Fjodor Dostojewskij: "Aufzeichnungen aus dem Abseits"
Ein
lange Zeit im Abseits gestandenes Hauptwerk Dostojewskijs
Ein anonymer Ich-Erzähler mit leicht psychopathischem
Einschlag berichtet einem seinerseits anonymen Adressaten, dem Leser,
aus seinem selbstgewählten Abseits. Von Dostojewskij in der
Zeit von 1862 bis 1864 aufgezeichnet, wurde der Text vom
zeitgenössischen Lesepublikum zunächst abgelehnt, um
viele Jahre später erst als ein Schlüsseltext
für das Verständnis der großen Werke
Dostojewskijs anerkannt zu werden.
Zwei Teile umfasst der Roman, der erste betitelt mit "Das Abseits",
worin die Erläuterungen dem durch sie beleuchteten Text quasi
verdrehtermaßen vorangestellt sind, gefolgt von "Bei nassem
Schneefall", dem eigentlichen Bericht des "Abseitigen". Der Leser wird
an Gogols
"Tagebuch eines Wahnsinnigen" erinnert.
Dostojewskij lässt seinen Helden geschraubte Monologe
abspulen. In erratischem Gedankenflug, einmal pathetisch und
melodramatisch verschwafelt, dann wieder philosophisch
verbrämt, bürstet der "Abseitige" konsequent gegen
den Strich, gegen das Gewöhnliche, gegen das Vertraute. Wie so
zahlreiche von Dostojewskijs dichterischen Gestalten, wandelt auch der
"Abseitige" an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn. Er hegt
hochfliegende Gedanken, die jedoch in die Niederungen der
Banalität zurücktaumeln, kaum dass sie sich erhoben
haben.
Der "Abseitige" leugnet die Alleinherrschaft von Logik und Vernunft und
stellt ihnen einen im Absurden wurzelnden Skeptizismus entgegen oder
besser relativierend zur Seite. Der laut Felix Philipp Ingold
meistzitierte Satz aus den "Aufzeichnungen aus dem Abseits" lautet: "Ich
gebe
zu, zwei mal zwei gleich vier ist eine großartige Sache:
doch wenn ich schon mal am Loben bin, so ist auch zwei mal zwei gleich
fünf ein immer wieder wunderhübsches
Sächelchen."
Der "Abseitige" rennt also gegen die scheinbar festgefügte
Mauer aus Logik und Vernunft an, um das daraus abgeleitete "zwei mal
zwei gleich vier" in seinem Ausschließlichkeitsanspruch in
Frage zu stellen.
Wollte Dostojewskij sich mit seinem Erzähler identifiziert
sehen, weil er ja in der Ich-Form schreibt? Felix Philipp Ingold
verneint dies in seinem umfassend kommentierenden Nachwort. Trotzdem
stellt sich die Frage, ob Dostojewskij nicht doch den "Abseitigen" zum
Sprecher seiner eigenen Leiden gemacht hat, denn auch Dostojewskijs
Wesen war ja, nach allem, was wir heute wissen, eher zerrissen als in
harmonischer Einheit ruhend.
Zumindest ein autobiografisches Fundament scheint der vorliegende Text
aufzuweisen. Und auch für den Übersetzer entpuppt
sich der "Abseitige" am Ende doch als ein Mensch wie du und ich. Wollte
Dostojewskij also sich selbst und uns allen einen Spiegel vorhalten?
Es besteht schon ein gewisses Identifikationspotenzial für
jeden von uns, und ein schwierig zu definierendes Unbehagen bleibt nach
der Lektüre der "Aufzeichnungen aus dem Abseits"
zurück.
Doch mehr noch bietet die Lektüre sowohl ein anregendes
Lesevergnügen als auch einen guten
Einstieg in Dostojewskijs Werk.
(Werner Fletcher; 10/2016)
Fjodor
Dostojewskij: "Aufzeichnungen aus dem Abseits"
(Originaltitel "Zapisk i iz podpol'ja")
Herausgegeben und aus dem Russischen übersetzt von Felix
Philipp Ingold.
Dörlemann Verlag, 2016. 254 Seiten.
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der Boden entgleitet ihr unter den Füßen.
Wie kein zweiter Autor lässt Platonow die Atmosphäre
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einen unerhörten Ausdruck.
Auf der Grundlage der anno 2000 in
Sankt
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erstmals edierten gültigen Originalausgabe hat Gabriele
Leupold, gerühmt für ihre Übersetzungen von
Andrej Belyjs "Petersburg" und Warlam
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"Erzählungen aus Kolyma", eine neue
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erarbeitet.
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Slawnikowa: "2017"
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