Tania Blixen: "Nordische Nächte"
Die schönsten Erzählungen
Sieben
nostalgische Geschichten einer herausragenden Erzählerin
Der stimmungsvoll zusammengestellte Band beinhaltet die
Erzählungen "Saison in Kopenhagen" (1957), "Die Familie de
Cats" (1905), "Babettes Fest" (1950; übrigens 1987 unter der
Regie von Gabriel Axel verfilmt), "Onkel Théodore"
(1909/1913), "Karneval" (1935), "Die Königssöhne"
(1946) und "Eine tröstliche Geschichte" (1942),
überdies eine kurze "Editorische Notiz" sowie ein
Quellenverzeichnis.
Sydney Pollacks anno 1985 sehr erfolgreicher Film "Jenseits von Afrika"
mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus
Maria
Brandauer in den Hauptrollen brachte in
weichgespülten, geschönten und schwelgerischen
Bildern Episoden aus dem Leben der dänischen Schriftstellerin
Karen Blixen auf die Kinoleinwände und machte sie auf
Grundlage ihres autobiografischen Romans weltberühmt. Noch
immer kann man im heutigen Kenia auf Spurensuche gehen, um der
skandalumwitterten Autorin, die (mit Unterbrechungen) von 1914 bis 1931
im damaligen kolonialen Britisch-Ostafrika lebte, nachzuspüren.
Die spätere Baronin von Blixen-Finecke wurde am 17. April 1885
als Karen Christence Dinesen auf Rungstedlund, dem 25 Kilometer
nördlich von Kopenhagen am noblen Öresund gelegenen
Familiensitz, geboren. Sie studierte Malerei in Kopenhagen, Paris und
Rom. Ihr Vater nahm sich 1895 nach einer Syphilis-Diagnose das Leben.
Im Jahr 1914 wanderte sie mit ihrem Ehemann, dem schwedischen Baron
Bror von Blixen-Finecke (1886-1946), einem entfernten Verwandten, nach
Britisch-Ostafrika aus, um der heimatlichen Enge zu entfliehen. Blixens
weiterer Lebensweg bescherte ihr unter Anderem den eher
glücklosen Betrieb einer ehelichen Kaffeeplantage, Bankrott,
eine vom Ehemann verursachte Infektion mit Syphilis, die Scheidung,
Affären, und schließlich, nach dem Tod ihres
Geliebten Denys Finch Hatton (1887-1931) bei einem Flugzeugabsturz und
infolge der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1931, die
Rückkehr in ihre Heimat, wo sie am 7. September 1962 starb.
Ihr ehemaliges Anwesen, wo Blixen unter einer ausladenden Buche
begraben liegt, beherbergt seit dem Jahr 1991 ein Museum.
Blixens Freundin, Sekretärin und Nachlassverwalterin Clara
Selborn (1916-2008) veröffentlichte ihre Memoiren, auf Deutsch
unter dem Titel "Die Herrin von Rungstedlund. Erinnerungen an meine
Zeit mit Tania Blixen" erschienen.
Die bisweilen launig als "dänische Scheherazade" bezeichnete
extravagante Schriftstellerin Tania Blixen, die zeitlebens Armut und
bürgerliche Enge fürchtete, Hüte, Hunde
und
Zigaretten liebte und auch als Malerin aktiv war, schrieb unter
wechselnden Pseudonymen auf Dänisch und auf Englisch, ihr
erstes Buch "Seven Gothic Tales" ("Sieben
fantastische Geschichten") veröffentlichte sie anno 1934 in
den USA unter dem Pseudonym Isak Dinesen.
Noblesse und Grazie, formvollendeter Stil,
tiefgründige Romantik, Standesbewusstsein, großes
Einfühlungsvermögen und ausgefeilte
Figurenzeichnungen prägen ihre Werke. In seiner Dankesrede
sagte der 1954 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Ernest
Hemingway, einer der zahlreichen Bewunderer von
Blixens Werken, diese hätte den Preis mehr verdient als er.
Denn jahrelang galt Tania Blixen als Anwärterin auf den
Literaturnobelpreis, allerdings verhinderten angeblich interne
Maßgaben die Zuerkennung, wie später zu lesen war:
Skandinavische Schriftsteller sollten demnach nicht
überdurchschnittlich oft zum Zug kommen. Von der "Schwedischen
Akademie", welche die Preisträger bestimmt (bzw. dem
Auswahlkomitee), werden die entscheidungsrelevanten Akten - warum auch
immer - fünfzig Jahre lang unter Verschluss gehalten. Nun ja,
die Vergabepraxis des Literaturnobelpreises sorgt eben immer wieder
für Dispute ...
Tania Blixens in "Nordische Nächte" versammelte
Erzählungen sind Lektüre vom Feinsten und bieten auf
Grundlage großer Menschenkenntnis geschilderte Einsichten in
mannigfaltige Verhaltensweisen, wenngleich vor inzwischen historischen
Kulissen. Die Heranführung an das jeweilige Kernthema erfolgt
stets großzügig ausholend, um Zeit, Sitten und
Gebräuche darzustellen, die Protagonisten umfassend
einzuführen und deren jeweiliges soziales Umfeld abzubilden.
Sei es, dass die wohlhabende Schönheit Adelaide aufgrund der
schwerwiegenden Entscheidung des ansehnlichen Naturburschen Ib ihre
Sicht der Dinge zu überdenken gezwungen ist, oder eine
Familiengeschichte über Glück, Erfolg, Ruhm und Ehre
mitsamt dem zugehörigen Opfer, das jede Generation zu bringen
hat, ob es darum geht, dass ein junger Mann lange Zeit über
seine Verhältnisse lebt und schließlich schmerzhafte
Bekanntschaft mit einem sonderbaren reichen Erbonkel, der
buchstäblich aus dem Nichts auftaucht, macht, ob eine
Kopenhagener Karnevalsnacht anno 1925 der illustren Gesellschaft, zu
der auch der junge, in Blankversen sprechende Kierkegaard
gehört, neben dekadentem Zeitvertreib und vorwiegend
belanglosem Geplauder auch die überraschende Bedrohung durch
einen falschen Gast und zumindest vorübergehenden Tiefgang
beschert, ob es sich um orientalisch angehauchte Geschichten von
tapferen Königssöhnen, die Opfer einer List zu werden
drohen, handelt, oder um einen Prinzen, der in einem Bettler einen
perfekten Doppelgänger hat, Tania Blixen erzählt
kurzweilig und überzeugend. Immer wieder geht es um Kunst und
Künstler, um Liebesbeziehungen und Lebensweisheiten,
Spielereien, Ängste und Nöte und natürlich
um Schicksalsfäden.
Besonders bekannt ist wohl die Erzählung "Babettes Fest", in
der ein Propsttöchterhaushalt Spuren der Vergangenheit
bewältigen muss, darin nicht ohne Ironie von Tania Blixen
ausgeführt, wohin allzu frömmelnde
Bedürfnislosigkeit führen kann. Kurioses Detail am
Rande:
Papst
Franziskus erwähnte in seiner am 8. April 2016
publizierten Schrift "Amoris Laetitia" ausgerechnet "Babettes Fest", um
auf das selbstlose Schenken hinzuweisen. Das erstaunt in Anbetracht des
Wortlautes der entsprechenden Stelle der Erzählung:
"Philippa aber fühlte sich bis ins tiefste Herz
gerührt. Sie hatte das Empfinden, dass hier ein
unvergesslicher Abend seine Krönung erfahren sollte in einem
unvergesslichen Beispiel menschlicher Treue und Selbstaufopferung.
'Liebe Babette', sagte sie freundlich, 'das hättest du aber
nicht tun sollen: unsertwegen alles hergeben.'
Babette warf der Herrin einen tiefen Blick zu, einen seltsamen Blick -
lag nicht Mitleid, vielleicht sogar Verachtung, auf seinem Grunde?
'Ihretwegen?', versetzte sie. 'Nein. Meinetwegen.'
Da erhob sie sich vom Hackklotz und stellte sich den Schwestern
gegenüber. 'Ich bin eine große
Künstlerin!', sagte sie. (...)"
Der großartige Band "Nordische Nächte" bietet teils
konventionelle, teils unkonventionelle dramatische Erzählungen
voller Eleganz in rundum gelungenen Übersetzungen - ideale
Lektüre, nicht nur für lange Winternächte.
(kre; 12/2016)
Tania
Blixen: "Nordische Nächte. Die schönsten
Erzählungen"
Herausgegeben von Horst Maria Lauinger.
Aus dem Dänischen und dem Englischen übersetzt von
Ursula Gunsilius, Wolfheinrich von der Mülbe, Jürgen
Schweier und W. E. Süskind.
Penguin, 2016. 319 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Tania Blixen: "Jenseits von Afrika"
Kaum ein Klassiker des 20. Jahrhunderts strahlt eine vergleichbare
Faszination aus wie "Jenseits von Afrika". Mit ihrer melancholischen
Liebeserklärung an Natur und Ureinwohner Kenias schuf Tania
Blixen ein bewegendes Stück Weltliteratur. 2010 erschien im
"Manesse Verlag" eine um fehlende Kapitel ergänzte Neuausgabe
des Buches, die hiermit in der "Bibliothek der Weltliteratur"
verfügbar ist.
Die Majestät der Berge, die schier unendliche Weite der
Savannen und deren Bewohner zogen Tania Blixen augenblicklich in den
Bann, als sie sich 1914 im kolonialen Britisch-Ostafrika
niederließ, heiratete und eine Kaffeeplantage betrieb. In
farbigen Bildern beschreibt sie die märchenhaft-mystische
Atmosphäre eines vom Untergang bedrohten Paradieses.
1938 erstmals in Deutschland veröffentlicht, wurde Blixens
Afrikabuch sofort zu einem riesigen Publikumserfolg. (Manesse)
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Anita
Albus: "Das Los
der Lust. Ein Versuch über Tania Blixen"
Afrika blieb das Sehnsuchtsland der dänischen Baronin Tania
Blixen, auch als sie ihren Lebenstraum einer Kaffeeplantage in Kenia
"am Fuße der Ngong-Berge" nach 17 Jahren 1932
endgültig verloren geben musste. Ein noch
größerer Schicksalsschlag war für sie das
Scheitern ihrer leidenschaftlichen Liebe zu dem englischen Adligen
Denys Finch Hatton und dessen früher Tod bei einem
Flugzeugabsturz.
Anita Albus' Essay "Das Los der Lust" spürt den subtilen
Mechanismen des Erinnerns, der Fantasie, des Mystifizierens nach, mit
denen Tania Blixen in ihrem literarischen Werk die Schrecken des
Schicksals für sich zu deuten versucht. Ihr lebenslanger
Traum, "wie ein Vogel die Erde unter sich versinken zu sehen", war ihr
oft genug Rettung. (S. Fischer)
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Paula McLain: "Lady Africa"
Die Frau, die den Himmel bezwang.
Aufgewachsen als Tochter eines Lords im afrikanischen Busch,
interessiert sich die junge Beryl nicht für Seidenkleider und
Etikette. Dafür ist sie stark und mutig und hat von ihrem
Vater alles über Pferde
gelernt. Doch im britischen
Protektorat - dem späteren Kenia
- der vorigen
Jahrhundertwende ist kein Platz für solch ein
ungezähmtes Mädchen. Bis sie in Karen Blixen eine
Seelenverwandte findet - und in deren Geliebtem, dem Flieger und
Großwildjäger Denys Finch Hatton, das Abenteuer
ihres Lebens.
Ein großes Afrika-Epos und die wahre Geschichte der
Flugpionierin Beryl Markham, die als erste Frau den Atlantik
überquerte. (Aufbau)
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