der eben "nur" Angestellter ist.

Und so treibt Lluís Llach seinen recht unterhaltenden Roman dem Ende zu, wo dann ein Geheimnis gelüftet wird, welches das bereits Erzählte teilweise in neues Licht taucht und sich als gelungene, interessante Wendung erweist. Sehr geglückt ist Lluís Llachs Figurenzeichnung, vor allem beim Personal des Guts. Sehr empathisch, einfühlsam und nie überheblich entwirft er seine Figuren, egal welcher Schicht sie entstammen. Weniger gelungen ist das homoerotische Verhältnis, das ein wenig klischeehaft scheint.

Sehr gut übersetzt, liest sich dieser Roman flüssig und spannend. Wirklich unverständlich ist nur, dass der Insel Verlag für diese Veröffentlichung eine so kleine Schrift gewählt hat, dass man selbst als gut bebrillter Leser nur mühevoll weiterkommt. Die kleine Schrift trübt das Lesevergnügen vehement, vor allem in den kursiv gesetzten Teilen. Der fast gleichzeitig ebenfalls bei Insel erschienene (und wirklich ausgezeichnete) Roman "Die Birken wissen's noch" von Lars Mytting ist angenehm auf 516 Seiten gedruckt, obwohl man im direkten Vergleich sicher ist, dass bei einer Zählung der Worte "Die Frauen von La Principal" klarer Sieger wäre ...

Fazit:
Ein fast durchgehend gelungener Unterhaltungsroman, der sich eindringlich mit dem Thema der Frauengleichberechtigung beschäftigt, der ein schönes Bild Kataloniens zeichnet, mit einer guten Portion Lokalkolorit und einer eingefügten Kriminalgeschichte, die wie Salz und Pfeffer für Spannung sorgen soll, auch wenn der Inspektor wahrscheinlich unfreiwillig für Komik sorgt.
Denjenigen, die sich durch diese Kurzzusammenfassung angesprochen fühlen, sei der Roman wärmstens empfohlen.

(Roland Freisitzer; 03/2016)


Lluís Llach: "Die Frauen von La Principal"
(Originaltitel "Les dones de la Principal")
Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann.
Insel, 2016. 319 Seiten.
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