Daniel Kehlmann: "Kommt, Geister"
Frankfurter Vorlesungen
Spannende, umfassende
Vorlesungssammlung über das Leben und die Literatur
"Meine Eltern hätten mir nicht erlauben sollen, mit neun Jahren 'Die
schwarze Spinne' zu lesen. Noch nie hatte ich mich so gefürchtet. Nie
zuvor solche Albträume, nie so eine Intensität der Angst."
"Kommt, Geister" ist eine Sammlung von Daniel Kehlmanns Vorlesungen aus
dem Sommer 2014, die er an der Frankfurter Goethe-Universität abhielt.
Unterteilt in fünf Kapitel, widmet er sich verschiedenen Themen des
Lebens und verknüpft dabei persönliche Einflüsse mit geschichtlichen,
literarischen, gesellschaftlichen, philosophischen und sozialen
Komponenten.
Das erste Kapitel, "Illyrien", beginnt Kehlmann mit Peter Alexander,
Günter Grass
und der "Gruppe
47". Er zitiert aus Ingeborg Bachmanns "Unter Mördern und Irren"
und teilt seine eigenen Gedanken mit dem Rezipienten. Unter Anderem
findet auch die Nazi-Zeit Berücksichtigung.
"Elben, Spinnen, Schicksalsschwestern" wird von Kehlmanns Erfahrungen
mit "Der schwarzen Spinne" bei einem Familienurlaub in der Schweiz
eingeleitet und geht geschmeidig in Überlegungen zu Gespenstern,
Zombies, fantastischen Wesen und "Macbeth" über.
In "Robin Goodfellows Reise um die Erde in vierzig Minuten" ergeht sich
Kehlmann unter Anderem in Überlegungen über Shakespeare und "Macbeth".
Mit "Teutsche Sorgen oder die Entdeckung der Stimme", dem vierten
Kapitel, führt Kehlmann den Leser in seine Gedanken und Ansichten über
Grimmelshausen und den "Simplicissimus"
sowie den Dreißigjährigen Krieg ein.
"Die Unvollständigkeit" vervollständigt Kehlmanns Vorlesungen mit
Leo
Perutz' "Nachts unter der steinernen Brücke", der
Wiener
Moderne, Schnitzler,
Freud
und Gödel, dem Exil und vielem mehr.
Die erwähnten Themen und Personen bieten nur einen ansatzweisen
Ausschnitt aus "Kommt, Geister", das - es liegt wohl in der Natur der
Sache einer Vorlesung - äußerst weit verzweigte und bunt
zusammengesetzte Gedankenstränge und Anregungen verarbeitet. Der Leser
sollte sich selbst vom ebenso interessanten wie lebendigen Charakter
dieser Vorlesungen überzeugen. Der Inhaber des Gastlehrstuhls für Poetik
kann also nicht nur als Autor, sondern auch als Dozent überzeugen.
Nach erfolgreichen Romanen wie "Die
Vermessung der Welt" oder "F" bietet die Sammlung der Vorlesungen
eine erfrischend andere Art, Werke des Autors zu rezipieren.
"Kommt, Geister" bietet ein so umfassendes wie spannendes
Lektürevergnügen, bei dem man als Leser auch ins Nachgrübeln kommt und
Anregungen für Literatur findet, die einem vielleicht auch Unterhaltung
bietet und auf die man sonst nicht stoßen würde. Die breit gefächert und
vital angelegten essayistischen Texte punkten auf eine unaufdringliche
Art, mit der der Autor seine Gedanken über die Welt mit dieser teilt.
Conclusio:
Absolut empfehlenswerte Beschäftigung mit verschiedenster Literatur und
unterschiedlichsten Autoren - da bekommt man Lust, sich selbst in den
Hörsaal zu setzen und dem Autor zuzuhören.
(Alexandra Gölly; 03/2015)
Daniel Kehlmann: "Kommt, Geister. Frankfurter Vorlesungen"
Rowohlt, 2015. 172 Seiten.
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Ein weiteres Buch des
Autors:
"F"
Es ist der Sommer vor der Wirtschaftskrise. Martin Friedland,
katholischer Priester ohne Glauben, übergewichtig, weil immer hungrig,
trifft sich mit seinem Halbbruder Eric zum Essen. Der hochverschuldete,
mit einem Bein im Gefängnis stehende Finanzberater hat unheimliche
Visionen, teilt davon jedoch keinem etwas mit. Schattenhafte Männer,
sogar zwei Kinder warnen ihn vor etwas, nur: Gelten diese Warnungen
wirklich ihm, oder ist etwa sein Zwillingsbruder Iwan gemeint, der
Kunstkenner und Ästhet, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht? Schon
nimmt das Unheil seinen Lauf.
Daniel Kehlmann erzählt von drei Brüdern, die - jeder auf seine Weise -
Betrüger, Heuchler, Fälscher sind. Sie haben sich in ihrem Leben
eingerichtet, doch plötzlich klafft ein Abgrund auf. Ein Augenblick der
Unaufmerksamkeit, ein Zufall, ein falscher Schritt, und was
gespenstischer Albtraum schien, wird wahr.
Ein Roman über Lüge und Wahrheit, über Familie, Fälschung und die Kraft
der Fiktion: ein virtuoses Kunstwerk - vielschichtig, geheimnisvoll und
kühn. (Rowohlt)
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Noch ein Buchtipp:
Terézia Mora: "Nicht sterben"
Wenige Monate nachdem Terézia Mora im Herbst 2013 für ihren Roman "Das
Ungeheuer" mit dem "Deutschen Buchpreis" ausgezeichnet wurde,
hielt sie ihre "Frankfurter Poetik-Vorlesungen". Schritt für Schritt
erzählte sie, wie sie ihren unvergleichlichen literarischen Kosmos
geschaffen hat, erst Erzählungen, dann ihre vielfach ausgezeichneten
Romane. Diese Vorlesungen waren ein Ereignis. Wer mehr über Terézia
Mora, ihr Werk, über das Schreiben und über die Literatur im Allgemeinen
erfahren möchte, kann die in Frankfurt gehaltenen Vorträge jetzt
nachlesen.
Terézia Moras "Frankfurter Poetik-Vorlesungen" beginnen mit einem
starken Bild. Sie erzählt, wie sie unlängst mit ihrer kleinen Tochter im
Kino war, um sich einen Zeichentrickfilm anzusehen. Darin musste eine
Familie von Steinzeitmenschen ihre Höhle verlassen und sah sich mit
einem Mal einer fremden und bedrohlichen Welt gegenüber. Ähnlich fühlt
Terézia Mora sich als Autorin von jeher in eine Welt von Störungen und
Irritationen ausgesetzt, der sie sich erwehren muss, die aber auch zu
Antriebskräften ihres Schreibens werden. Wie sich dies gestaltet,
darüber spricht sie in ihren Vorlesungen. Detailliert erzählt sie von
ihren Romanfiguren, wann sie ihnen begegnet ist und welchen intimen
Umgang sie mit ihnen, fiktiven Freunden teilweise schon seit
Kindertagen, pflegt. Und sie kommt auch auf einen wesentlichen Aspekt
ihres Schreibens zu sprechen: das Drastische, und weswegen ihre
Geschichten immer radikale Wendungen nehmen. Indem Terézia Mora so dem
existenziellen Ursprung sowie den Bedingungen und Grundlagen ihres
Schreibens nachgeht, ist dieses Buch auch ein Nachdenken über die
autobiografischen Hintergründe ihrer Entwicklung als Autorin. Dies macht
"Nicht sterben" zu einer ebenso erhellenden wie faszinierenden
Hinführung zu ihrem Werk und zur Literatur im Allgemeinen. (Luchterhand)
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